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Kreidefelsen des rechten Talrandes. Von besonderer Be-
deutung als Anmarschweg, der gegen das Schrapnellfeuer
von den Westhöhen her deckte, wurde der Leffegrund, der
dicht unterhalb von Dinant in dessen nördlichem Vorort
Leffe die Maas erreicht. Ein zweiter tiefeingeschnittener
Grund senkt sich, vielfach gewunden, von Sorinne her auf
Les Rivages, den südlichen Vorort von Dinant, zu. Dieser
freundliche Villenort im Maastale wird durch den schroff
in die Maas abstürzenden Felszacken des Bayardfelsens
von der eigentlichen Stadt Dinant getrennt. Die Kunst-
straße von Sorinne nach Dinant, welche die Hauptrichtung
des deutschen Anmarsches bezeichnete, führt als alte präch-
tige Pappelallee zwischen den beiden genannten Tieftälern
in allmählichem Abfall zur Stadt Dinant hinab. Erst
zwischen den ersten Häusern der Stadt wird sie zum Eng-
weg, den Felsen zwischen dichtem Buschwerk und schmale
Terrassengärten hinter den Kleinhäusern scharf einzwängen.
Vor der Kirche von Dinant, die sich gleichsam Schutz
suchend unter die senkrecht aufragende weiße Felswand der
alten Feste birgt, nimmt ein mäßig großer offener Mlatz,
der Markt, die engen Straßen der Stadt auf und bringt
sie über die moderne Eisenbrücke mit dem linksufrigen
Teil von Dinant in Verbindung.
Dort beherrschen den Brückenausgang mehrere Pracht-
bauten nahe der Brücke, insbesondere das Posthotel, damals
mit französischen Maschinengewehren gespickt, bald darauf
ein Trümmerhaufen. Zwischen dichten Parks, über hellauf-
gemauerten Terrassen und blühenden Gartenanlagen dehnen
sich Luxusbauten bis zur Höhe des linken Talrandes und
bis an die Ränder der Fruchtfelder aus, welche mosaikartig
die westlich der Maas allmählich noch weiter ansteigende
Hochfläche bedecken. Das war das Landschaftsbild, das
sich vor den fünf deutschen Jägerbataillonen ausbreitete, als
sie „mit scharf ausogerichteten Schützenlinien, die Führer
weit voraus, weihevoll, wie bei einer allerhöchsten Besich-
tigung“ (Kriegstagebuch), dem rechten Talrand der Maas
zustrebten. Französische Schrapnells begrüßten sie alsbald
von den Höhen jenseits des Flusses her, mit viel zu hohen
Sprengpunkten, um wirksam zu sein. Um so sicherer er-
reichten die Granaten der deutschen Batterien die schnell-
gefundenen feindlichen Ziele jenseits der Maas.
Rechto vom Leffegrund arbeiteten sich die Gardejäger und
Gardeschützen sowie die kurhessischen #ier Jäger fast ohne
Verluste bis an die deckenden Gehölze und bis auf die
mit Gestrüpp überwachsenen Klippen hoch über der Maas
vor. Von jenseits der Maas schlug alsbald aus gut dem
Gelände angepaßten Deckungen heftiges Gewehr= und
Maschinengewehrfeuer den Jägern entgegen, während das
feindliche Artilleriefeuer unter der Wirkung der deutschen
Geschütze bald ganz versiummte.
Auf den Wegen jenseits der Maas und zwischen Mauern
und Häusern des linken Talrandes tauchten, von den
sicheren Schüssen der Jäger aufgeschreckt, Trupps von
Rothosen und Blauröcken auf, von unseren Feldgrauen
mit gerechtem Erstaunen über diese Rückständigkeit der
Kriegobekleidung betrachtet.
So lag man auf dem rechten deutschen Flügel, rechts
des Leffegrundes, stundenlang bis über den Mittag hinaus,
dem Feinde jenseits der Maas in langsamem, wohlgezieltem
Feuer gegenüber. Die Truppe hatte sich prächtig bewährt.
Die Verluste waren ganz gering.
Schärfer ging es jenseits des Leffegrundes bei den säch-
sischen Jägern zu. Beide sächsischen Jägerbataillone rückten
unter dem gemeinsamen Befehl des Majors Freiherrn von
Uolar-Gleichen, des Kommandeurs der 13er Jäger, von
Sorinne gegen Gemechenne vor. Als rechter Flügel nahm
das Jägerbataillon 12 unter Major von Carlowitz die
gerade Richtung gegen die Feste Dinant. Eine Querschlucht
diesseits der Feste lag hinter Hecken und Büschen zunächst
noch verborgen. Das zweite sächsische Jägarbataillon 13
ging im Anschluß linko an die 12 er Jäger gegen den Tal-
rand südlich des Forts vor. Infanteriefeuer schlug alsbald
aus unsichtbaren Stellungen vorwärts des Forts herüber,
als die Schützenlinien der sächsischen Jäger über die bis
dahin deckende Geländewelle westlich von Gemechenne her-
austraten. Gleichzeitig eröffneten die den Jägern beige-
gebenen zwei reitenden Batterien des Feldartillerieregi-
ments § mit sofort sichtbarem Erfolg das Feuer auf die
feindliche Infanterie hinter Hecken, in Einzelhäusern und
an Mauern diesseits des Forts.
Von hier zogen sich Truppos von Nothosen in Eile nach
dem Fortseingang zurück, wobei sie unter dem schnell ein-
setzenden Maschinengewehrfeuer der 12 er Jäger besonders
litten. Unaufhaltsam drangen die Jäger über die trennende
Schlucht nach dem Fort hinauf. 11 Uhr 45 Minuten vor-
mittags erstürmten Teile der zweiten und dritten Kompagnie
des 12. Jägerbataillons unter Führung des Leutnante der
Reserve Gottschalk das Fort, dessen Schießscharten zuvor
mit vortrefflicher Wirkung durch die Maschinengewehrkom-=
pagnien der 12er Jäger unter Feuer genommen worden
waren. Gleichzeitig erreichten die anderen Züge der zweiten
und dritten Kompagnie mit kräftigem Hurra die französi-
schen Stellungen am Felörand beiderseits des Forts.
Dabei fiel der tapfere Führer der dritten Kompagnie,
Hauptmann Beissellier, durch Kopfschuß. Der Führer der
zweiten Kompagnie, Hauptmann von Sichart, erhielt einen
schweren Brustschuß.
Im Fort wurden noch 40 Franzosen vom 148. Linien=
regiment gefangen genommen. Sie waren der Rest der
beiden hier eingesetzten französischen Kompagnien. Um die
Mittagsstunde wehte die deutsche Flagge, aus einigen Lap-
pen schnell hergestellt und vom Leutnant der Reserve Gott-
schalk auf dem Bergfried der Feste gehißt, stolz über das
Land hin.
Gleichzeitig hatte sich weiter links das 13. Jägerbataillon
bis zu den Klippen hoch oben am rechten Talrand der Maas
vorgearbeitet und nahm alles, was sich im Flußtal zeigte,
unter sicheren Büchsenschuß.
„Das ganze Gefechtsfeld lag vor unseren Augen, ein
Bild, wie wir es uns wohl alle nach den Erzählungen und
Gemälden von 1870/71 von einer Schlacht gemacht haben.
Diesen Eindruck wird wohl niemand von uns vergessen,
so lange er lebt. Das erste Gefecht! Nun hatten wir es
bestanden. Jahrelang erzogen und geübt für den Kampf,
vertraut mit allen seinen Theorien, so zogen wir hinein.
Konnten wir wohl besser gerüstet sein? Nein! Und doch,
wohl jeder von uns hatte sich die Frage gestellt: Wirst
du dieh im Feuer bewähren, wirst du die Prüfung be-
stehen? Jetzt war sie bestanden. Diese Gefühl machte
so frei, so stark.“ (Hauptmann von Campe, Jägerbatl. 13.)
Ein Zug der Radfahrerkompagnie der 130er Jäger unter
Leutnant von Bosse, dem die Verbindung mit den Mar-
burger Jägern oblag, war inzwischen in den Stadtteil von
Dinant rechts des Flusses eingedrungen und hatte zu-
sammen mit einem Trupp der zweiten Kompagnie Jäger-
bataillons 12 unter dem Vizefeldwebel Borges 72 unver-
wundete Franzosen gefangengenommen.
Ein weiterer Zug der Radfahrerkompagnie der 130er Jäger
war als linker Flankenschutz über Herbuchenne vorgegangen
und hatte französische Infanterie, die nach der Brücke von
Anseremme zu zurückging, heftig beschossen.
„Wie Ameisen lief die Gesellschaft in den langen blauen
Nöcken und den weithin leuchtenden roten Hosen durch-
einander. Eine ganze Anzahl von ihnen hielt das wohl-
gezielte Feuer der Radfahrer fest. Die übrigen retteten
sich hinter eine Kirchhofmauer. Von 9 Uhr vormittags bis
zum Nachmittag hat sich keiner von ihnen wieder vor-
getraut. So lähmend hatte unser überraschendes Feuer