Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

Der Kampfabschluß im Oktober. 
Die vorangegangenen Nächte waren bereits empfindlich 
kalt gewesen. Auch am 1. Oktober war der Morgen trübe 
und regnerisch. Erst nachmittags klärte es auf. Genau 
12 Uhr mittags erfolgte ein starker Infanterieangriff gegen 
die gesamte Stellung der 24. Reservedivision, nachdem die 
französische Artillerie bereits seit 10 Uhr vormittags vor- 
gearbeitet hatte. Etwa 11 Uhr vormittags war französi- 
sches Trommelfeuer und starkes Minenwerferfeuer gegen 
die vorderen Kampfgräben eröffnet worden. Weiße Leucht- 
kugeln, das Signal für Feuersteigerung, siiegen in den fran- 
zösischen Sturmgräben auf. Drei Maschinengewehre und 
mindestens die Hälfte der Feldgeschütze der Reserve-Feld- 
artillerieregimenter 24 und 40 waren bereits außer Gefecht 
gesetzt, als die französische Infanterie aus ihren Gräben 
vorstürzte. 
Der Angriff wurde glatt abgewiesen, aber auch die Ver- 
luste der Sachsen waren dabei beträchtlich. Dem Feind war 
es gelungen, bis in ein Waldstück hinter der Kampffront 
der 24. Reservedivision, das sogenannte Kommandeurwäld- 
chen einzudringen. Ein Gegenstoß der Abschnittereserve, des 
tapferen II. Bataillons des Grenadierregiments 100, er- 
ledigte im Bajonettkampf die erbittert kämpfenden Fran- 
zosen. 1 Offizier und 75 Mann wurden gefangengenommen. 
Schon seit dem 30. September war die deutsche Schlacht- 
leitung darauf bedacht, die von allen Seiten herbeigeeilten 
Hilfstruppen allmählich wieder abzuschieben. So fanden 
auch am 1. Oktober und den folgenden Tagen zahlreiche 
Ablösungen statt. 
Mit Eifer wurde der Ausbau der neuen Kampfstellung 
in Angriff genommen, insbesondere nahm die Herstellung 
deo Riegels in der linken Flanke der 24. Neservedioision 
alle verfügbaren Kräfte in Anspruch. Dadurch wurde die 
Verbindung mit dem links anschließenden, aber viel weiter 
rückwärts stehenden Nachbarkorps fest und sicher herge- 
stellt. 
Am 2. Oktober 3,50 nachmittags überflog ein feind- 
liches Flugzeuggeschwader von mindestens 40 Flugzeugen 
die Stellung des linken Flügels der 24. Reservedivision 
von Südwesten nach Nordosten in Richtung Mezieres. 
In der Nacht zum 3. Oktober geriet das neue franzö- 
sische Lenkluftschiff, die stolze Hoffnung Frankreichs, in das 
Feuer der Abwehrgeschütze des XII. Reservekorps. Es wurde 
dabei so beschädigt, daß es bei Perthes südlich von Rethel 
eine Notlandung vornehmen mußte. Das Luftschiff wurde 
zerstört, die Besatzung gefangengenommen. « 
Am Sonntag, den 3. Oktober, dauerten die Handgranaten- 
kämpfe um das Franzosennest fort, das sich immer noch 
inmitten der sächsischen Stellung hielt, wenn es auch bereits 
auf eine Breite ron 300—400 m zusammengeschrumpft war. 
Am Montag, den 4. Oktober, spitzte sich die Lage wieder 
zu. Wieder begann eine planmäßige Beschiessung der deut- 
schen Stellung und steigerte sich seit 4,45 Uhr nachmittags 
gegen den linken Teil der Sachsenstellung zum Trommel= 
feuer. Auch Gas= und Brandmunition wurde reichlich von 
den Franzosen verschossen. Aber unsere brave Artillerie, 
welche trotz des Geschoßhagels, der über sie ausgeschüttet 
wurde, die feindlichen Sturmstellungen kräftig bearbeitete, 
hielt alle Angriffsversuche der französischen Infanterie nie- 
der. So kam es nur zu einem kurzen nächtlichen Hand- 
granatenkampf im sogenannten Kommandeurwäldchen. 
Der 5. Oktober kam trüb und regnerisch heran. Unsere 
Truppen, seit langen Stunden wieder unter Trommelfeuer, 
erwarteten mit Sehnsucht den feindlichen Infanterieangriff. 
Vergebens. Unsere Artillerie machte zur Entlasiung der 
Infanteric und zur Vergeltung einen wirkungovollen Feuer- 
überfall auf die ganze feindliche Sturmstellung. Aber noch 
die ganze folgende Nacht über mußte das sinnbetäubende 
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feindliche Trommelfeuer von unseren Verteidigern der 
Kampfstellung ausgehalten werden. 
Endlich am 6. Oktober 7 Uhr vormittags begann der 
letzte allgemeine französische Infanterieangriff gegen die 
gesamte deutsche Champagnestellung, von unseren Truppen 
als endliche Erlösung freudigst begrüßt. Dichte Infanterie- 
massen, tiefgegliedert, tauchten plötzlich aus allen fran- 
zösischen Gräben auf. Angriffswelle auf Angriffswelle 
wälzte sich mit unverkennbarem Schneid heran. Vor der 
Sachsenfront zersioben die feindlichen Massen alsbald unter 
dem ruhigen Feuer der Grabenbesatzungen und ihrer zu Hilfe 
herbeigeeilten preußischen und badischen Kameraden. Bis 
7 Uhr abends war der letzte Angriff abgeschlagen. Unsere 
Artillerie hatte mit Sperrfeuer tüchtig geholfen und mit 
Erfolg Gasgeschosse dabei verwendet. Sie hatte die fran- 
zösische Angriffsmasse buchstäblich nach hinten abgeschnürt 
und dadurch sehr zu deren furchtbaren Verlusten und zu 
dem durchgreifenden Erfolge des Tages für die Unserigen 
beigetragen. 
Die weiteren Versuche der Franzosen am nächsten Tage, 
hauptsächlich die Angriffe 7 Uhr und 9 Uhr abends, waren 
ohne Nerv. Die Franzosen lösten in den nächsten Tagen 
ihre vordersten Kampftruppen ab und begannen sich in ihren 
neuen Stellungen eifrigst einzubauen. Das gleiche geschab 
auf deutscher Seite. Die Arbeiten blieben aber hier nur 
auf die Nacht beschränkt, angesichts der Munitionsverschwen- 
dung der an gahl und Kaliber weit überlegenen französischen 
Artillerie. 
Einen würdigen Abschluß erhielt die Herbstschlacht in der 
Champagne durch die Säuberung des mehrfach erwähnten 
Franzosennestes im rechten Flügelabschnitt der 24. Reserve- 
division. 
An dem Sturm auf den französischen Kampfgraben 
waren beteiligt das III. Bataillon Grenadierreserveregi- 
ments loo und Reservejägerbataillon 12, außerdem in zwei- 
ter Linie dao I. Bataillon Landwehrinfanterieregiments 106 
und das II. Bataillon des Infanterieregiments 61. Sie 
nahmen 6 Uhr vormittags nach kurzer Artillerievorberei= 
tung in plötzlichem Ansiurm den französischen Graben. Der 
Feind wurde vollständig überrascht. 11 OÖffiziere und 
628 Mann wurden gefangengenommen, 8 Maschinengewehre 
und Minenwerfer erbeutet. Die sofort einsetzenden Gegen- 
angriffe der Franzosen wurden abgewiesen. Die Verluste 
betrugen: 
III. Reservegrenadierregiment 100: 34 tot, 82 verwun- 
det, 19 vermißt. 
Reservejäger 12: 31 tot, 99 verwundet, 52 vermißt. 
I. Landwehrinfanterieregiment 106: 2 tot, 23 verwundet. 
II. Infanterieregiment 61: 3 tot, 24 verwundet, 7 ver- 
mißt. 
Später klang die wochenlange Riesenschlacht allmählich 
in gewaltige Artillerieduelle und in einen hartnäckigen 
Grabenkrieg mit ununterbrochenem Handgranaten= und 
Minemverfen und Scharfschützenfeuer aus. 
Mitte November wechselten die beiden Dioisionen des 
XII. Reservekorps ihre Abschnitte. Der tapferen 24. Re- 
servedivision wurde dadurch Gelegenheit gegeben, in den 
von den Franzosen weniger angegriffenen siarken Stel- 
lungen der 23. Reservedivision, die jedem Sturmversuch, 
ja selbst der Zerstörungsarbeit der feindlichen Artillerie in 
der Herbstschlacht standgehalten hatten, sich etwas aus- 
zuruhen. 
Inzwischen war rechtzeitig neuer Ersatz aus der Heimat 
eingetroffen und hatte sofort wieder die Lücken geschlossen. 
Die Jungmannschaften wetteiferten von da ab mit den 
vorbildlich zähen, alten Grabenkämpfern an Tüchtigkeit, 
Kampflust und unverwüstlichem Humor, sowie im Ertragen 
der Unbilden des nahenden Winters und des aufreibenden 
Schützengrabendienstes. — 
 
	        
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