Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

auch der Truppensanitätsdienst beträchtlichen Um- 
fang an. Die Ordnung dieses Dienstzweiges verursachte der 
Medizinalabteilung viele Mühen, die sich hauptsächlich aus 
der Unkenntnis der aus dem Zioilverhältnis stammenden 
Arzte mit den technischen Grundsätzen — so namentlich der 
Listenführung, des Arzneibezuges und der Zuständigkeit be- 
treffend Behandlung von Heeresangehörigen überhaupt und 
deren Angehörigen — ergaben. 
Pspchologische Untersuchungsstellen für Flieger 
wurden im Einvernehmen mit dem Kommandierenden Gene- 
ral der Aftstreitkräfte in Leipzig und Großenhain eingerichtet. 
Die in sächsischen Lagern untergebrachten Kriegsge-= 
fangenen wurden bei Eintreffen im Lager entlaust und 
ärztlich untersucht. Es wurden dabei drei Tauglichkeits- 
grade unterschieden: vollarbeitsfähig, minderarbeitsfähig und 
arbeitsunfähig. Die Jahnbehandlung erfolgte durch russische 
und französische Jahnärzte. Geisteskranke wurden in der 
Irrenabteilung des Reservelazaretts Arnsdorf unterge- 
bracht. Zum Krankenpflegedienst in den Lagerlazaretten 
wurden feindliche Kriegsgefangene besonders auogebildet; 
sie übten ihren Dienst unter Aufsicht von deutschem Sani- 
tätspersonal aus. Ausgetauscht wurde nur das anerkannte 
französische, englische und belgische Sanitätspersonal, wäh- 
rend das russische mangels eines Austauschabkommens in 
Sachsen verblieb. Der Sanitätsdienst der Kriegsgefangenen- 
lager hatte die Aufsicht über alle hygienischen und sanitären 
Lagereinrichtungen. 
Die naturgemäß mangelnde Vertrautheit vieler Sanitäts- 
offiziere mit dem sehr komplizierten Zeugniswesen 
machte zahlreiche Verfügungen der Medizinalabteilung nötig. 
Noch bestand bei der Medizinalabteilung das Kolle- 
gium zur Entscheidung von Pensionsangelegen- 
beiten von Offizieren und Mannschaften mit einem reichen 
Felde der Tätigkeit. 
Abteilung VI (Waffen= und Industrieabteilung) 
Ihre Errichtung erwies sich als dringende Notwendig- 
Peir Chef war während der ganzen Kriegszeit Major Auer- 
ach 
Nach Kriegsbeginn war die Gestellung von Waffen aller 
Art für Neuformationen die wichtigste Aufgabe der Ab- 
teilung. Ein Reservekorps und zwölf Divisionen waren mit 
Waffen zu versehen, außerdem mußte die erhebliche Ver- 
mehrung der Maschinengewehrformationen, der Nachrichten- 
truppen und der Luftstreitkräfte berücksichtigt werden, ferner 
neuaufgestellte Straßenbaubataillone und Armierungsbatail- 
lone sowie die auf über das Doppelte des bisherigen Stan- 
des vermehrte Zahl der Landwehrbataillone. 
Die Beschaffung von Waffen stieß zunächst nicht 
auf Schwierigkeiten. Von September 1914 ab mußte aber 
bereito größte Sparsamkeit obwalten; um den Bedarf der 
Feldtruppen zu decken, mußten Ersahbataillone, Rekruten- 
depots und die zur Gefangenenbewachung verwendeten Land- 
sturm-Ersatzbataillone mit Waffen älterer Modelle und 
Beutegewehren und -seitengewehren ausgestattet werden. 
Die Schwierigkeiten der Beschaffung wuchsen infolge Auf- 
brauchs der Bestände schon zu Ende des Jahres 1914 so 
weit, daß selbst Ersatztransporte der Infanterie und Jäger 
für das Feld nur zum Teil in der Heimat mit Waffen 
versehen werden konnten. Im Januar 1915 wurde die 
Herausziehung aller Waffen 98 (Gewehre und Pistolen) 
aus immobilen Formationen durchgeführt, um den Feldersatz 
damit ausrüsten zu können. Die Ausrüstung aller Ersatz- 
mannschaften mit geeigneten und gleichartigen Waffen wurde 
dadurch möglich. 
Die Anfertigung von Gewehrschäften ging in 
der Munitionsfabrik Dresden vor sich, die auch die Fertigung 
335 
von Gewehren 98 — später des auf Grund der Kriegs- 
erfahrungen verbesserten Gewehres 98/17 — ausführte. 
Wegen Mangels an Nußbaumholz für Gewehrschäfte wur- 
den Birken- und Ahornholz verwendet. Die Bewaffnung 
der Offiziere bis zum Regimentskommandeur einschließlich 
mit dem kurzen Seitengewehr statt des Säbels wurde im 
August 1915 durchgeführt. 
Auch bezüglich der Ausrüstung von Maschinen- 
gewehr-Formationen mit Waffen und Gerät ging 
die Mobilmachung glatt vonstatten. Schwierigkeiten traten 
aber auch hier bereits zu Ende des Jahres 1914 ein und 
wiederholten sich. Eine starke Vermehrung der Maschinen- 
gewehr-Formationen fand in den ersten Monaten des Jahres 
1916, im August desselben Jahres eine vollständige Neu- 
gliederung der Maschinengewehr-Truppen statt. Zu Aus- 
bildungszwecken fanden belgische, englische, französische und 
russische Maschinengewehre Verwendung. Die Einführung 
des leichten Maschinengewehres System os machte im 
Dezember 1916 umfassende Maßnahmen nötig. 
Die in den Friedensstandorten vorhandenen Bestände 
an Infanteriemunition wurden gesammelt, nachdem 
die mobilen Truppen das Heimatgebiet verlassen hatten. An 
Nachersatz fertigten die sächsischen Artilleriedepots bis zum 
Ende des Jahres 1914 dreizehn Infanterie-Munitions= 
züge ab. Die Munitionsfabrik Dresden erreichte ihren höch- 
sten Fertigungssatz im Oktober 1917 mit einer Million 
Patronen täglich. 
Der von Sachsen gestellte Infanterik-Munitionsnachschub 
etru 
9 für S.-Patronen Pistolen-Patronen Revolver-Patronen 
24200 
1914 41075000 100 800 
1015 123228000 302400 3726000 
1016 1409873000 362880 447120 
1017 156612000 369600 455 400 Stück. 
Mit Entfernungemessern wurden auch die Ersatz- 
formationen der Infanterie, Jäger und Schützen ausgerüstet. 
Die sächsische Feldzeugmeisterei stellte für den Nachschub vom 
Beginn der Mobilmachung bis Ende März 1918 446 Ent- 
fernungomesser bereit. 
Bei Kriegsausbruch sandte Sachsen 99 Batterien mit 
472 Feldkanonen bzw. 114 leichten Feldhaubitzen ins Feld. 
Im Laufe des Krieges sind in Sachsen eine große Anzahl 
Feldartillerieregimenter mit etwa viermal so viel Batterien, 
wie angegeben, aufgestellt und zum Teil aus eigenen Be- 
ständen ausgerüstet worden. Zu allen diesen Formationen 
kamen die dazugehörigen Munitionskolonnen; außerdem sind 
mehrere selbständige Infanterie= und Artillerie-Munitions- 
kolonnen in Sachsen aufgestellt worden. 
Die Bewaffnung der sächsischen Fußartillerie 
entsprach zur Zeit der Mobilmachung der der preußischen. 
Der Geräteersatz konnte in den ersten Wochen auch ohne 
Schwierigkeiten von Sachsen gestellt werden. 
Eine schwere Feldhaubitze mit 8800 Meter größter Schuß- 
weite wurde im Januar 1917 eingeführt. Auch für Mörser 
wurde eine größere Schußweite erzielt. Die Verbesserung 
geschah in beiden Fällen durch die Einführung längerer 
ohre. 
Die Herstellung von Feldartillerie-Munition er- 
fuhr ihre erste große Steigerung im August 1914, da sich 
der Munitionsverbrauch an der Front als über alle Erwar- 
tung stark erwiesen hatte. Für die Fertigung der Granaten 
14 wurde die Munitionsanstalt Zeithain eingerichtet. Die 
größten Anforderungen an die Munitionsherstellung und 
die Vorkehrungen für den Nachschub brachten die Vorberei- 
tungen für die Frühjahrsoffenssve 1918. 
Der Nachschub betrug im Jahre 
1914 179860 Feldkanonen- Schuß 27 400 leichte Feldhaubitz-Schuß 
1015 2302229 „ 6 000 » 
1916 4636800 
1917 4529280 
rr. “ “ 
062000 „
	        
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