Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

erkennung für tapferes Verhalten erworben hatte, nach 
schweren Verlusten zurück. 
Das Reserve-Infanterieregiment 104 beteiligte sich vom 
7. März bis 14. April an der Abwehr der erneut gegen VIII. Ar- 
meekorps und VIII. Reservekorps von den Franzosen unter- 
nommenen Angriffe mit gleichem Erfolg, aber auch mit 
ähnlich großen Verlusten. Das Reserve-Infanterieregiment 
133 kehrte erst am 5. April aus dem Kampfbereich der 
Champagneschlacht zurück. Nach dem Korpsbefehl des 
VIII. Reservekorps vom 20. März hatte das tapfere Re- 
giment vorwärts von Ripont „in heldenmütiger Tapfer- 
keit und opferwilliger Hingabe die ihm gestellte Auf- 
gabe, im Sappen= und Handgranatenangriff den über 
das Hiepewäldchen vorgedrungenen Feind zurückzuwerfen 
oder abzuschneiden, glänzend gelöst, allein an einem Tage 
400 Gefangene gemacht, die feindliche Stellung in Breite 
von 400 Meter genommen“ und dabei allen auf dem 
Kampffeld tätigen deutschen Truppen ein Musterbeispiel 
wohldurchdachten, straff zuvor eingeübten Handgranaten- 
angriffs erfolgreich auf dem Schlachtfelde vorgeführt. Das 
Regiment mußte seine wertvollen Erfahrungen auf Wunsch 
dann auch noch anderen Divisionen vorführen. 
Das Oberkommando der dritten Armee erkannte die 
Verdienste aller beteiligten Armeekorps wie folgt an: 
„Führer wie Truppen der dritten Armee haben ge- 
zeigt, daß sie in altem deutschen Soldatenstolz nicht ge- 
willt sind, dem Feinde einen Fuß breit Bodens zu über- 
lassen. Gelingt es dem Gegner, in ein oder das andere 
Grabenstück einzudringen, so wird es ihm mit zäher 
Willenskraft wieder entrissen. 
Der Feind wird mit Schrecken gewahr, daß seine un- 
geheueren Opfer an Blut, die er vor unserer Front gebracht 
hat, vergeblich sind, daß der Geist von 1870/71 ungebrochen 
in uns weiter lebt. 
Voll Bewunderung blickt ganz Deutschland auf die tapfe- 
ren Truppen, die wie ein Fels im Meer den wütenden 
Ansturm unserer Feinde abwehren.“ 
(Armeebefehl des Generalobersten von Einem vom 
9. März 1915.) 
Se. Majestät der König traf am Abend des 20. März 
ein und begrüßte Abordnungen oder ganze Kompagnien 
der an den Kämpfen beteiligt gewesenen Regimenter am 
21. und 22. März. 
Der weitere Ausbau der deutschen Heeresmacht im 
Frühling 1915 entführte das Reserve-Infanterieregiment 
106 und zwei Feldartillerieabteilungen zu der neu errichteten 
123. Infanteriedivision. Die Truppen zogen bei Nacht 
ab, der Ersatz dafür traf bei Tage ein, der Gegner wurde 
dadurch völlig getäuscht, ebenso wie die franzoͤsische Be- 
völkerung hinter unserer Stellung, welche aller Wahrschein- 
lichkeit nach fortgesetzt mit dem Feinde Verbindung hielt. 
Beide Artilleriebrigaden ergänzten sich aus dem eigenen 
Korps. Für die Infanterie trafen 2400 Mann Ersatz 
ein. Reserve-Infanterieregiment 104 trat zur 48. Re- 
servebrigade über, die nun drei Regimenter umfaßte. Auch 
eine neue Pionierkompagnie (. Reserve-Pionierkompagnie 
12) wurde aufgestellt. Die neue Kriegsgliederung enthält 
die Anlage I, Beilage 3. 
Schon vom Herbst 1914 ab war der wirtschaftlichen 
Fürsorge für die Truppen die größte Aufmerksamkeit ge- 
widmet worden. Bereits im Oktober 1914 hatten nach 
weit ausschauendem Plane die landwirtschaftlichen Arbeiten 
auf den Feldern und in den Ställen hinter der Front 
begonnen. Alle Futtermittel waren sorgfältig eingebracht 
worden. Im Winter vollzog sich der Ausdrusch des Ge- 
treides unter allerdings widerwilliger Beteiligung der Be- 
völkerung. Planmäßig fanden Pflügen und Scen statt. 
Die vorhandenen Futtermittel wurden so gut ausgenutzt, 
daß bei der Haferknappheit zunächst die Hälfte, später 
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sogar zwei Drittel des zustehenden Futters erspart werden 
konnte. Ahnliche Ersparnisse wurden bei dem Brotgetreide 
gemacht. 
Den Einwohnern wurde eine Steuer von s Franken 
pro Kopf auferlegt. Sie ergab aber nur 21 000 Franken. 
Selbst nach der Heimat konnten Rüben (1425 Tonnen), 
Wolle und Holz von Nutzbäumen zurückgeschickt werden. 
Auch der Truppenbedarf an Lichtern, Seife, Handtüchern 
und Holzpantoffeln wurde innerhalb der Truppe fertig- 
gestellt. Nähmaschinen wurden in großer Zahl nutzbar 
gemacht. Eine große Feldschuhmacherei, in der täglich 
120 Paar Stiefeln besohlt werden konnten, wurde ein- 
gerichtet. — 
Vor der Front des XII. Reservekorps wurde es gegen 
Ende des Sommers immer lebhafter. Für das fran- 
zösische XII. Armeekorps war das IV. Armeekorps ein- 
getroffen. Der Feind schanzte immer lebhafter. Bereits 
seit langer Zeit verwandte er amerikanische Geschütz- 
munition, welche an dem besonders scharfen Knall er- 
kennbar wurde. Jahlreiche feindliche Flieger zwangen zu 
immer vorsichtigerem Verkehr in und hinter unserer Stellung. 
Unsere neu eingebauten 13 cm-Geschütze brachten auch 
dem Gegner neue Überraschungen. Am 29. Mai war 
von ihnen zum erstenmal das Lager von Mourmelon be- 
schossen worden, und zwar mit sichtlichem Erfolg. Pferde, 
Wagen, Autos und Menschen sliebten nach allen Seiten 
auseinander, mehrere Brände wurden festgestellt. 
Angesichts der immer zahlreicheren französischen Um- 
gruppierungen, wobei französische Linientruppen an Stelle 
der Territorials einrückten, wurde in der sächsischen Stel- 
lung mit um so größerem Eifer gebaut und gewacht. 
Die Stimmung der Truppen war vorzüglich. Man sah 
dem mit Sehnsucht erwarteten, solange angekündigten fran- 
zösischen großen Durchbruchsversuch mit stolzer Ruhe ent- 
gegen. E ; 
Hinter der französischen Stellung war eine neue Feld- 
bahn mit Lokomotivbetrieb entstanden. Anfang September 
waren die feindlichen Sappen bis auf 200 Meter, ja 
teilweise bis auf 100 Meter an die Stellung des XII. Re- 
servekorps herangelangt. Die französischen Flieger wurden 
immer zahlreicher und gewannen nach und nach die Herr- 
schaft der Luft. 
Vor der ganzen Front der 24. Reservedivision und 
vor dem sogenannten Hexenkessel entstanden neue fran- 
zösische Gräben. Vom 10. September ab schossen sich 
24 Feldbatterien und 9 schwere Batterien der Franzosen 
auf alle Teile der Stellung des XII. Reservekorps ein, 
das Feuer wurde von den Fliegern vorzüglich geleitet. 
Alles deutete auf einen baldigen Angriff. 
Das Generalkommando des XlII. Reservekorps beurteilte 
in seiner Meldung vom 11. September die Lage: „Der 
feindliche Angriff ist mit allergrößter Wahrscheinlichkeit 
zu erwarten, da der Gegner schon eine durchgehende Sturm- 
stellung geschaffen hat, sich planmäßig mit riesig über- 
legener Artillerie einschießt und die Fliegerüberlegenheit 
hergestellt hat.“ Es wurde zutreffend ein Angriff durch 
sieben bis neun französische Divisionen erwartet. 
Auf die rechtzeitige Verstärkung an schwerer Artiklerie 
und Kampftruppen wurde mit Sicherheit gerechnet. Für 
alle ankommenden Verstärkungen wurden Führerkomman- 
dos jetzt schon bestimmt, die genau in der ganzen Stel- 
lung Bescheid wußten und auch für die Nacht sichere 
Führung gewährleisteten. Für Mann und Pferd wurden 
regensichere Unterstände und Nahrungsmittel bereitgestellt. 
Ülber der französischen Stellung schwebten von Mitte 
September ab beständig 3 bis 4 Fesselballons. Gegen 
Reserve-Infanterieregiment 107 und Reserve-Infanterie- 
regiment 133 begann ein Wirkungsschießen der fran- 
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