Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

lischen Artillerie bei weitem heftiger als am ersten Tage. 
5 Ühr abends setzte ein Trommelfeuer ein, welches dem 
des vorhergehenden Tages an Heftigkeit weit überlegen 
war. Das Fehlen der Unterstände trieb die Leute aus einem 
Granatloch in das andere. Die Verluste waren wieder sehr 
hoch. Die Kräfte der Mannschaften wurden aufs äußerste 
angespannt. 3,15 Uhr nachmittags erbat ich die Bereit- 
stellung von drei Kompagnien Infanterieregiments 57. 
5,30 ühr nachmittags begann ein neuer Infanterieangriff. 
Ich beantragte sofort die noch verfügbare 11. Kompagnie, 
die zunächst im Deckungsgraben untergebracht wurde. Der 
Angriff der Engländer wurde vor meinem linken Flügel 
verhältnismäßig leicht abgeschlagen. Die Engländer er- 
reichten hier die Gräben überhaupt nicht. 
Am rechten Flügel wurde hart gekämpft. Hier waren 
die Engländer wieder in der Trichterstellung und im West- 
teil der Sappe 8 eingedrungen. Der Ostteil der Sappe 8 
verblieb, wenn auch nur schwach besetzt, in unserer Hand. 
Reserveinfanterieregiment 91 hatte nunmehr seine gesamte 
Stellung bis zum Schwefelschloß geräumt. Ich erhielt vom 
Abschnittokommandeur den Auftrag, festzustellen, ob Schwe- 
felschloß in unserer oder feindlicher Hand sei. Gleichzeitig 
wurde mir mitgeteilt, daß ein Nachbarbataillon auf Schwe- 
felschloß angesetzt sei. Ich gab daher 6,45 Uhr abends 
den Befehl an den Kompagnieführer Ehlert, das Vor- 
gehen dieses Bataillons durch flankierendes Feuer zu unter- 
stützen und den Anschluß an Reserveinfanterieregiment 91 
wieder herzustellen. Bis 7 Uhr abends wurde die 11. Kom- 
pagnie Infanterieregiments 134 mit einem Zug nach links, 
mit den übrigen beiden Zügen in die Kompagnie Ehlert 
eingesetzt. Die 3. Kompagnie Infanterieregiments 57 wurde 
im Deckungsgraben untergebracht. Inzwischen war endlich 
die Lage am rechten Flügel geklärt worden. Während ich 
angenommen hatte, daß die Engländer die Sappe 3 in Be- 
sitz hatten und ich infolgedessen die Sappe 9 dauernd 
mit starken Kräften mit der Front nach Norden besetzt 
hielt, kam ich nunmehr trotz sich immer widersprechender 
Meldungen zu der Ansicht, daß nur der westliche Teil der 
Sappe 8 und die dortige Trichterstellung in der Hand der 
Engländer seien. Ich schickte daher dem Leutnant Ehlert 
folgenden Befehl: 
„Sie setzen sich unter allen Umständen wieder in den 
Besitz des von den Engländern besetzten Grabenteils und. 
der Trichterstellung. Hierzu stehen Ihnen die in Sappe 9 
befindlichen Kräfte zur Verfügung.“ 
Leutnant Ehlert setzte dieselben je zur Hälfte in den 
Abschnitten 4 und s zum Handgranatenangriff gegen die 
Stellung an. 7,30 Uhr abends waren die Engländer nach 
hartnäckigem Kampfe auch aus diesem letzten Teil meiner 
Stellung wieder herausgeworfen. 
In der Zwischenzeit hatte sich in der Trichterstellung 
folgendes abgespielt: Während der Steilabfall unter dau- 
erndem englischen Trommelfeuer gehalten wurde, waren 
die Engländer in die Trichterstellung und in den westlichen 
Teil der Sappe 9 eingedrungen. Das dauernde Trommel- 
feuer verhinderte sowohl Gegenangriff wie irgendwelche 
Verbindung mit mir. Erst als das Trommelfeuer gegen 
7 Uhr abends aufhörte, wurde beides wieder möglich. Nach- 
dem der Offizier, der die Engländer im Trichter befehligte, 
abgeschossen worden war, räumten die Engländer eiligst 
die Stellung; damit fiel auch die englische Stellung in 
Sappe 8. 7,15 Uhr abends entsendete ich den Leutnant 
Pohlers nach dem rechten Flügel mit dem Auftrage, mir 
unbedingt ein blares Bild von den dortigen Verhältnissen 
zu schaffen. 8,30 Uhr abends kehrte derselbe mit folgender 
Meldung zurück: 
„Die Stellung ist von den Engländern gesäubert. Wir 
sind wieder in vollem Besitz der Stellung. Die seitliche 
Verbindung ist notdürftig überall vorhanden. Die Ver- 
220 
bindung mit Reserveinfanterieregiment 91 fehlte zunächst, 
ist aber von Leutnant Ehlert durch einen im Verbindungs- 
graben stehenden Zug jetzt wieder hergestellt.“ 
Das feindliche Artillerlefeuer ging ununterbrochen weiter. 
11 Uhr abends beurteilte ich die Lage folgendermaßen: Die 
Stellung war vollständig in meiner Hand. Die Truppen 
jedoch, namentlich die Kompagnien vom II. Bataillon In- 
fanterieregiments 134 waren stark erschöpft. Ich erhielt von 
den Kompagnien Meldung, daß die Leute übermüdet seien 
und einschliefen. 
Eine Bewachung der Gräben war baum noch vorhanden. 
Daher erbat ich 10,30 Uhr abends vom Abschnittskom- 
mandeur einige Kompagnien, die dem erschöpften II. Ba- 
taillon Infanterieregiments 134 den unbedingt erforderlichen 
Schlaf gewährleisten sollten. Ich erhielt die erste und dritte 
Kompagnie des Infanterieregiments 57, sowie die erste 
Kompagnie Jäger 11 und nahm in der Nacht folgende Neu- 
verteilung der Kräfte vor: Abschnitt 4 erhielt 1. Jäger 11, 
Abschnitt s die 3. Infanterieregiment #7, Abschnitt 6 die 
1. Infanterieregiment 57, Abschnitt 7 die 1 1. Infanterie- 
regiment 134. Der Rest vom III. Infanterieregiment 134 
wurde in den Deckungsgräben untergebracht, endlich wurde 
das II. Infanterieregiment 134 auf Befehl des Abschnitts- 
kommandeurs nach Canteleux in Nuhestellung zurückgezogen. 
Gegen Morgen des 17. Juni flaute das englische Ar- 
tilleriefeuer merklich ab und verstummte schließlich ganz, 
so daß von 7 Uhr vormittags ab fast vollständige Ruhe 
berrschte. Nur an der Trichterstellung versuchten die Eng- 
länger wiederholt mit Handgranaten und Minen vorzugehen, 
wurden aber stets verlustreich zurückgeschlagen. 8 Uhr abends 
stellten die Engländer erneut starke Kräfte in ihren Gräben 
bereit, eine Feuervorbereitung durch Artillerie erfolgte nicht. 
Nur die Trichterstellung wurde stark mit Minen beworfen. 
Als ich am 17. Juni 9 Uhr abends von der 1. Kompagnie 
Jäger 11 die Meldung erhielt, daß die Engländer zum An- 
griff vorgingen, veranlaßte ich die Beschießung der ge- 
samten englischen Stellung durch alle Einheiten unserer 
Artillerie mit höchster Feuergeschwindigkeit. Der englische 
Angriff wurde dadurch im Keime erstickt. Auch gegen 
Reserveinfanterieregiment 91 wurden englische Angriffs- 
absichten beobachtet. Das eigene Artilleriefeuer wurde da- 
her noch nicht abgebrochen, sondern bis 12,45 Uhr vor- 
mittags in Wirksamkeit gelassen. Auffallend war schon 
jetzt, daß die englische Artillerie das Feuer nicht erwiderte. 
Aus dem Verhalten der englischen Artillerie mutmaßte ich, 
daß die englischen Angriffe vorläufig als vollkommen ge- 
scheitert anzusehen seien. Bestärkt wurde ich in dieser An- 
sicht durch das Aussehen des Gefechtofeldes vor meiner 
Front. Von den Truppen, die in den vordersten Linien 
angegriffen hatten, konnte wohl kaum ein Mann unverletzt 
zurückgekommen sein. Unsere Artillerie hatte in den Re- 
serven verheerend gewirkt. Auch die Aussagen eines ge- 
fangenen englischen Offiziers lauteten dahin, daß ihnen ein 
derartiges Standhalten von Truppen im Trommelfeuer, 
wie wir es gezeigt hätten, unerklärlich sei. Sie hatten 
nicht angenommen, daß unsere Gräben auch nur noch mit 
einem einzigen Mann besetzt seien. Unsere Verluste am 
zweiten Tage waren sehr hoch.“) Alle beteiligten Kämpfer 
waren vollkommen erschöpft. 
Beim II. Bataillon Infanterieregiments 134 waren alle 
Offiziere tot oder verwundet. Am 18. Juni herrschte am 
Morgen und im Laufe des Vormittags auf beiden Seiten 
die Ruhe vollständiger Erschöpfung. Zwar versuchten im 
Laufe des Tageo noch einzelne Gruppen von Engländern 
unter Vortreiben schwacher Linien vorzudringen (teilweise 
  
*) Die Verluste des Regiments 131 betrugen für die Seit vom 
6. bis 18. Juni: tot: 0 Offiziere, 208 Unteroffiriere und Mannschafeen 
(davon 70 verschüttet); verwundet: 18 Offiziere, 788 Unteroffiziere 
und Mannschaften.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.