Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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Bis zum Eintritt der Dunkelheit trat eine Anderung in 
der Gefechtslage nicht ein. Die Kämpfe flauten allmählich 
ab, und das feindliche Feuer wurde schwächer. Es hatte 
starkes Regenwetter eingesetzt. 
Inzwischen hatte nördlich Lens der Kommandeur der 
8. Infanteriedivision das Kommando übernommen und von 
seinen Truppen an Stelle der jetzt im Gefechtsabschnitt 
der 8. Infanteriedivision eingesetzten beiden Bataillone In- 
fanterieregiments 178 und Reserve-Infantcrieregiments 106 
der 123. Infanteriedivision das I. und III. Bataillon Re- 
serve-Infanterieregiments 72 zur Verfügung gestellt. Wäh- 
rend die Führer dieser Bataillone über die Lage unterrichtet 
wurden, traf ein Befehl des Generalkommandos ein, I. Ba- 
taillon Reserve-Infanterieregiments 72 solle Korporeserve 
bleiben. III. Bataillon Reserve-Infanterieregiments 72 wurde 
nach Schacht (Fosse) 6 in Marsch gesetzt, wohin sich 
auch der Kommandeur der 245. Infanteriebrigade begab, 
um sich an Ort und Stelle über die Möglichkeit eines Gegen- 
angriffs zu unterrichten. 
Er traf gegen 8,45 Uhr abends bei Schacht 6 ein und 
gewann den Eindruck, daß die Stellung fest in unseren 
Händen sei und auch mit Sicherheit gehalten werden könne. 
Die trotz der starken Verluste zuversichtliche Stimmung 
der Führer und Mannschaften ließ ihn zu der Überzeugung 
kommen, daß ein Gegenstoß Aussicht auf Erfolg habe. 
Bedingung für das Gelingen des Angriffs war die Aus- 
nutzung der Dunkelheit, um das überlegene französische 
Trtilleriefeuer ausgzuschalten. 
Als Angriffoziel war zunächst die Wiedergewinnung der 
Linie Bastionenweg —Großer Pioniergraben—Torgauergra- 
ben—Suauchezriegel— Hanggraben ins Auge gefaßt. Von 
da aus sollte dann später die Zurückeroberung der alten 
Stellung in ihrer ganzen Auodehnung erfolgen. 
Die Bewegung sollte 1,45 Uhr vormittags beginnen, 
das Vorgehen in drei Gruppen (Oberst Graf Mandelsloh, 
Oberstleutnant Pilling, Oberstleutnant v. Abeken) erfolgen. 
Es war ein abschnittweises Vortragen des Angriffes be- 
absichtigt. Zunächst sollte die Talsperre vom Feinde ge- 
säubert werden. Als zweiter Abschnitt war die Gewinnung 
der Insel und Inselflanke, sowie des verlängerten o3zer 
Grabens der Gruppe Mandelsloh, des Torgauergrabens 
der Gruppe Pilling und des Souchezriegels der Gruppe 
Abeken zum ziel gesetzt. 
Nach Erreichen dieser Linie sollten die mittlere und linke 
Gruppe die alten vordersten Stellungen von 178 und 182 
erreichen. « 
Sonntag, der 26. September. 
Der Nachtangriff konnte erst 2,30 Uhr vormittags be- 
ginnen. Die Gruppe Mandelsloh kam zunächst mühelos 
vorwärts, die beiden anderen Gruppen stießen sofort auf 
hartnäckigen Widerstand. Erst nach längerem Kampfe ge- 
lang es hier den Feind zu werfen. Nunmehr gingen die 
Truppen weiter vor und gewannen nach mehrfachem Hand- 
granatenkampf langsam Boden. Das nebelige Wetter, das 
bis gegen 9 Uhr vormittags anhielt, war für den Angriff 
sehr günstig und verhinderte ein Eingreifen der französischen 
Artillerie. 
Es war eine größere Anzahl Gefangener gemacht wor- 
den, viele verwundete Deutsche wurden befreit. Als das 
Wetter aufklärte, setzte siarkes feindliches Artilleriefeuer 
sofort ein. In den vorderen französischen Gräben sammel- 
ten sich starke Kräfte an, und 11,18 Uhr vormittags be- 
gann vom Leisiikowgraben aus ein französischer Angriff. 
Der bereits von uns wiedergenommene Torgauergraben 
mußte wieder aufgegeben werden, die anderen Gräben blie- 
ben voll in unserem Besitz. 
Gegen Mittag nahm das feindliche Artilleriefeuer an 
Heftigkeit zu. Mit Gas= und Schwefelgranaten schwersten 
Kalibers wurden unsere Batterien und deren Beobachtungs- 
stellen überschüttet, so daß die Beobachtung zum Teil ver- 
legt werden mußte. 
Da auf weitere Verstärkung durch frische Truppen zu- 
nächst nicht zu rechnen war, wurden auf Befehl der Divi- 
sion sämtliche bei den Bagagen abkömmliche Mannschaften 
gesammelt und nach Schacht 6 vorgeführt. Dort standen 
bereits 9. und 10. Kompagnie sowie I. Bataillon Infan= 
terieregiments 93 als Brigadereserve. Auch III. Bataillon 
Infanterieregiments 93 war nachmittags von der 8. In- 
fanteriedivision zu Hilfe geschickt worden. 
Von 2 Uhr nachmittags ab setzte ein allgemeiner fran- 
zösischer Angriff gegen die Stellung der Division ein. Er 
wurde bereits 3 Uhr nachmittags abgeschlagen und bis zur 
Dunkelheit nicht wiederholt. 
Zwischen 7 und 8 Uhr abends trafen die von den Bagagen 
herangezogenen Mannschaften in der Stärke von etwa einer 
Kompagnie bei Schacht 6 ein. Das am Nachmittag der 
Dioision zur Verfügung gestellte III. Bataillon des In- 
fanterieregimento 93 wurde nicht mehr gebraucht und zur 
#8. Infanteriedivision sofort in Marsch gesetzt. 
Da auf der gesamten Front Ruhe eintrat, wurden die 
stark ermüdeten und zusammengeschossenen Teile von In- 
fanterieregiment 178 durch die noch in Reserve befind- 
lichen Kompagnien, je eine von Reserve-Infanterieregi- 
ment 72 und Infanterieregiment 93 in der vordersten Linie 
abgelöst. 
Montag, der 27. September. 
Die Nacht verlief im allgemeinen ruhig. Fieberhaft wurde 
an der Auobesserung der völlig zerschossenen Gräben und an 
der Herstellung neuer Hindernisse gearbeitet. Doch ließ 
sich in den wenigen Stunden der Nacht bei der merklichen 
Erschöpfung der Mannschaften, die sich seit 22. September 
im heftigsten Feuer bei regnerischem Wetter befanden, nicht 
allzuviel erreichen. 
Ein gegen 4 Uhr vormittags versuchter Uberfall brach 
unter unseren Handgranaten zusammen, dann setzte heftiges 
feindliches Artilleriefeuer aller Kaliber ein, welches von 
Fliegern und mehreren Fesselballons mit großer Sicher- 
heit geleitet wurde. 
Gegen lo Uhr vormittags begann der französische An- 
griff von Souchez aus gegen die Gießlerhöhe und gegen 
den rechten Flügel der 11. Infanteriedivision in Richtung 
auf Givenchy. Die französische Infanterie ging in mehreren 
Linien hintereinander vor. Bis 11 Uhr vormittago war 
der französische Angriff gescheitert. 
Gleichzeitig mit dem Angriff gegen den Gießlergraben 
wurde ein solcher gegen den Hanggraben und die Tal- 
sperre unternommen. Nur der erstere führte zum Erfolg. 
Der Feind setzte sich in einem Grabenstück fa und rich- 
tete sich mit der ihm eigenen Geschicklichkeit schnell dort 
ein. 
Ein gefangener französischer Jäger sagte aus, daß am 
Morgen die ganze französische 70. Infanteriedivision in 
Souchez zum Angriff bereitgestellt worden sei. Bereits 
2 Uhr nachmittags erfolgte ein neuer Angriff gegen die 
gesamte Stellung der 123. Infanteriedivision und gegen 
den rechten Flügel der 11. Infanteriedivision. Auch dies- 
mal wurde der Angriff an allen Stellen unter schweren 
Verlusten für den Feind restlos abgewiesen. 
Auf der Gießlerhöhe hatte das feindliche Artilleriefeuer 
unsere Gräben zerstört und der Besatzung schwere Verluste 
zugefügt. Ein Auffüllen der letzteren erschien zwecklos, man 
sparte die Reserven zum Gegenangriff.
	        
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