Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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verstärkte der Feind sein Artilleriefeuer täglich schon vom 
1. September ab. Unter diesen Umständen war gar nicht 
daran zu denken, nennenswerte Fortschritte im Ausbau der 
Stellung zu machen. Zwar gelang es, bis auf die Sumpf- 
gegend am Südwestrande von Souchez, eine durchlaufende 
vordere Verteidigungolinie und wenigsteno zeitweise für jeden 
Abschnitt einen sicheren Annäherungsweg zu schaffen, an 
mehreren Stellen ein behelfsmäßiges Hindernis anzulegen, 
und die Zahl der schußsicheren Unterstände zu vermehren. 
Im übrigen mußten aber alle zur Arbeit verfügbaren Kräfte 
nur dazu eingesetzt werden, die Zerstörungen durch das feind- 
lische Artilleriefeuer wiederherzustellen, und die Stellung 
wenigstens in dem unvollkommenen Zustande zu erhalten, 
in dem sie — ohne Verschulden der 8. Infanteriedivision — 
übernommen worden war. 
Die Besetzung und Ablösung im Divisionsabschnitt war 
unter den geschilderten Verhältnissen so angeordnet, daß in 
den drei Regimentoabschnitten jedes Regiment ein Bataillon 
in vorderster Linie, ein Bataillon nahe dahinter in Bereit- 
schaft und ein Bataillon in Ruhe in Lens hatte. Die Ab- 
lösung fand innerhalb der Regimenter aller drei Tage statt, 
länger konnte man in Anbetracht des sehr starken feindlichen 
Artilleriefeuers und des mangelhaften Zustandes der Gräben 
den Truppen nicht zumuten, in vorderster Linie auszuharren. 
Ein großer Teil der vordersten Stellung von Infanterieregi- 
ment 132 südlich Souchez stand voll Wasser, und da alle 
Versuche, dasselbe abzuleiten, vergebens waren, so mußten 
die Leute die drei Tage entweder auf Posten im Wasser 
stehen oder während der Ruhezeit auf im Wasser aufge- 
schichteten Sandsäcken, in die das Wasser von unten ein- 
drang, kauernd verbringen. Hierzu traten noch die Schwie- 
rigkeiten in der Verpflegung. Ein Vorbringen von Essen 
bei Tage war völlig ausgeschlossen, und des Nachts ver- 
zögerte sich das Vorschaffen der Verpflegung infolge der 
häufigen von Artillerie= und Infanteriefeuer begleiteten 
Handgranatenkämpfe öfters um mehrere Stunden. So 
stellte der Verbleib von drei Tagen in vorderster Linie das 
äußerste Maß dar, das die Truppe zu leisten imstande war. 
Der Soldat hatte von je neun Nächten nur zwei zu wirk- 
licher Ruhe in Lens, die aber oft wegen der häufigen Be- 
schießungen von Lens, selbst während der Nachtzeit, auch 
nicht ganz ungestört war. In den sieben anderen Nächten 
hatte er entweder Handgranatenkämpfe und Feuerüberfälle 
in vorderster Linie zu bestehen oder er mußte, oft im heftig- 
sten feindlichen Artilleriefeuer, schanzen. 
Nach einem seit dem Morgen des 23. September an- 
baltenden, auch nachts nur wenig unterbrochenen Trommel- 
feuer befanden sich am 24. September abends die Gräben 
der 123. Infanteriedivision, besondero diejenigen der Regi- 
menter 178 und 132, in sehr schlechtem Zustande. 
An diesem Tage teilte am Nachmittage das General- 
kommando mit, daß ein Uberläufer ausgesagt habe, der 
französische Angriff werde bei Tagesanbruch des 25. Sep- 
tembers erfolgen. Auf Grund dieser Mitteilung wurden 
die beiden Bataillone der Korps= und Divisionöreserve in 
Lens in erhöhter Bereitschaft gehalten, und das zur Ver- 
fügung der 245. Infanteriebrigade stehende Bataillon 
weiter nach vorn gezogen. 
Dem Abschnittokommandeur wurde weiter befohlen, in 
der Nacht die Bereitschaftskompagnien vorzuziehen und die 
vorderen Gräben so stark als möglich zu besetzen. 
Sonnabend, der 25. September. 
In der Nacht vorher wurde eifrigst an der Auobesse- 
rung der großen Beschußschäden gearbeitet. Wie immer 
suchte der Feind die Arbeiten durch starkes Artilleriefeuer 
zu stören. Außerordentlich nachteilig für das Fortschreiten 
der Arbeiten war auch das heftige Regenwetter, das am 
Abend vorher eingesetzt hatte. 
Der Tag brach an, ohne daß ein feindlicher Angriff er- 
folgte. Es herrschte sogar verhältnismäßige Ruhe im gan- 
zen Abschnitt. Die zunehmende Helligkeit erheischte einen 
Entschluß, ob die tags zuvor getroffenen Anordnungen be- 
stehen bleiben sollten. Um die in der vorderen Linie befind- 
liche starke Besatzung im Abschnitt des Infanterieregiments 
182 nicht nutz= und deckungolos dem feindlichen Artillerie= 
feuer auszusetzen, wurden Teile derselben zurückgezogen. 
Alle Teile der Infanterie, auch die Truppen in Leno, blieben 
in erhöhter Bereitschaft. , 
Gegen 7 Uhr vormittags wurde aus nördlicher Richtung 
starkes Artillerie= und Infanteriefeuer hörbar. Gegen den 
Divisionsabschnitt selbst setzte 8 Uhr vormittags das feind- 
liche Artilleriefeuer mit großer Heftigkeit ein. Es wurde 
von zwei ganz niedrig über den Stellungen kreisenden Flie- 
gern geleitet. 
8,45 Uhr vormittags teilte das Generalkommando mit, 
daß beiderseits der Straßen Vermelles— Hulluch und Be- 
thune—Lens ein starker englischer Angriff erfolgt sei, der 
die Engländer in den Besitz unserer vordersten Gräben ge- 
bracht habe. Das als Korpöreserve bestimmte III. Bataillon 
Infanterieregiments 178 solle sich bereit halten, daß es 
auf Befehl jederzeit abmarschieren könne. 
Inzwischen dauerte das feindliche Artilleriefeuer auf dem 
Divisionsabschnitt mit zunehmender Heftigkeit an, so daß 
auch hier jeden Augenblick ein Angriff zu gewärtigen war. 
9,50 Uhr vormittags teilte das Generalkommando mit, 
daß Loos von den Engländern genommen sei. Es befahl, 
daß das Korpsreservebataillon sofort nach dem Nordausgang 
von St. Laurent abmarschieren solle. Der Führer habe nach 
Höhe 70 an der Straße Lens — Hulluch vorauszureiten 
und sich dort bei dem Kommandeur des Reserve-Infanterie- 
regiments 22, Oberst v. Weise, dem das Bataillon unter- 
stellt werde, zu melden. Nachdem das Bataillon entspre- 
chend in Marsch gesetzt worden war, schickte die Division den 
Ordonnanzoffizier, Rittmeister Freiherrn Grote, nach St. 
Laurent voraus, um sich über die dortige Lage zu orientieren. 
Rittmeister Freiherr Grote traf den Oberst v. Weise, als 
er eben mit den beiden letzten in seiner Hand befindlichen 
Kompagnien des Reserve-Infanterieregiments 22 einen An- 
griff beiderseits der Straße Lens —Hulluch gegen die von 
den Engländern bereits besetzte Höhe 70 angesetzt hatte. 
Rechts hing sein Flügel vollständig in der Luft, der schwache 
Angriff schien keine großen Aussichten auf Erfolg zu haben, 
und sollte durch das Korpereservebataillon verstärkt werden. 
In Anbetracht dieser wenig günstigen Nachrichten, und 
da es zweifellos von ausschlaggebender Bedeutung war, daß 
der englische Vorstoß in Richtung Lens sofort mit allen 
zur Verfügung stehenden Mitteln zum Stehen gebracht und 
womöglich zurückgeworfen wurde, entschloß sich der Divi- 
sionoakommandeur, General Lucius, dem Oberst v. Weise 
zur Sicherung der rechten Flanke noch das Bataillon Divi- 
sionsreserve vom Reserve-Infanterieregiment 106 zur Ver- 
fügung zu stellen. Es wurde 11,45 Uhr vormittags in 
Richtung St. Laurent in Marsch gesetzt. Gleichzeitig wurde 
der erste Divisionsadjutant, Hauptmann Hille, zum Oberst 
v. Weise vorgeschickt, der ihm den an die Division zur Weiter- 
beförderung gegebenen Befehl des Generalkommandos über- 
brachte, sich in den Besitz der Höhe 70 zu setzen, Hauptmann 
Hille sollte dem Oberst v. Weise weiterhin von dem An- 
marsch des Bataillons Neserve-Infanterieregiments 106 
Kenntnis geben und persönliche Eindrücke über die Lage 
nördlich Leno gewinnen. Hauptmann Hille kehrte mit der 
Nachricht zurück, daß das Bataillon Infanterieregiment 178 
im Angriffsgefecht gegen die Höhe 70 liege, daß das Ba- 
taillon Reserve-Infanterieregiments 106 noch im Anmarsch
	        
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