Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

auf sie gewirkt. Sie wagten nicht einmal, die Mauer zu 
besetzen und wieder zu schießen.“ 
So berichtete in stolz überlegenem Gefühl der Zugführer 
der Radfahrerkompagnie. 
Am Nachmittag endlich entschlossen sich die Franzosen 
zu einem Gegenstoß aus der Gegend des Gehöftes Wespin, 
das auf etwa 1500 Meter westlich der Brücke von Dinant 
sich scharf in der klaren Augustsonne abhob und nun 
alsbald das Ziel der Geschütze der deutschen reitenden Batte- 
rien wurde. 
Starkes französisches Artilleriefeuer setzte gegen die ganze 
Front der fünf deutschen Jägerbataillone auf den Fels- 
hängen über Dinant ein und suchte auch die ostwärts zurück- 
führenden Straßen zu sperren. Es blieb aber fast erfolglos. 
Französische Schützenlinien stiegen währenddem ins Maas- 
tal hinab, zunächst von den deutschen reitenden Batterien, 
dann auch von den Maschinengewehrkompagnien der Jäger 
heftig beschossen. Welle folgte auf Welle, um 4 Uhr war 
das linke Maasufer dicht besetzt. Mindestens eine franzö- 
sische Infanteriebrigade war dahin vorgegangen. Die Ge- 
fangenenaussagen bestätigten die Anwesenheit von zwei 
französischen Divisionen an der Maaslinie bei Dinant. Damit 
war der Zweck der gewaltsamen Erkundung voll erreicht. 
Die Aufmerksamkeit der feindlichen Führer war erneut 
nach der Maasfront abgelenkt worden, während sich weiter 
nördlich das Ungewitter gegen Namur und gegen die Belgier 
an der Gettestellung zusammenzog.“ 
Am Spätnachmittag traten die Jäger befehlögemäß den 
Rückmarsch bis in die Vorpostenstellungen, etwa 3 bis 
4 Kilometer östlich der Maas an. Mit begeistertem Hurra 
auf den Kaiser wurden die Jäger und Artilleristen in 
Empfang genommen. Sie hatten großartig die Feuer- 
probe bestanden. Die feindliche Infanterie hatte sich im 
Nahkampf mit der eigenen nicht zu messen gewagt. Das 
feindliche Artilleriefeuer, zwar verblüffend weitreichend und 
verschwenderisch gegen die bescheidensten Ziele abgegeben, 
war wegen der viel zu hohen Sprengpunktlagen der Schrap- 
nells fast wirkungslos geblieben. Nur die französischen 
Maschinengewehre, deutlich an ihrem viel langsameren Feuer 
von den deutschen Maschinengewehren unterscheidbar, hatten 
verstanden, sich in Achtung zu setzen. Sie waren mit großem 
Geschick im Gelände eingebaut und wußten den wirksamsten 
Augenblick ihrer Verwendung gut abzupassen. Aber auch 
ihnen gegenüber fühlten sich die Maschinengewehrschützen der 
deutschen Jäger weit überlegen. 
Die Verluste waren gering. Bei den Gardejägern batte 
nur die 1. Kompagnie 4 Verwundete. Bei den Garde- 
schützen waren 11 Verwundete, darunter Leutnant von 
Wuthenau und 11 Schützen von der 1. Kompagnie. Der 
Führer der 2. Kompagnie, Hauptmann Rohrbeck, der mit 
2 Schützen als letzter die Stellung verließ, kehrte nicht 
zurück. Sein Leutnant von Rheinbaben erlag bald darauf 
seiner Verwundung. Die reitenden Batterien der Garde- 
und der §. Kavalleriedivision hatten keine Verluste. Bei 
den 11. Jägern war der Führer der 1. Kompagnie, Haupt- 
mann von Harnier, gleich am Morgen schwer verwundet 
worden. Trotz des stundenlangen heftigen Feuers der Fran- 
zosen aus ihren Deckungen jenseits der Maas betrug aber 
der Gesamtverlust der Marburger Jäger nur 3 tote Jäger, 
einen schwerverwundeten Vizefeldwebel und 4 verwundete 
Jäger. 
Die höchsten Verluste hatten die 12. Jäger bei Erstür- 
mung der Feste Dinant erlitten. Sie beklagten einen Haupt- 
mann, einen Leutnant und 24 Oberjäger und Jäger ge- 
fallen, einen Hauptmann, 2 Leutnants und 38 Oberjäger 
und Jäger verwundet. 
Die 13. Jäger hatten nur einen Toten, sowie einen Offi- 
zier, 3 Oberjäger und 17 Jäger verwundet. Leider blieben 
ein Oberjäger und 14 Jäger vermißt. Sie sind wahrschein- 
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lich der Heimtücke der belgischen Hecken= und Kellerschützen 
zum Opfer gefallen. Die nichttransportfähigen Schwer- 
verwundeten wurden in dem damals leider noch herrschen- 
den vollen Vertrauen auf die gute Behandlung wehrloser 
Verwundeter durch den Gegner auf dem Kampffelde zurück- 
gelassen. 
Bezeichnend für die ersten Kampftage des Krieges ist 
die Höhe der Verluste an Führern, Offizieren wie Unter- 
offizieren. Sie suchten sich an Opfermut bis zur Tollkühn= 
heit zu übertreffen. Die Bewunderung und Hingebung 
ihrer Untergebenen bot zwar dafür herrlichen Lohn, aber 
unser Feldheer und unser Vaterland verloren auf diese 
Weise, ähnlich wie #m Feldzuge 1870/71, in den ersten 
Feldzugswochen ganz unverhältnismäßig viele ihrer tapfer- 
sten Unterführer. Das Hinschwinden der vorbildlich tapferen 
Offiziere ist ja schließlich eine der Hauptursachen zu dem 
unglücklichen Ausgang des Kriegs geworden. 
Die Tage vor der Maasschlacht vom 16. bis zum 
20. August 
Die Reitergeschwader Richthofens hielten auch die fol- 
genden Tage und Nächte die Franzosen an der Maas 
und ihre belgischen Zivilhelfer, Nachrichtenübermittler und 
Heckenschützen, in Atem. Am Nachmittag des 17. August 
rückte das Gardeducorps-Regiment mit den 11. Jägern 
gegen Hour vor und alarmierte die dortige französische 
Bahn= und Uferbesatzung von neuem. 
Inzwischen vollzog sich hinter der deutschen Heereöreiterei 
der Aufmarsch der dritten Armee. Sie schob sich in der 
Zeit bis zum 17. Augusi mit dem XI. Armeekorps und den 
beiden aktiven sächsischen Armeekorps, welche zuerst die 
Bahnfahrt beendet hatten, allmählich bis an die belgisch- 
luxemburgische Grenze vor, rechts das XI. Armeekorps, in 
der Mitte das XII. Armeekorps, links das XIX. Armcekorps. 
Das XII. Neservekorps, durch den Heeresaufmarsch in 
das zweite Treffen gestellt, folgte zunächst hinter dem 
XII. und XIX. Armeekorps. 
Das XI. Armeekorps erhielt die Richtung auf Namur 
und trat vom 20. August ab zu dem Belagerungskorps von 
Namur über. 
Das XII. Reservekorps mußte nach dem Aufall des 
XI. Armeekorpo an dessen Stelle treten und hierzu aus 
dem zweiten ins erste Treffen vorgezogen werden. Daß 
dies auf den Verlauf der Bewegungen der vordersten Front 
der dritten Armee hemmend einwirken würde, wurde vor- 
ausgesehen, mußte aber in Kauf genommen werden. Das 
XII. Reservekorps erhielt die Marschrichtung auf den Maas- 
abschnitt Droir—Houx angewiesen. Seine 24. Reservedivi- 
sion, etwas rechts rückwärts herausgeschoben, hielt sich 
dabei bereit, gegebenenfalls in Richtung Namur Verwen- 
dung zu finden. 
Anschließend an das XII. Reservekorps wurde das 
XII. Armeekorps gegen den Magsabschnitt Houx (einschließ- 
lich)—es Rivages dicht oberhalb von Dinant angesetzt. 
Noch weiter links fiel endlich dem XIX. Armeekorps die 
Maasstrecke oberhalb davon bis zum Geschützbereich der 
veralteten, aber mit neuzeitigen Geschützen ausgerüsteten 
Flußsperrbefestigung von Givet zu, deren Fesie Charlemont 
auf schroffem Schieferfels ähnlich wie die sächsische Festung 
Königstein das Flußtal weithin beherrscht. Das ganze Land- 
schaftobild des tiefeingeschnittenen Maastales mit seinen fast 
senkrechten, wildzerblüfteten Uferwänden forderte die Sach- 
sen zum Vergleich mit dem Elbtal in der sächsischen Schweiz 
geradezu heraus. 
Am 20. August verließ das Heereskavalleriekorps 1 den 
Raum östlich von Dinant, um sich nördlich um Namur 
herum auf den rechten Flügel der zweiten Armee zu 
begeben. An der Maasfront war für die Waffenarbeit
	        
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