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in dem Abschnitt des Infanterieregiments 57. Dieser war
seit 9. Mai mit Artilleriefeuer Tag und Nacht überschüttet
worden. Die über dem gewachsenen Boden mit Sandsäcken
aufgebaute vorderste Linie war völlig zerstört. Die Kampf-
stellung bestand nur noch aus einzelnen Erdtrichtern und
schnell hergestellten Erdaufwürfen. Das hochanstehende
Grundwasser gestattete ein Eingraben nicht. Die Eng-
länder hatten bereits den größten Teil der vordersten Stel-
lung erobert.
Schon der Anmarsch der Sachsen mußte in vollem
Trommelfeuer zurückgelegt werden, aber die bewährte
Truppe hatte gelernt, selbst mit solchem Massenfeuer
sich abzufinden. Tatsächlich gelangte das Bataillon fast
ohne Verluste — " Verwundete — in ganz kleinen Trupps
oder einzeln nach vorn. Nach dreitägigem Kampfe hatte
dac Bataillon, das mit 16 Offizieren und 843 Mann
angerückt war, nur noch 10 Offiziere und 483 Mann.
Hunger, Regen und Kälte hatten auch die Uberlebenden
stark heruntergebracht, aber dem Feind war kein Zoll
breit Boden überlassen worden. „Die Sachsen haben ihrem
Rufe auf der Westfront voll entsprochen.“ Mit dieser An-
erkennung entließ sie der preußische Führer, dem sie unter-
standen hatten.
Das andere zur Hilfe herbeigeeilte Bataillon des
XIX. Armeekorps, das II. Bataillon Infanterieregiments
104 unter Hauptmann Facius, traf am 15. Mai
11,40 Uhr nachts in Marquillies ein und wurde am
16. Mai frühzeitig durch die Jone des feindlichen Sperr-
feuers hindurch nach dem bedrohten Flügel der 13. In-
fanteriedivision, Infanterieregiment s#S vorgezogen. Zahl-
reiche feindliche Flieger leiteten das Artilleriefeuer auf
das in kleinen Trupps vorwärtsstrebende Bataillon, aber
die mit dem feindlichen Massenfeuer vertrauten 104er
kamen ohne Verluste hindurch und wurden bei Le Transloy
bereitgestellt.
Das II. Bataillon Infanterieregiments 104 nahm zunächst
an einem Vorsioß des Infanterieregiments "5 gegen die
von den Engländern genommenen Gräben, etwa 1 Kilo-
meter wesilich der Ferme-de-Biez, teil. Das Wegkreuz
dort hatte im Stellungskrieg den Namen „ipperkreuz“,
ein noch weiter feindwärts gelegenes Gehöft den Namen
„Apfelhof“ erhalten. Dort spielten sich die Heldenkämpfe
des Bataillons Facius in den nächsten Tagen ab. Wenn
auch die feindlichen Gräben nicht genommen werden konn-
ten, so schloß doch das Sachsenbataillon die Durchbruchs-
stelle fortab sicher ab und wies alle weiteren Versuche der
Engländer blutig ab. Bis zum Spätabend des 10. Mai
mußten die Sachsen in vorderster Linie aushalten, unter
fortwährend heftigstem Feuer, in verschütteten Gräben,
ohne Schlaf und ohne warme Kost, die nicht heranzubringen
war. Stolz zogen die Sachsen am 20. Mai von dannen.
Das Infanterieregiment §s drückte dem Infanterieregi-
ment 104 noch schriftlich seinen besonderen Dank aus
„für die treue Waffenbrüderschaft, die es ihm in den
schweren Tagen vom 16. Mai ab durch Entsendung des
II. Bataillons unter Hauptmann Facius bewiesen hatte“.
Die Verluste des Bataillons waren beträchtlich, insgesamt
2 Offuiere und 200 Mann.
In diesen Kämpfen wurde zur Verstärkung der eigenen
Artilleriekräfte vom 17. bis 21. Mai die §. Batterie
Feldartillerieregiments 68 bei Violaines in Stellung ge-
bracht und trug, selbst unter schwerem Artilleriefeuer
stehend, wesentlich zur Entlastung unserer heldenhaften
Infanterie bei.
V. Die FJunikämpfe
Die Franzosen und Engländer setzten auch im Juni 19135
ihre Durchbruchsversuche bei und nördlich von Arras fort.
Dabei fand Infanterieregiment 134 Gelegenheit zu
zähestem Ausharren im Trommelfeuer, dieser damals neuen
teuflischen, seitdem immer mehr vervollkommneten Erfin-
dung menschlicher Zerstörungswut. Infanterieregiment 134
war vom s. bis 183. Juni dem preußischen VII. Armeekorps
in der Gegend von Givenchy bei La Bassée zugeteilt.
Infanterieregiment 134 übernahm in der Nacht zum
7. Juni den Abschnitt des Infanterieregiments 36. Die Stel-
lung hatte durch das zwei Tage bereits währende feindliche
Trommelfeuer, mit dem die Engländer offenbar einen
großen Angriff vorbereiteten, stark gelitten. Sie bedurfte
dringend des Ausbauc. In dem angegriffenen Teil der
Stellung stand das Infanterieregiment 134 in vorderster
Linie, als der längst vorhergesehene Angriff am 14. Juni
begann. Den Verlauf der Hauptkampftage vom 14. bis
18. Juni hat der Bataillonsführer auf Grund der Aus-
sagen der Beteiligten auf Befehl des Regimento in einem
Gefechtsbericht zusammengestellt, der gedruckt noch im
Kriege die Runde bei den Truppen gemacht hat. Ich lasse
ihn, nur wenig gekürzt, folgen als typisches Beispiel dafür,
wie sich ein solcher Heldenkampf, von dem der deutsche
Kriegobericht lakonisch das Mißlingen eines feindlichen An-
griffs bei X. zu melden pflegte, für unsere Brüder und
Söhne im Kampfgraben tatsächlich abgespielt hat:
Loos, 22. 6. 1915.
Gefechtsbericht der verstärkten Bataillone I
und III des Infanterieregiments 134 über die
Gefechte bei Givenchy,
14. bis 18. Juni 1918.
Im Laufe des 14. Juni lols beschossen die Engländer
den Abschnitt mit schwerer Artillerie, steigernd bis zum
Abend. Es kann mit Sicherheit angenommen werden, daß
bereits an diesem Tage ein feindlicher Angriff angesetzt,
von uno aber rechtzeitig erkannt und durch unser Artillerie=
feuer im Keime erstickt worden ist. An demselben Abend
erfolgte in diesem Abschnitt die Ablösung des III. Bataillons
Infanterieregiments 134 durch das II. Bataillon Infanterie-
regiments 134, das trotz starken Artilleriefeuers mit ganz
unbedeutenden Verlusten vorkam. Besetzt war die Stellung
wie folgt: Im Abschnitt 4 die 7. Kompagnie, in s die 8.,
in 6 die s. und in 7 die 6. Kompagnie. Die Kompagnien,
formiert zu je 4 Zügen, lagen mit 3 Zügen in erster, mit je
einem Zug in zweiter Linie, dort auch der Bataillonsstab.
Während der Nacht vom 14. zum 15§. Juni wurde die stark
beschädigte Stellung notdürftig wieder ausgebaut. Am Mor-
gen des 15. Juni war der linke Flügel der Stellung samt
Sappe 12, 13 und 15 gangbar und verteidigungsfähig.
Der rechte Flügel sowie Sappe 8, da und der Flankierungs-
graben zu Reserveinfanterieregiment 91 waren stark be-
schädigt, jedoch auch noch verteidigungofähig. Die Ver-
bindung zwischen den Abschnitten E§ und K 6 fehlte gänzlich.
Außerdem war der Schützengraben zwischen dem rechts an-
schließenden Reserveinfanterieregiment 91 und II. Infanterie-
regiment 134 auf etwa SomF cingeebnet. Verbindung durch
Patrouillen wurde aufrecht erhalten. Während dieser Nacht
belegte der Feind den gesamten Abschnitt mit Schrapnells
und schweren Granaten. Am Morgen deo 15. Juni, etwa
7 Uhr vormittags, begann der Feind die Schützen-Deckungs-
und Verbindungsgräben planmäßig mit schwerem Artilleric=
feuer zu belegen. Das Feuer steigerte sich im Laufe des
Tages. Die englische Artillerie war gut eingeschossen und
ebnete große Teile der Gräben vollkommen ein.
Zahlreiche Verschüttungen und erhebliche Verluste traten
schon jetzt ein. Bereits im Laufe des Vormittags war die
Fernsprechverbindung zu den Kompagnien unterbrochen; am
frühen Nachmittag fehlte auch die zu dem Abschnittskom-
mandeur vollständig. Sie wurde aber im Laufe des Tages