auf sie gewirkt. Sie wagten nicht einmal, die Mauer zu
besetzen und wieder zu schießen.“
So berichtete in stolz überlegenem Gefühl der Zugführer
der Radfahrerkompagnie.
Am Nachmittag endlich entschlossen sich die Franzosen
zu einem Gegenstoß aus der Gegend des Gehöftes Wespin,
das auf etwa 1500 Meter westlich der Brücke von Dinant
sich scharf in der klaren Augustsonne abhob und nun
alsbald das Ziel der Geschütze der deutschen reitenden Batte-
rien wurde.
Starkes französisches Artilleriefeuer setzte gegen die ganze
Front der fünf deutschen Jägerbataillone auf den Fels-
hängen über Dinant ein und suchte auch die ostwärts zurück-
führenden Straßen zu sperren. Es blieb aber fast erfolglos.
Französische Schützenlinien stiegen währenddem ins Maas-
tal hinab, zunächst von den deutschen reitenden Batterien,
dann auch von den Maschinengewehrkompagnien der Jäger
heftig beschossen. Welle folgte auf Welle, um 4 Uhr war
das linke Maasufer dicht besetzt. Mindestens eine franzö-
sische Infanteriebrigade war dahin vorgegangen. Die Ge-
fangenenaussagen bestätigten die Anwesenheit von zwei
französischen Divisionen an der Maaslinie bei Dinant. Damit
war der Zweck der gewaltsamen Erkundung voll erreicht.
Die Aufmerksamkeit der feindlichen Führer war erneut
nach der Maasfront abgelenkt worden, während sich weiter
nördlich das Ungewitter gegen Namur und gegen die Belgier
an der Gettestellung zusammenzog.“
Am Spätnachmittag traten die Jäger befehlögemäß den
Rückmarsch bis in die Vorpostenstellungen, etwa 3 bis
4 Kilometer östlich der Maas an. Mit begeistertem Hurra
auf den Kaiser wurden die Jäger und Artilleristen in
Empfang genommen. Sie hatten großartig die Feuer-
probe bestanden. Die feindliche Infanterie hatte sich im
Nahkampf mit der eigenen nicht zu messen gewagt. Das
feindliche Artilleriefeuer, zwar verblüffend weitreichend und
verschwenderisch gegen die bescheidensten Ziele abgegeben,
war wegen der viel zu hohen Sprengpunktlagen der Schrap-
nells fast wirkungslos geblieben. Nur die französischen
Maschinengewehre, deutlich an ihrem viel langsameren Feuer
von den deutschen Maschinengewehren unterscheidbar, hatten
verstanden, sich in Achtung zu setzen. Sie waren mit großem
Geschick im Gelände eingebaut und wußten den wirksamsten
Augenblick ihrer Verwendung gut abzupassen. Aber auch
ihnen gegenüber fühlten sich die Maschinengewehrschützen der
deutschen Jäger weit überlegen.
Die Verluste waren gering. Bei den Gardejägern batte
nur die 1. Kompagnie 4 Verwundete. Bei den Garde-
schützen waren 11 Verwundete, darunter Leutnant von
Wuthenau und 11 Schützen von der 1. Kompagnie. Der
Führer der 2. Kompagnie, Hauptmann Rohrbeck, der mit
2 Schützen als letzter die Stellung verließ, kehrte nicht
zurück. Sein Leutnant von Rheinbaben erlag bald darauf
seiner Verwundung. Die reitenden Batterien der Garde-
und der §. Kavalleriedivision hatten keine Verluste. Bei
den 11. Jägern war der Führer der 1. Kompagnie, Haupt-
mann von Harnier, gleich am Morgen schwer verwundet
worden. Trotz des stundenlangen heftigen Feuers der Fran-
zosen aus ihren Deckungen jenseits der Maas betrug aber
der Gesamtverlust der Marburger Jäger nur 3 tote Jäger,
einen schwerverwundeten Vizefeldwebel und 4 verwundete
Jäger.
Die höchsten Verluste hatten die 12. Jäger bei Erstür-
mung der Feste Dinant erlitten. Sie beklagten einen Haupt-
mann, einen Leutnant und 24 Oberjäger und Jäger ge-
fallen, einen Hauptmann, 2 Leutnants und 38 Oberjäger
und Jäger verwundet.
Die 13. Jäger hatten nur einen Toten, sowie einen Offi-
zier, 3 Oberjäger und 17 Jäger verwundet. Leider blieben
ein Oberjäger und 14 Jäger vermißt. Sie sind wahrschein-
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lich der Heimtücke der belgischen Hecken= und Kellerschützen
zum Opfer gefallen. Die nichttransportfähigen Schwer-
verwundeten wurden in dem damals leider noch herrschen-
den vollen Vertrauen auf die gute Behandlung wehrloser
Verwundeter durch den Gegner auf dem Kampffelde zurück-
gelassen.
Bezeichnend für die ersten Kampftage des Krieges ist
die Höhe der Verluste an Führern, Offizieren wie Unter-
offizieren. Sie suchten sich an Opfermut bis zur Tollkühn=
heit zu übertreffen. Die Bewunderung und Hingebung
ihrer Untergebenen bot zwar dafür herrlichen Lohn, aber
unser Feldheer und unser Vaterland verloren auf diese
Weise, ähnlich wie #m Feldzuge 1870/71, in den ersten
Feldzugswochen ganz unverhältnismäßig viele ihrer tapfer-
sten Unterführer. Das Hinschwinden der vorbildlich tapferen
Offiziere ist ja schließlich eine der Hauptursachen zu dem
unglücklichen Ausgang des Kriegs geworden.
Die Tage vor der Maasschlacht vom 16. bis zum
20. August
Die Reitergeschwader Richthofens hielten auch die fol-
genden Tage und Nächte die Franzosen an der Maas
und ihre belgischen Zivilhelfer, Nachrichtenübermittler und
Heckenschützen, in Atem. Am Nachmittag des 17. August
rückte das Gardeducorps-Regiment mit den 11. Jägern
gegen Hour vor und alarmierte die dortige französische
Bahn= und Uferbesatzung von neuem.
Inzwischen vollzog sich hinter der deutschen Heereöreiterei
der Aufmarsch der dritten Armee. Sie schob sich in der
Zeit bis zum 17. Augusi mit dem XI. Armeekorps und den
beiden aktiven sächsischen Armeekorps, welche zuerst die
Bahnfahrt beendet hatten, allmählich bis an die belgisch-
luxemburgische Grenze vor, rechts das XI. Armeekorps, in
der Mitte das XII. Armeekorps, links das XIX. Armcekorps.
Das XII. Neservekorps, durch den Heeresaufmarsch in
das zweite Treffen gestellt, folgte zunächst hinter dem
XII. und XIX. Armeekorps.
Das XI. Armeekorps erhielt die Richtung auf Namur
und trat vom 20. August ab zu dem Belagerungskorps von
Namur über.
Das XII. Reservekorps mußte nach dem Aufall des
XI. Armeekorpo an dessen Stelle treten und hierzu aus
dem zweiten ins erste Treffen vorgezogen werden. Daß
dies auf den Verlauf der Bewegungen der vordersten Front
der dritten Armee hemmend einwirken würde, wurde vor-
ausgesehen, mußte aber in Kauf genommen werden. Das
XII. Reservekorps erhielt die Marschrichtung auf den Maas-
abschnitt Droir—Houx angewiesen. Seine 24. Reservedivi-
sion, etwas rechts rückwärts herausgeschoben, hielt sich
dabei bereit, gegebenenfalls in Richtung Namur Verwen-
dung zu finden.
Anschließend an das XII. Reservekorps wurde das
XII. Armeekorps gegen den Magsabschnitt Houx (einschließ-
lich)—es Rivages dicht oberhalb von Dinant angesetzt.
Noch weiter links fiel endlich dem XIX. Armeekorps die
Maasstrecke oberhalb davon bis zum Geschützbereich der
veralteten, aber mit neuzeitigen Geschützen ausgerüsteten
Flußsperrbefestigung von Givet zu, deren Fesie Charlemont
auf schroffem Schieferfels ähnlich wie die sächsische Festung
Königstein das Flußtal weithin beherrscht. Das ganze Land-
schaftobild des tiefeingeschnittenen Maastales mit seinen fast
senkrechten, wildzerblüfteten Uferwänden forderte die Sach-
sen zum Vergleich mit dem Elbtal in der sächsischen Schweiz
geradezu heraus.
Am 20. August verließ das Heereskavalleriekorps 1 den
Raum östlich von Dinant, um sich nördlich um Namur
herum auf den rechten Flügel der zweiten Armee zu
begeben. An der Maasfront war für die Waffenarbeit