Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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XI. Armeekorps, das für eine Offensive bereitgestellt wurde, 
etwas weiter rechts überwiesen. Der neue Abschnitt der Divi- 
sion war 18 km breit und in seiner Mitte nur 30 m von 
der russischen Stellung entfernt. Täglich fand hitziger Feuer- 
kampf auf der ganzen Linie mit einem Tagesverbrauch 
von durchschnittlich nicht weniger als 140 Ooo Patronen 
statt. Für den ganzen Abschnitt von 18 km Breite waren 
1280 Karabinerschützen, 900 Mann aktiver Infanterie und 
3570 Mann Landsturm, zusammen also etwa 6000 Ge- 
wehre, dazu 4 Maschinengewehre und eine Drittel Pionier= 
bompagnie verfügbar. Die Hälfte davon diente als Graben= 
besatzung, dem Rest lag die schwere Arbeit in den infolge des 
Tauwetters einstürzenden Gräben und die Pferdepflege ob. 
Also eine Erholung war dieser Teil des Feldzuges ganz 
gewiß nicht. Am 20. März erhielt die Division einen kleine- 
ren, in sich abgeschlossenen Abschnitt. Gegenüber standen russi- 
sche Abteilungen eines sibirischen Korpe, vorzügliche Schützen. 
Überläufer berichteten über die zunehmende Friedenssehn- 
sucht der Russen, inobesondere bei dem neueingetroffenen, nur 
secho Wochen lang augebildeten Ersatz, ebenso darüber, daß die 
„Pferdejäger“ (statt Jäger zu Pferde) wegen ihres guten 
Schießens bei den Russen sehr gefürchtet seien. Zu Ostern, 
am 4. April, versuchten die Russen sogar Gespräche an- 
zuknüpfen, natürlich vergebens. 
Auch hinter der Front herrschte vom Spätherbst bis 
zum Nahen des Frühjahres vollste Tätigkeit. Große Be- 
stände Kartoffeln wurden geborgen und zurückgebracht. 
guckerrüben wurden verfüttert und dafür Hafer erspart. 
  
geführt, um schnellwachsendes Rauhfutter baldmöglichst zu 
erhalten. 
Ende April wurden auf der ganzen Front der neunten 
Armee große Vorbereitungen für einen Scheinangriff ge- 
troffen, um die Aufmerksamkeit der Russen hierher zu 
lenken. Die Russen richteten auch allnächtlich ihre zahl- 
reichen Scheinwerfer auf alle Furten und voraussichtlichen 
Brückenstellen und beschossen planmäßig bei Tag und Nacht 
unter beträchtlichem Munitionseinsatz die deutschen Stel- 
lungen. Der Zweck, die Aufmerksamkeit der Russen von 
den Stellen abzulenken, wo sich das Riesengewitter über 
ihnen um diese Zeit zusammenzog, wurde voll erreicht. 
Anfang Mal besichtigte der neuernannte Oberbefehlchaber 
der neunten Armee, Prinz Leopold von Bayern die Division. 
Gegen den 18. Mai begannen die Russen von der oberen 
Weichsel und der Pilica nach und nach zurückzugehen. Auch 
die 8. Kavalleriedivision wurde nunmehr marschbereit ge- 
macht. Schon am 6. Mai war die 38. Kavalleriebrigade 
aus der Stellung herausgezogen worden. Nun folgte auch 
die 40. Kavalleriebrigade. Die Division wurde zunächst dem 
3. Reservekorps v. Beseler für den Weichselschutz oberhalb 
Wyschegorod überwiesen. Die Gruppe von Beseler bildete 
den rechten Flügel der Armeegruppe von Gallwitz, der die 
Deckung des Raumes von der Weichsel bis zur Szkwa oblag. 
Jenseits der Szkwa schloß dann die achte Armee des Gene- 
rals von Scholtz an. 
Bei der Gruppe v. Beseler erhielt die 8. Kavalleriedivision 
Ende Mai zum ersten Male seit Kriegsbeginn vier volle 
Ruhetage hintereinander. Endlich am 30. Mai wurde auch 
die 23. Kavalleriebrigade aus dem Schützengraben heraus- 
gezogen. Anfang Juni konnte hinter der Stellung bereits 
das Getreide geschnitten werden. Die Pferde hatten sich 
zusehends erholt, allerdings waren kaum noch fünfzig in 
jeder Schwadron vorhanden von denen, die vor zehn Mo- 
naten ins Feld gerückt waren. 
Am 13. Juni 1915 übernahm auf Allerhöchsten Be- 
fehl der General Graf von Schmettow, der bisherige Kom- 
mandeur der 9. Kavalleriedivision, das Kommando über die 
8. Kavalleriedivision, die zu neuer Verwendung nun voll- 
ständig aus der Rawkafront herausgezogen worden war. 
Auch die Frühjahrsbestellung wurde mit größtem Eifer durch- 
Bereits am 14. Juni begann der Abtransport nach der 
Nordspitze Ostpreußens. Auf ihrem Ruhmegzuge durch ganz 
Kurland werden wir die Division wiedersehen. 
Zuvor soll aber noch ein Bild der großen Taten des 
Feldmarschalls von Hindenburg entworfen werden, welche 
dem Kurlandfeldzug vorausgingen. 
Die Winterschlacht in Masüuren 
(Skizze 46) 
Als der Generalfeldmarschall v. Hindenburg im Sep- 
tember 1914 nach Südpolen aufbrach, übertrug er den 
Schutz von Ostpreußen dem General der Infanterie v. Below 
mit etwa 60 odo, später 100 Ouo Mann. Diese fanden 
Anlehnung an der großen, vorsorglich bereits vorher in 
Ausbau genommenen Abwehrstellung, welche von Tilsit in 
drei Gruppen entlang der Inster—Angerapplinie (I. Gruppe) 
und der Masurischen Seenkette (II. Gruppe) bis zu 
1. J Q 4 1. 
der reinen Feldstellung Neid 9—Soldau g 
(III. Gruppe) verlief. Diese Stellung sperrte ausreichend 
die drei wahrscheinlichsten Vormarschräume vom Niemen 
(Kowno—Grodno), vom Bobr (Osowiec) und vom un- 
teren Narew aus. 
Dao Mißverhältnis der Zahl — 100 ooo Deutsche gegen 
rund 250 d00 Russen unter General Sievers — und des 
zu deckenden Raumes, dessen Breite 165 km betrug, mußte 
die Person des Führers, dem die schwere Aufgabe an- 
vertraut wurde, ausgleichen. 
Der Generalfeldmarschall v. Hindenburg hat in der Wahl 
seiner Unterfeldherren bis zum Kriegsende nicht einen Fehl- 
griff getan. Ganz zu schweigen von seinem geistesgleichen 
Generalstabschef, dem Generalleutnant Ludendorff, reihen 
sich Namen wie v. Eichhorn, v. Mackensen, Gallwitz, Scholtz 
und v. Below würdig den stolzesten Namen der preußischen 
Heeresgeschichte an die Seite. Der Selbstlosgroße fand 
die gleichgearteten Mitarbeiter, welche z. B. der auf seine 
Generale eifersüchtige Bonaparte sich nie in seinen Mar- 
schällen heranzubilden verstanden hat, eine Hauptursache 
für das schließliche Versagen seiner großzügig begonnenen 
Feldherrnlaufbahn. 
Die Russen schoben nach dem Abzug Hindenburgs all- 
mählich wieder ihre Front bis Ostpreußen vor und hielten 
im winterlichen Stellungskampf, der oft durch kräftige 
Teilvorstöße unterbrochen wurde, eine befestigte L#nie eng 
vor der deutschen besetzt. Die russische Stellung begann 
im Norden östlich von Tilsit an der Szeszuppe und ver- 
lief von da ab in nordsüdlicher Richtung, und zwar west- 
lich des Schoreller Forstes, östlich von Gumbinnen, westlich 
von Goldap, östlich von Lötzen und Johannisburg bis an 
den Misseck. Diesem Flusse folgte sie als zurückgebogener 
Flügel etwa bis zur Landesgrenze. 
General v. Below hielt seine Hauptkräfte hinter der 
Inster und Angerapp zusammen. Weiter südlich wurden 
nur die Engen zwischen den Seen stark besetzt, hauptsächlich 
die Enge bei Lötzen und die Paprodtker-Berge zwischen Lö- 
wentin= und Spirdingsee. Belows rechter Flügel am und 
im Johannisburger Forst bestand nur aus schwachen Be- 
obachtungstruppen. 
Gleichzeitig wie Hindenburg seine Winteroffensive auf 
dem äußersten linken Flügel von Ostpreußen aus ansetzte, 
ging auch das ganze österreichisch-ungarische Feldheer im 
Naume von der oberen Weichsel bio zur Bukowina zur 
Offensive über. 
Diese letztere verlief günstig. Die Hauptpässe der Kar- 
pathen wurden bis auf den Ouklapaß zurückgewonnen, die 
Bukowina wurde befreit und Czernowitz am 17. Februar, 
demselben Tage, an welchem Hindenburg die Vernichtung 
der russischen zehnten Armee im Walde von Augustow 
zu Ende führte, besetzt.
	        
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