die ganze Gefechtsfront verlustlos loszubekommen. Der
Feind beschoß am 28. September früh genau wie tags
zuvor die deutschen Stellungen, ohne zu ahnen, daß sie
nur noch von schwachen Kräften des tapfer auöhaltenden
Kavalleriekorps besetzt waren. Dieser dünne Kavallerie-
schleier wurde erst am Vormittag des 28. September zurück-
genommen. In der Nacht zuvor hatte das Kavalleriekorp#
das östliche Serwetschufer geräumt und zog nunmehr ösi-
lich der s8. Infanteriedivision nach Norden von Abschnitt
zu Abschnitt ab. Der Rückmarsch der §S8. Infanteriedivi-
sion in der stockdunklen Regennacht zum 28. September
durch unübersehbares Waldgebiet gehörte zu den schwierig-
sten Leistungen, welche die Division in diesem Kriege voll-
bracht hat. Die Wege waren stellenweise grundlos, am
schlimmsten in der Gegend südlich Rusaki. Festgefahrene,
bis über die Achsen versunkene Fahrzeuge sperrten den
schmalen Waldweg. Rechts und links wurden neben dem
Wege die Bäume gefällt und so wurde den nachkommenden
Truppen ein Vorbeikommen ermöglicht. Dies alles geschah
mit so vollkommener Ruhe, als ob es sich um eine Ma-
növerübung handelte.
Bis zum Abend des 28. September erreichte die Divi-
sion durch Doppelmarsch die Ortschaften östlich des Ba-
torynsees, östlich des großen Narotschsees.
Hier sollte die Division am 29. September einen Ruhe-
tag haben, doch harrte ihrer sofort neue angestrengte Ar-
beit. Denn es stand zu erwarten, daß der Feind, obwohl
er bisher nur mit schwachen Aufklärungsabteilungen ge-
folgt war, größere Angriffskräfte bald heranführen würde.
Rechts von der 58. Infanteriedivision war die 77. Reserve-
division mit ihrem linken Flügel bis Pudowniki zurückge-
gangen. Dort schloß das Infanterieregiment 97, das zu-
nächst noch bei der #8. Infanteriedivision verblieben war,
und weiter Infanterieregiment 107 an. Daneben links stand
Infanterieregiment 106 bis zu den Waldsiücken nordöstlich
Trydany mit Sicherungen bei Skarady gegen Osten. Ne-
serve-Infanterieregiment 120 bildete bei Kruty die Re-
serve. Die Truppen gruben sich sofort mit allem Eifer ein.
Schlacht bei Trydany am 30. September 1915
Bereits am Nachmittag des 29. September erschien der
Feind an den Waldausgängen südöstlich der Stellungen
der Division. Fast zu gleicher Zeit wurden durch die Pa-
trouillen der 4. Eskadron Ulanen 18 auch in den östlich
gelegenen Waldstücken vor Infanterieregiment 106 feind-
liche Patrouillen festgestellt. Die Division hatte auf die
dauernde Sicherung gerade in dieser Richtung besonderen
Wert gelegt, da ein Angriff der Russen aus dieser Nichtung
die Division abschneiden oder in die Seen drängen konnte.
Noch in der Nacht zum 30. September begann der feind-
liche Angriff, zunächst mit einem Stoß gegen Infanterie-
regiment 97 und gegen den linken Flügel der 77. Reserve-
division. Er wurde verlusireich für die Russen abgewiesen.
Der Feind gelangte wohl in der Finsternis bis auf 50 Meter
an die sächsischen Stellungen heran, flutete aber dann wie-
der in die Wälder zurück. Fast gleichzeitig fühlten starke
russische Patrouillen gegen die Postierungen des Infanterie-
regiments 106 vor, die sich bei Skarady und Mochowicza
an den Wegen eingegraben hatten.
Nachts 1 Uhr traf der Korpsbefehl ein, die Dinision solle
4 Uhr morgens in nördlicher Richtung abmarschieren und
sich bei Czalei, nordöstlich des Miadziolsees, bereitstellen.
Nach Zani, nördlich Czalei, sollte die 42. Division mar-
schieren. Die Absicht war, die nach dem Miadziolsee nach-
drängenden Russen durch einen starken Gegenstoß nochmals
kräftig zurückzuwerfen, ehe man selbst hinter der Seen-
kette nördlich des Miadziolsees verschwand. Dieser Befehl
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gelangte jedoch nicht zur Ausführung, er wurde von den
Ereignissen überholt.
Am 30. September, kurz nach 1 Uhr morgens, kam, wäh-
rend der Korpsbefehl durch Fernsprecher weitergegeben
wurde, zur Division die Meldung, daß die vorgeschobenen
Postierungen des Infanterieregiments 106 in Skarady und
Mochowicza vom Feinde überrannt und zurückgedrängt wor-
den seien. Die Division befahl sofort, daß das Infanterieregi-
ment 106 die beiden Dörfer baldmöglichst wieder zu neh-
men habe, daß das in Reserve bei Kruty stehende Reserve-
Infanterieregiment 120 sofort nach Trydany marschieren
und sich dort bereitstellen sollte, und daß der Abmarsch
der übrigen Teile der Division vom rechten Flügel ab
nicht erst 4 Uhr morgens, sondern sofort zu beginnen habe.
Die Artilleriebrigade erhielt den Befehl, sofort alle leichten
Kolonnen und entbehrlichen Batterien nach Norden abzu-
schieben.
Es kam jetzt vor allem darauf an, die Rückmarschstraße
über Trydany nach Nowosiolki, welche die ganze Division
benutzen mußte, und welche offensichtlich das JZiel des feind-
Sichen Umfassungsangriffes war, für die Dipvision freizu-
alten.
Die große Auodehnung des Infanterieregiments 106 be-
dingte es, daß nur schwache Teile zum Gegenstoß gegen Ska-
rady und Mochowicza zur Hand waren. Der Angriff kam
nicht vorwärts, da die Russen ihrerseits Verstärkungen er-
halten hatten. Es gelang ihnen sogar, bis in die Waldstücke
östlich und nordöstlich von Trydany vorzudringen und bis
etwa 1200 Meter an die Rückmarschstraße der Division
beranzukommen.
Zu dieser Zeit erreichte das vorderste Bataillon des Re-
serve-Infanterieregiments 120 Trydany und wurde sofort
dem Infanterieregiment 106 zur Verfügung gestellt. Zu-
sammen mit den noch vorhandenen Reserven des Infan-
terieregiments 106, deren Sammeln in dem unübersicht-
lichen, von Waldstücken durchsetzten Gelände während der
Dunkelheit auf große Schwierigkeiten stieß, gelang es durch
entschlossenen Gegensioß die Russen ein beträchtliches Stück
aus den Waldstücken nach Osten zurückzudrängen.
Während dieser Kämpfe traf das Infanterieregiment 97
bei Trydany ein. Es wurde dort zunächst angehalten, dafür
wurden aber die beiden übrigen Bataillone des Reserve-
Infanterieregiments 120 nach Norden in Marsch gesetzt.
Mit diesen und der bereits zurückgenommenen Artillerie
wurde nach Anordnung des Kommandeurs der 58. Feld-
artilleriebrigade auf der Höhe nördlich Nowosiolki eine das
gesamte Vorgelände in hervorragender Weise beherrschende
Aufnahmestellung genommen.
Als später das Infanterieregiment 107 sich ebenfalls vom
Gegner losgelöst hatte und bei Trydany eintraf, wurde
nunmehr auch das Infanterieregiment 97 nach Norden wie-
derum in Marsch gesetzt.
Gegen §,30 Uhr morgens rückte der Feind auch von
Süden her auf Trydany vor. Die 116. Infanteriebrigade
ließ daher ein Bataillon des Infanterieregiments 107 mit
zwei Batterien der II. Abteilung Feldartillerieregiments 116
die Höhe südlich Trydany besetzen. Die anderen beiden
Bataillone des Infänterieregiments 107 wurden in dem
Grunde nordwestlich Trydany bereitgestellt, um einer Um-
fassung zu begegnen, da der Feind mit stärkeren Teilen
gleichzeitig auf Kruty marschierte.
Gegen 6 Uhr morgens kam die Meldung des Infanterie-
regiments 106, daß es den sich fortgesetzt verstärkenden
Russen so nahe gegenüber läge, daß es sich unmöglich
bei Tage loslösen könne.
Die Lage war jetzt folgende: Ein Bataillon Infanterie-
regimento 107 stand mit zwei Batterien südlich Trydany
im Kampfe, das Infanterieregiment 106 mit einer Bat-
terie und einem Bataillon Reserve-Infanterieregiments 120.