Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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der Keil zwischen die französische vierte und fünfte Armee. 
Das ganze Gefüge des französischen linken Heeresflügels 
drohte auseinander gesprengt zu werden. 
Denn auch die deutsche vierte Armee warf gleichzeitig 
(22.—24. August) die französische vierte Armee, die bereits 
durch die wegearmen Ardennen bis über den Semois vor- 
gedrungen war, im Raume von Neußchateau und drängte 
sie bis auf die Maas beiderseits Sedan zurück. Endlich 
überrannte die deutsche fünfte Armee, in gewaltigem 
Schwung sich auf die französische dritte Armee stürzend, 
die französische Schlachtlinie von Audun bis Montmédy. 
Auch hier war der französische Vormarsch im Beginn 
aufgehalten worden. Der Schlachterfolg war auch hier 
ein durchschlagender. Erst die Höhenstellungen am linken 
Maasufer und die dort eintreffenden Verstärkungen er- 
möglichten der französischen dritten Armee neuen Wider- 
stand stromabwärts von Verdun, bei Dun und Stenay. 
So sehen wir auf der Front aller deutschen Armeen 
da# gleiche Bild des jauchzend sich in den Schlachtentod 
stürzenden Jungdeutschlands, ein Erleben ohnegleichen in 
der Geschichte der Menschheit. 
In wenigen Tagen seit Kampfbeginn waren die Feld- 
heere der Westmächte entschieden geschlagen, der Haupt- 
teil von Belgien und ein wichtiger Teil des nordfranzö- 
sischen Wirtschaftsgebietes erobert, das deutsche Land bis 
auf einen kleinen Teil des Elsaß vom Feinde gesäubert, 
die Uberlegenheit des deutschen Soldaten und der deutschen 
Führung glänzend erwiesen. 
Das ist in Kürze der Rahmen, innerhalb dessen sich die 
Augusttätigkeit der deutschen dritten Armee vollzog, ein 
Bild von gewaltigem August-Sonnenglanz, hinter dem aber, 
biöher noch ungesehen, bereits ein tiefer Schlagschatten 
aus fernem Osten emportauchte. Der deutsche Kriegoplan, 
von dem genialen Grafen Schlieffen, dem früheren preußi- 
schen Generalstabschef, entworfen, war auf der damals zu- 
treffenden Tatsache aufgebaut, daß das gewaltige russische 
Feldheer nicht gleich schnell wie das französische vormarsch- 
bereit sein bonnte. 
Deshalb war zur Verteidigung der gemeinsamen Ost- 
front der Mittelmächte, außer dem ösierreichisch-ungarischen 
Feldheer, nur ein verhältnismäßig schwaches Deckungs- 
heer in Ostpreußen, die achte Armee unter Generaloberst 
v. Prittwitz (I., XVII. und XX. Armeekorps, I. Reserve- 
korps, 3. Reservedivision und 1. Kavalleriedivision) bereit- 
gestellt worden. 
Aber die Russen waren nicht in 40, sondern bereits in 
20 Tagen vormarschfertig und standen mit zwei Heeren 
von zusammen sod 0O00 Mann bereito am 20. August vor 
Königoberg und im Masurenland, während fünf weitere 
russische Heere in einer Gesamtstärke von 1 300 Ooo Mann 
dac Ssterreichisch = ungarische Feldheer, zunächst kaum 
700 ooo Mann, in Galizien umklammerten. Vergebeno 
hatte sich die deutsche achte Armee in dem Grenzraume 
von Gumbinnen mit drei Korps, der Reservedivision und 
der Kavalleriedivision, der Niemenarmee des russischen Gene- 
rals Rennenkampf — sechs Armeekorps, zwei Schützen- 
brigaden, sechs Reservedivisionen und ein Kavalleriekorp# 
— vom 17. bis 21. August entgegengeworfen, während das 
deutsche XX. Armeekorp#s vor der anderen russischen Ein- 
fallgarmee, der Narewarmee des Generals Samsonow, 
einen Schleier bildete. 
Die deutsche achte Armee mußte nachs iegreichem Kampfe, 
8000 gefangene Russen mit sich führend, von der Uberzahl 
umflutet, langsam südwesiwärts ausweichen, die Sicherung 
der Festung Königsberg ihrer Besatzung überlassend. Zwei- 
fellos vermochte auch das deutsche XX. Armeekorps dem 
Andrang der fünf Korps der russischen Narewarmee auf 
die Dauer nicht standzuhalten, welche der (Hilfsschrei der 
Westmächte aus ihrem Versammlungsgebiet im Mündungs- 
winkel des Narew über Mlawa vorwärts trieb. Der Rück- 
zug der deutschen achten Armee über die Weichsel schien 
unvermeidlich, wollte man die Armee nicht opfern. 
Da berief der Kaiser den im Ruhestand in Hannover 
lebenden General der Infanterie v. Hindenburg am 
22. August als Oberbefehlshaber der achten Armee nach 
Ostpreußen. Dem deutschen Östen erstand in dieser Schick- 
salsstunde sein Retter. 
Auch auf der österreichisch-ungarischen Heeresfront war 
um diese Zeit die K riegslage überaus ernst. Die österreichisch- 
ungarische Heeresleitung war dem Erzherzog Friedrich an- 
vertraut, dem Enkel des siegreichen Napoleonbekämpfers 
Erzherzog Karl. Sein Stabschef wurde der Generalstabs= 
chef der österreichisch-ungarischen Armee, der Feldzeugmeister 
Konrad v. Hötzendorf, seit Jahren vom Vertrauen des 
österreichisch-ungarischen Heeres getragen. 
Die österreichisch-ungarischen Hauptkräfte, zunächst etwa 
700 ooo Gewehre, wurden bis zum 14. August in Galizien 
versammelt, nur elf Divisionen, in zwei Armeen gegliedert, 
gegen das briegserprobte serbische Feldheer von 300 o00 
Mann verwendet. 
Nach heißen Vorkämpfen, längs der galizischen Grenze, 
welche den Angriffögeist und die Feldtüchtigkeit der öster= 
reichisch-ungarischen Truppen im vollsten Aichte zeigten, 
warf die österreichisch-ungarische Heeresleitung ihre linke 
Flügelgruppe, fast zwei Drittel der gesamten Kräfte um- 
fassend und in zwei Armeen gegliedert, aus dem San- 
winkel östlich der Weichsel gegen den russischen Versamm- 
lungsraum zwischen Weichsel und Bug vor, um der recht- 
zeitig erkannten russischen Absicht der Niesenumklamme- 
rung zuvorzukommen, durch Zerschmetterung des russischen 
rechten Flügels, der in der gewaltigen Stärke von min- 
destens ½ Million Streitern, im Naume von Lublin und 
Cholm in zwei Armeen nahezu vollständig versammelt, 
bereit stand. Währenddessen sollte der Rest des österreichisch- 
ungarischen Feldheeres in Ostgalizien auf der podolischen 
Platte den drei anderen russischen Armeen die Stirn bieten 
und Lemberg schützen. 
Schon am 21. August stand fest, daß die russische Heeres- 
versammlung bereits wider Erwarten fast vollständig voll- 
zogen war und daß die Stärke jeder einzelnen russischen 
Armee fast die doppelte als früher vermutete Streiterzahl 
umfaßte. Das erschütterte weder den Angriffswillen der 
Führung noch den Schwung der vorwärtsstürmenden Armeen 
der Generäle Dankl (erste Armee) und v. Auffenberg (vierte 
Armee). 
Vorsorglich rief die österreichischeungarische Heeresleitung 
bereits jetzt die eine der beiden gegen Serbien eingesetzten 
Armeen unter dem General v. Böhm-Ermolli nach Ost- 
galizien heran, die Abrechnung mit den Serben auf später 
verschiebend. 
Auch die deutsche Heeresleitung sah sich bereitc am 
21. August, infolge des unerwartet schnellen Vormarsches 
der Russen gezwungen, zwei Armeekorpo und eine Kaval- 
leriedivision vom westlichen nach dem östlichen Kriegsschau- 
platz zu überführen. Da# betraf, wie wir später sehen 
werden, auch die sächsische Kavalleriedivision, die 8. Kaval- 
leriedivision, welche bisher im Verbande der sechsten Armee 
in Lothringen gestanden hatte, sowie das bisher zur dritten 
Armee gehörige XI. Armeekorps, das schon am 21. August, 
also drei Tage nach Beginn des Vormarsches, zum Angriff 
auf Namur der dritten Armee entzogen wurde und dem- 
nächst nach dem Osten abrollte. —
	        
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