Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

22 
Die Erstkämpfe der Sachsen an der Maas 
„Die Armeen des Generalobersten von Bülow 
und des Generalobersten Freiherrn von Hausen 
haben etwa acht Armeekorps französischer und 
belgischer Truppen zwischen Sambre, Namur 
und Maas in mehrtägigen Kämpfen vollstän- 
dig geschlagen und verfolgen sie jetzt östlich 
Maubeuge vorbei. 
Namur ist nach zweitägiger Beschießung ge- 
fallen. Der Angriff auf Maubeuge ist einge- 
leitet. Die Armee des Herzogs Albrecht von 
Württemberg hat den geschlagenen Feind über 
den Semois verfolgt und die Maas über- 
schritten.“ 
So kennzeichnete die Ersterfolge der zweiten, dritten und 
vierten Armee der denkwürdige Heeresbericht vom 27. August 
10914, welcher die erste zusammenfassende Darstellung über 
den Einbruch des Westheeres in Belgien und Frankreich 
bekannt gab. 
In dieser Zusammenfassung liegt zugleich der Hinweis 
auf die enge Verbindung, in der die Erstoperationen der 
zweiten, dritten und vierten Armee zueinander stehen. Die 
Darstellung der Kämpfe der dritten Armee bei Dinant 
wird deshalb auf das Zusammenwirken des Oberkommandos 
der dritten Armee mit denen der Nachbararmeen bei Ent- 
wicklung der Führerentschlüsse und der Würdigung der 
Operationsergebnisse besonders eingehen müssen. 
In der Maasschlacht, in welcher die Anfangsoperationen 
der dritten Armee zu einem ersten Abschluß gelangten, 
verhinderte die Eigenart der Verhältnisse, daß große Zahlen 
an Gefangenen und erbeuteten Geschützen auch äußerlich 
den Sieg verherrlichten. Auch können sich die Kämpfe der 
dritten Armee bei Dinant nicht hinsichtlich der Ausdehnung 
des Schlachtfeldes, der Stärke der eingesetzten Truppen- 
körper und der Schwere des Kampfes mit den gleich- 
zeitigen Schlachten der Nachbararmeen an der Sambre 
und am Semois messen. Sie halten sich vielmehr auch 
diesbezüglich ganz in dem Nahmen der großen Heeres- 
manöver, wie sie in der Vorkriegszeit in allen Militär= 
staaten Europas üblich waren. 
Gerade aber, weil sie sich noch getreu an deren Über- 
lieferung halten, bieten sie ein zutreffendes und wegen 
seines begrenzten Nahmens selbst in einer allgemeinen Ge- 
schichte noch darstellbares Spiegelbild der Kriegovorbereitung, 
mit der die deutsche Armee nach mehr als vierzigjähriger, nie 
erlahmender Friedensarbeit in den Daseinskampf ihres Volkec. 
getreten ist. Dies voraucgeschickt, möge erklären, daß ich 
in der folgenden Darstellung bis auf die Gefechtstätigkeit 
der einzelnen Kompagnien und Züge, ja auf die besonderen 
Taten einzelner Tapferer eingehe. Ihr Gesamtbild hat für 
die spätere Zeit denselben Wert wie die Geschichte der Erst- 
kämpfe bei Saarbrücken für die Friedensausbildung nach 
dem Kriege von 1870/71 gehabt hat. Ein Vergleich mit 
ähnlichen Gefechtshandlungen aus der Mitte und der End- 
zeit des Weltkrieges erweist die riesige Ausgestaltung, welche 
der Krieg selbst dem Kriege gegeben hat. 
Die Kämpfe der dritten Armee an der Maas erhalten ihr 
besonderes Gepräge durch die Beteiligung der belgischen Ein- 
wohner in den volkreichen Ortschaften des Maastals am 
Widerstand gegen das deutsch: Feldheer. Nichts hat beim 
Eintritt in den Krieg auf den deutschen Soldaten einen 
solchen Eindruck gemacht wie die Heimtücke und die meist 
zunächst durch falsche Unterwürfigkeit verdeckte Mordgier der 
krankhaft aufgereizten belgischen Bevölkerung. 
Der Frankureurkrieg von 1370/71 war harmlos dagegen 
gewesen. Die düstere Zeit des spanischen Volkskriegs gegen 
die Heere Napoleons schien sich wiederholen zu sollen. 
Gleich beim Eintritt der dritten Armee in Belgien — 
im Naume zwischen Luxemburg und der Maasstrecke oberhalb 
von Namur — begann der bewaffnete Widerstand der Bevöl- 
kerung, begünstigt durch die Eigenart der belgischen Ardennen. 
Eine entsetzliche Krankheit hatte die ganze wallonische 
Bevölkerung ergrisfen bis zu den Frauen und Kindern 
und bis in alle Schichten der Bildung und Lebensgewöh- 
nung. Von der verblendeten Regierungspresse seit Jahren 
verhetzt, opferten sich Männer und Frauen zwecklos im 
aussichtslosen Kampf mit den geschulten deutschen Truppen. 
Bereits in den Grenzorten, dann in Gouyy, später in 
Laroche und Spontin wurde aus den Häusern von den 
Einwohnern geschossen. Die Festnahme von Geiseln und 
Auferlegung von Geldstrafen erwiesen sich als wirkungslos. 
Es mußte mit immer schärferen Gegenmaßregeln vor- 
gegangen werden. 
Unseren deutschen Soldaten lag das stete Mißtrauen 
in die Zivilbevölkerung zunächst nur zu fern. Nur zu leicht 
vertrauten sie den aus allen Häusern herausgesteckten weißen 
Lappen und den Zetteln an Fenstern und Türen mit der 
Aufschrift „Hier gute Leute“. Aber täglich verfielen Ein- 
zelne und Trupps tückischem Meuchelmord in dem bergigen, 
mit Wald durchsetzten Gelände und in dem Häusergewirr der 
volkreichen Ortschaften. Es bedurfte erst der schmerzlichen 
Lehre und des furchtbaren Strafgerichts in der Maasschlacht, 
ehe die Bevölkerung Vernunft annahm. 
Die 3. Armee vom Beginn des Vormarsches bis zur 
Maasschlacht 
Die deutsche dritte Armee unterstand dem langjährigen 
sächsischen Kriegsminister, Generaloberst Freiherrn von 
Hausen. Ihm traten als Generalstabschef der preußische 
Generalmajor von Höppner und als Oberquartiermeister 
der sächsische Generalmajor Leuthold zur Seite. (Siebe 
Kriegögliederung.) 
Die dritte Armee versammelte sich etwa von der zweiten 
Augustwoche ab in der Rheinprovinz nördlich von Trier, 
gegenüber der belgisch-luremburgischen Grenze. Das Armee- 
hauptquartier war zunächst Prüm. Vor der dritten Armee 
befand sich während der Versammlung das Heereskavallerie= 
korps 1 unter Führung des Generalleutnants Freiherrn von 
Nichthofen, bestehend aus der Garde= und §. Kavalleriedivision. 
Ihm zugeteilt waren zunächst das Gardejäger= und Garde- 
schützenbataillon, sowie die Jägerbataillone 11, 12 und 13. 
Rechts von der dritten Armee waren zu dieser Zeit 
schon Teile der ersten und zweiten Armee in Belgien ein- 
gerückt. In das große Maaöbollwerk von Lüttich waren 
die Deutschen bereits am 7. August eingebrochen. Dicht links 
der dritten Armee schloß sich die vierte Armee unter Führung 
des Generaloberst Herzog Albrecht von Württemberg an. 
Die dritte Armee sollte die Maas oberhalb von Namur 
überschreiten, während der General der Artillerie von Gall- 
witz mit seinem III. Reservekorps und dem XI. Armeekorps, 
dao hierzu vorübergehend zu ihm übertrat, die zweite bel- 
gische Maasfestung Namur bezwang und die deutsche erste 
und zweite Armee gemeinsam über die Bahn Namur— 
Brüssel nach Süden einschwenkend, das französisch-englische 
Feldheer im Sambrebecken angriffen. 
Die beiden deutschen Heeresgruppen südlich bzw. west- 
lich von Namur sollten sich dabei in gegenseitiger Wechsel- 
wirkung den Ubergang über die vom Feind voraussichtlich 
verteidigten Flußlinien der Maas und Sambre erleichtern. 
Links von der dritten Armee hatte die vierte Armee 
gleichzeitig den Vormarsch gegen den Semois anzutreten, 
zunächst etwa in gleicher Höhe und dauernder Verbindung 
mit der dritten Armee. 
Die unmittelbare Sicherung der dritten Armee während
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.