Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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der nächsten Tage kein Raum für die Kavallerie. Hier 
mußte die Hauptschlachtenwaffe, die Infanterie, in treuem 
Zusammenwirken mit der Artillerie und den Pionieren die 
große Aufgabe lösen, angesichts eines seit Tagen eingebauten 
starken Feindes den Übergang über den 100—120 Meter 
breiten Fluß in tief eingeschnittenem Felstal zu erzwingen. 
In den Tagen vom 20.—22. August schoben sich die 
Vortruppen der drei sächsischen Korps allmählich bis an 
die Maas heran und ergänzten durch sorgfältige Erkun- 
dungen das Bild, das über den Feind an der Maa durch 
die Tätigkeit der Heeresreiterei bereito gewonnen war. 
Vergessen waren die gewaltigen Anstrengungen der letzten 
Tage, die endlosen Märsche durch die Ardennen, bei drücken- 
der Schwüle, auf elenden Wegen, in steter Alarmbereitschaft 
inmitten der hinterlistigen belgischen Bevölkerung. 
Infanterie, Artillerie und Pioniere überboten sich gegen- 
seitig in kühnen Erkundungen gegen die Maas. Jede Waffe 
wollte die Verhältnisse an den für den Flußübergang wich- 
tigsten Stellen selbst erkunden. Dabei wurde Hervorragen- 
des geleistet. Alle Truppentagebücher berichten von ganz 
besonders schneidigen erfolgreichen Erkundungen. Deren 
Ergebnis wurde den Truppen rechtzeitig zugänglich gemacht. 
Danach befanden sich auf der östlichen Flußseite nur noch 
in den Uferorten schwache feindliche Sicherungstruppen. 
Die Hauptkräfte der Franzosen, denen scheinbar nur ganz 
schwache belgische Abteilungen zur Seite standen, waren in 
vorzüglich dem Gelände angepaßten Stellungen nahe dem 
westlichen Maaoufer eingebaut. Starke Reserven lagen 
in mehreren Lagern auf der Hochfläche von Onhaye in 
Senkungen und hinter Waldstücken gut verborgen. Zahl- 
reiche ausgedehnte Artilleriestellungen waren ebendort fest- 
gestellt. Die Maaobrücken waren sämtlich noch unversehrt. 
Die Haltung der Bevölkerung erschien zuversichtlich, 
siegessicher und je näher der Maas um so herausfordernder. 
Allnächtlich fanden Schießereien statt. Licht= und Rauch- 
signale, Glockenzeichen usw. deuteten auf regen Nachrichten- 
verkehr. Vermißte Streifen und Meldegänger, aufgefundene 
zum Teil schrecklich verstümmelte Leichen braver Reiter 
und Jäger bestätigten die Wahrnehmung von der siets 
wachsenden Beteiligung der Gesamtbevölkerung am Wider- 
stand. Nichts deutete darauf hin, daß der Feind die starke 
Maasfront kampflos zu räumen gedachte. 
Die Auffassung der Lage beim Oberkommando der 
Z. Armee und dessen Zusammenwirken mit dem Ober- 
kommando der 2. Armee 
Die Oberste Heeresleitung teilte am 20. August mit, 
wie sie die Gruppierung der französischen Heereskräfte 
vermutete. An der Maas zwischen Namur und Givet nahm 
sie das I. und III., vielleicht auch X. Armeekorps an. 
Südlich der Sambre zwischen Namur und Maubeuge 
schien der Feind im Anmarsche zu sein, ein bis zwei Armee- 
korps bereits in der Nähe der Sambre zwischen Namur 
und Charleroi. Westlich der Linie Charleroi—Fumayschienen 
drei Armeekorps in der Bewegung nach Norden begriffen, 
darunter wahrscheinlich Reservedivisionen, voraussichtlich am 
20. August noch nicht bis Philippeville—Aveones gelangt. 
Die Stärkeschätzung entsprach hinsichtlich der Anzahl 
der feindlichen Divisionen, 14—17, etwa der Wirklichkeit. 
Tatsächlich umfaßte die französische fünfte Armee des Gene- 
ral Lanrezac das I., III., X. und XVIII. Armeekorps, 
dazu drei Reservedivisionen, ferner die Marokkodivision 
und das Kavalleriekorps Sordet (drei Divisionen). Hierzu 
sind die englische Armece, zunächst nur vier Infanteriedivi- 
sionen und eine Kavalleriedivision, und die vierte belgische 
Division in Namur noch hinzuzu zählen, so daß an der 
Sambre und Maas (bis Givet) den 30 Infanterie= und 
fünf Kavalleriedivisionen der deutschen ersien, zweiten und 
dritten Armee nur 17 Infanterie= und vier Kavallerie- 
divisionen der Westmächte gegenüberstanden, während gleich- 
zeitig vier deutsche Reservedivisionen vor Antwerpen die 
noch übrigen vier belgischen Divisionen in Schach hielten. — 
Am 20. August s Uhr 30 Minuten nachmittags lief ein 
Befehl der Obersten Heeresleitung beim Oberkommando 
der dritten Armee ein, der in einem seiner Punkte feststellte: 
„Es muß den Vereinbarungen der Armee-Oberkommandos 
2 und 3 überlassen bleiben, den bevorstehenden Angriff der 
zweiten Armee gegen den westlich Namur befindlichen Feind 
in Übereinstimmung zu bringen mit dem Angriffe der dritten 
Armee gegen die Maaslinie Namur—Givet.“ 
Darauf funkte das Oberkommando der dritten Armee 
an das Oberkommando der zweiten Armee 6 Uhr 40 Minu- 
ten abends: „Dritte Armee Vortruppen am 20. Spontin— 
Ciergnon, 21. Ostufer Maas, Mont bis Falmignoul. Armee- 
stabsquartier Marche. Nachrichtenoffizier unterwegs“, und 
erhielt nach solcher Eröffnung des Invernehmentretens 
vom Oberkommando der zweiten Armee die in zwei Teilen 
aufgegebene Funksprucherwiderung: 
„Von der zweiten Armee rücken 21. August zwei Korps 
bis Sambre in Linie Chatelet—Jemeppe.“ (Eingegangen am 
20. August 11 Uhr 46 Minuten nachts.) und „Zum 
Zusammenwirken mit zweiter Armec ist dichtes Herangehen 
der dritten Armee an Maasabschnitt dringend erwünscht.“ 
(Eingegangen 21. August 12 Uhr 40 Minuten früh.). 
Diese M Mneilung erreichte das Oberkommando der dritten 
Armee lange, nachdem es in Erwägung der Lage eingetreten 
war, die sich auf den § Uhr 30 Minuten nachmittags 
empfangenen Befehl der Obersten Heeresleitung gründete, 
und geraume Zeit nach Aufbruch des behufs Besprechung 
der Vereinbarung zum Oberkommando der zweiten Armee 
entsendeten Nachrichtenoffiziers. Bei der inzwischen an- 
gestellten Beurteilung der Lage war für das Oberkommando 
der dritten Armee bindend, daß die Oberste Heeresleitung 
es der Vereinbarung der zweiten und dritten Armee über- 
ließ, den bevorstehenden Angriff dieser Armeen in Uberein- 
stimmung zu bringen. Damit verzichtete die Oberste Heeres- 
leitung darauf, das Zusammenwirken der beiden Armeen 
selbst zu regeln und Fingerzeige zu geben, in welcher Rich- 
tung der entscheidungsuchende Stoß geführt werden möchte. 
Aus der bekanntgegebenen Gruppierung der französischen 
Heereskräfte war zu entnehmen, daß die dritte Armee mit 
einem vielleicht numerisch gleichstarken Gegner abzurechnen 
haben würde, der schon seit Tagen binter starkem Front- 
bindernis in vorbereiteter Stellung sich befand, daß die 
zweite Armee aber zunächst nur auf ein oder zwei Armee- 
korpo an der Sambrestrecke Charleroi—Namur stieß, 
deren Zahl sich durch den Zuzug der über Philippeville— 
Avesnes erwarteten Armceekorps, etwa vom 22. August an 
bis auf fünf erhöhen konnte. Besaß die zweite Armee in 
ihrer Schlagbereitschaft, wie es dem Oberkommando der 
dritten Armee schien, einen Vorsprung in der Entwicklung 
vor dem ihr entgegentretenden Feinde, dann war es nach 
Ansicht des Oberkommandos der dritten Armee geboten, 
die taktischen Vorteile auszunutzen und unverzüglich mit 
der zweiten Armee die Entscheidung zu suchen, während die 
dritte Armee den an der Maas bei Dinant angetroffenen 
französischen Heeresteil angriff, allerdings nicht bloß, um 
ihn festzuhalten, sondern auch, um die Möglichkeit zu ge- 
winnen, auf die rückwärtigen Verbindungen der mit der 
zweiten Armee kämpfenden feindlichen Heeresgruppe ein- 
zuwirken. 
Andererseits sagte sich dav Oberkommando der dritten 
Armee, daß die Richtung des von der zweiten Armee 
südwärts geführten Entscheidungsstoßeo nicht den gleich 
kraftvollen Keim für einen strategischen Erfolg in sich trüge, 
den eine von Ost nach West durch die dritte Armee geführte 
entscheidungsuchende Offensive in sich barg. Gelänge es 
 
	        
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