Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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Die planmäßige Reserve an Fußartillerie-Muni- 
tion war sehr bald nach Kriegsbeginn ins Feld abgerufen 
worden. Der auch bei der Fußartillerie enorme Munitions= 
verbrauch zwang zu rascher Steigerung der Produktion im 
eigenen Betriebe der Heeresverwaltung und in der Privat- 
industrie. Wie bei der Feldartillerie mußte auch hier gegen 
Ende 1914 ein Aushilfsgeschoß aus Stahlguß oder Guß- 
eisen einfachster Konstruktion eingeführt werden. Das Fer- 
tigmachen der Geschosse, das Füllen der Kartuschen und das 
Zusammensetzen der Zünder besorgte die Artilleriewerkstatt 
Dresden. Im ersten Kriegsjahre sandte Sachsen ins Feld 
141.000 schwere Feldhaubitz-Schuß und 110000 Mörser- 
Schuß. 
Eine sehr störende Unterbrechung erlitt die Munitions= 
fertigung durch die Explosion, die am 28. Dezember 1916 
im Munitionomagazin- Gelände des Artilleriedepots Dresden 
bei der Untersuchung von aus dem Felde zurückgesandter 
unsicherer Munition entstand. Bei dieser Gelegenheit sind 
fünf Arbeiter tödlich verunglückt, ein Schirrmeister, ein 
Kanonier, ein Arbeiter erlagen den damals erlittenen Ver- 
letzungen, eine Arbeiterin verstarb infolge Nervenchoks. Es 
entstand ein Brand, der zwei Tage lang wütete und mehrere 
vollbelegte Munitionsmagazine und Munitions-Anferti- 
gungsgebäude vernichtete sowie einige zur benachbarten 
Arttillerie-Werkstätte und zur Munitionsfabrik gehörige Ge- 
bäude erbeblich beschädigte. Um den durch diesen Unglücks- 
fall entstandenen Ausfall in der Munitionsfertigung zu 
decken, mußten die Munitionganstalten der Artilleriedepots 
Chemnitz und Bautzen und die neueingerichtete Munitions= 
anstalt Plauen i. V. in erhöhtem Maße beschäftigt werden. 
Eine neue Munitions-Anfertigungsanstalt und eine Geschoß- 
füllerei mit drei großen Munitionslagern zu je 100 Muni- 
tions-Lagerhäusern mußten auf dem Truppen-libungsplatz 
JZeithain mit erheblichem Kostenaufwand errichtet werden. 
Der Nachschub von Fußartillerie-Munition für das Feld 
betrug im Jahre 1917 20 000 10-Em-, 5830 120 schwere 
Feldhaubitzen= und 212 880 Mörser-Schuß. 
Auch bei der Beschaffung von Truppen= und 
Trainfeldgerät zeigten sich Schwierigkeiten erst dann, 
wenn die Anforderungen aus dem Felde die normalen Er- 
wartungen plötzlich und in hohem Maße überstiegen. So 
mußte bis zur Beschaffung der etatsmäsigen und den 
Mustern entsprechenden Stücken zu Behelfsmaßnahmen ge- 
schritten werden. Statt Krankenwagen für ein Feldlazarett 
und eine Sanitätskompagnie wurden Ommibusse angekauft 
und nach entsprechendem Umbau ins Feld gesandt. Eine 
Vermehrung des Schanzzeuges bei Infanterie und Kavallerie 
trat um November 1914 ein; ihr Grund war das Ein- 
seten des Stellungskrieges an der Westfront. Im Oktober 
1914 waren für die im Östen stehenden Infanterie-, 
Artillerie= und Etappen-Munitionskolonnen 1200 zwei- 
rädrige Karren und 500 Schlitten von der Feldzeugmeisterei 
zu beschaffen. Im Winter des Jahres 1916 wurden im 
Korpsbereiche 7182 Last- und 1016 Personenschlitten aus- 
geboben und zum großen Teil an die Etappen-Inspektion in 
Hermannstadt in Slebenbürgen abgesandt. Der Bedarf an 
tragbaren Feldschmieden konnte wegen Nohsioffknappheit im 
Jabre 1017 nicht voll gedeckt werden. Mit Feldküchen 
wurden bei der Mobilmachung nur ausgerüstet die Feld- 
und Reserveformationen der Infanterie, Jäger, Maschinen= 
gewehr= und Nadfahrerkompagnien, die Sanitäts= und 
Reserve-Sanitätskompagnien, die Fusfartilleriebatterien und 
deren leichte Munitionskolonnen. Alle anderen Truppen, 
Formationen und höheren Stäbe bekamen Feldküchen erst 
während des Krieges. Beschaffende Stelle war die Artillerie- 
Werkstatt Dresden mit Hilfe der Privatindustrie. 
Zahlen, ja selbst nur die Namen aller der Gegenstände 
zu nennen, die auf dem Gebiete des Truppen= und Train= 
felegerätes beschafft werden mußten, würde zu weit führen. 
Es sei nur erwähnt, daß sich unter den Gegenständen, die 
nicht etatsmäßig waren, selbst Streichhölzer, Stearinlichte, 
Wachsfackeln, Seife, Karbid, Nähgarn, Dochte u. dgl. be- 
fanden. 
Daß die Abteilung auch für Ausrüstung, Anderung, 
Ersatz und Nachschub von Geschirr-und Stallsachen, 
Pionier= und Verkehrstruppengerät und für den 
Ersatz und Nachschub von Fahrrädern tätig war, kann 
hier nur der Vollständigkeit halber bemerkt werden. — 
Zur Hebung des militärischen Luftfahrwesens 
waren schon 1913 in Sachsen Vorkehrungen getroffen wor- 
den. Bereits im April 1914 wurde mit dem Bau einer 
festen Luftschiffhalle auf dem Städtischen Flugplatze bei 
Dreden begonnen: im Mai des nächsten Jahres konnte sie 
in Benutzung genommen werden. Die Erbauungskosten 
betrugen 113f0 000 Mark. Die erste sächsische Flieger- 
station wurde Ende 1913 in Großenhain in Angriff ge- 
nommen, im April 1914 vollendet und während des Krie- 
ges ständig erweitert. Eine zweite Station wurde in Wurzen 
fertiggestellt. Die Vorarbeiten für die Errichtung einer drit- 
ten Fliegerstation bei Kamenz wurden im Frühjahr 17916 be- 
gonnen. Mit Plauen wurde im Oktober 1917 ein Vertrag 
über die Errichtung einer vierten Station geschlossen. 
Eine Funken-Telegraphenstation wurde der Fliegerstation 
Großenhain angegliedert. — Feste Funkenstationen wurden 
in Zeithain und in Dreden errichtet. 
In den ersten sieben Kriegsmonaten wurde der Bedarf 
an Heereskraftwagen durch Auhebung gedeckt; an 
Entschädigungen an die Eigentümer wurden zehn Millionen 
Mark gewährt. 
Das Königlich Sächsische Freiwilligen-Automobilkorps 
wurde im August 10916 in eine rein militärische Formation 
umgewandelt und erhielt die Bezeichnung „Kaiserliches 
Kraftfahrkorps“. 
Es lag im Interesse der Kampf= und Etappentruppen, 
daß ihr Bedarf an Ausrüstung, Heeresgerät und Verbrauchs- 
gegenständen jederzeit in möglichst kurzer Zeit gedeckt wurde. 
Es erfolgte deshalb im Dezember 1914 die Errichtung von 
Materialiendepots, von denen Sachsen zwei zur Ver- 
sorgung zugewiesen wurden. Die Depots befanden sich in 
Mannbeim und in Rastatt und hatten zunächst den Bedarf 
der fünften Armee zu decken. Als drittes Depot trat für 
die Versorgung der Armee Linsingen die Sammelstation 
Dresden hinzu. Die Depots ihrerseits wurden von der Feld- 
zeugmeisterei Dresden versorgt. 
Eine Anzahl sächsischer Brieftauben-Liebhaber-= 
Vereine haben durch Abgabe von jungen Brieftauben dem 
Heere wertvolle Dienste geleistet. 
Kriegsbeuteangelegenheiten gingen mit der Er- 
richtung der Abteilung VI auf diese über. Um solche Beute- 
silicke, die von den Feldtruppen nicht ohne weiteres sofort 
verwendet werden konnten, wieder nutzbar zu machen, wurden 
Kriegsbeute= öu#. Waffensammelstellen eingerichtet. In den 
letzteren wurden in der Hauptsache Handfeuerwaffen und 
emunition sowie Maschinengewehre und blanke Waffen ge- 
sammelt, um sie der Wiederverwendung zuzuführen. Die 
ersteren waren für Fahrzeuge, Ausrüstungs= und sonstige 
Gegenstände bestimmt. Den Bundesstaaten verblieben als 
Trophäen nur die von ihren Truppen mit stürmender Hand 
eroberten Fahnen, Standarten und Geschütze, die, soweit 
Sachsen in Betracht kam, dem Armeemuseum in Dresden 
einverleibt wurden. # 
Da die deutsche Waffenindustrie bei aller Leistungs- 
fähigkeit den gewaltigen Bedarf an Waffen — namentlich 
an Handfeuerwaffen und Seitengewehren — nicht zud decken 
vermochte, mußten umfassende Maßnahmen zum Sam- 
meln aller im Felde befindlichen überflüssigen Waffen, 
besonders solcher von Gefallenen und Verwundeten, und
	        
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