Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

zur Zurückführung derselben in die Heimat getroffen 
werden. 
Um die Herstellung von Kriegsbedarf aller Art zu sichern, 
machte sich gleich zu Anfang, aber auch im Verlauf des 
Krieges eine rege Bautätigkeit nötig. 
Neu= und Erweiterungsbauten mußten besonders 
im Bereiche der Feldzeugmeisterei vorgenommen werden. 
Besonders umfangreiche Neubauten brachte die Notwen- 
digkeit der aufs höchste zu steigernden Munitionsanfertigung 
mit sich. Auf dem Gelände des Artilleriedepots Dresden 
wurden fünf Munitions-Anfertigungsgebäude, zwei Lager- 
häuser, ein Arbeiter-Aufenthaltsgebäude mit den nötigen 
Nebenanlagen, Gleisanschlüssen, Verkehrswegen und Förder- 
bahnen errichtet. Um mehrere Lagergebäude wurde das 
Depot in den Jahren 1915 und 1917 vergrößert. Im 
Jahre 1916 wurde eine neue Munitionsanstalt am Nord- 
ende des Munitions-Magazingeländes mit einem Kosten- 
aufwande von 800 doo Mark errichtet. Die Feldzeug- 
meistereibahn erhielt zur Erleichterung des Munitionstrans= 
portes zwei Behelfsschuppen. 
lber die Bauten zur Munitionsherstellung auf dem 
Truppenübungsplatz Zeithain ist bereits oben berichtet wor- 
den. Die Munitionsanstalt des Artilleriedepots Bautzen bei 
Kleinwelka mußte erheblich erweitert werden. Besonders 
wichtig wurde die Munitionsanstalt Bautzen für die Her- 
stellung von schwerer Fußartillerie-Munition. In dem be- 
schleunigt fertiggestellten Artilleriedepot Chemnitz wurde der 
volle Betrieb zu Anfang des Jahres 1917 aufgenommen. 
Schließlich wurde im Herst des Jahres 1916 begonnen, 
eine erst kürzlich fertiggestellte und mit geeigneten An- 
lagen für die Munitionsfabrikation versehene Kunsiseide- 
fabrik in Plauen i. V. zu einer. Munitionsanstalt auszubauen. 
Die Fabrik wurde für Kriegsdauer erpachtet. 
Zu einem Reservelazarett (II Dresden) wurde die östliche 
Hälfte des Traindepoto Dresden umgebaut. 
Auf dem Truppenübungeplatz Zeithain wurde ein Ab- 
nahme-Schießplatz für Minenwerfer und Wurfminen, 
in Königsbrück ein Scharfschießplatz für das neuaufzustel- 
lende Minenwerfer-Ersatzbataillon Nr. 8 angelegt. 
Das Beschaffungswesen gehörte zu den schwierig- 
sten Gebieten, die die Waffen= und Industrieabteilung zu 
bearbeiten hatte. Bezüglich der Beschaffung von Infanterie- 
waffen war Sachsen zunächst auf die rheinisch-westfälische 
Industrie angewiesen. Beschaffende Stelle in Sachsen war 
die Feldzeugmeisterei Dresden. 
Die eigene Industrie des Landes und die Munitionsfabrik 
Dreesden beschränkten sich auf die Zusammensetzung der ein- 
zelnen Waffenteile. Die Fertigstellung von zunächst täglich 
hundert, später hunderfünfzig Gewehren wurde angestrebt. 
Die Anschaffung neuer Maschinen, Werkzeuge und Lehren 
war hierzu nötig. 
Schon zu Anfang des Krieges wurden alle Maßnahmen 
ergriffen, um die von der Obersten Heeresleitung geforderte 
Steigerung der Munitionsherstellung durchführen zu können. 
Aus der Privatindustrie wurden dreißig meist sächsische, 
einige schlesische Fabriken herangezogen, die die fertig be- 
arbeiteten Geschosse und die einzelnen Zünderteile lieferten. 
In den meisten Fabriken wurde von vornherein mit Höchst- 
leisiung gearbeitet. Gleichzeitig wurde für die Schaffung 
größerer Reserven gesorgt. — 
Die Behandlung der Angelegenheiten solcher Rohstoffe, 
deren Knappwerden — hauptsächlich infolge des Eintrittes 
Englands in den Weltkrieg — befürchtet werden mußte, 
ließ ein einheitliches Vorgehen der vier Kriegsministerien 
wünschenswert erscheinen. Um den Verkehr mit den wich- 
tigsten dieser Stoffe, als Kupfer, Feinzink, Aluminium, 
Gummi besser überwachen zu können, wurde in den letzten 
Augusitagen des Jahres 1914 bereits beim preußischen 
Kriegoministerium eine Kriegsrohstoffabteilung ins 
Sachsen in großer Zelt. Band II 
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Leben gerufen. Von den Abteilungen des sächsischen Kriegs- 
ministeriums hatte sich naturgemäß namentlich die Ab- 
teilung 1 B und die später daraus hervorgehende Abteilung VI 
mit Rohstoffangelegenheiten zu befassen. Sie hatte zunächst 
die Aufgabe, die Rohstofflager der größeren Fabriken und 
Lieferanten zu beschlagnahmen, nachdem Bestands= und 
Bedarfofeststellungen getroffen waren. 
Um die durch Beschlagnahme, Requisition usw. verfüg- 
bar gewordenen Rohstoffmengen nun den mit Heeresliefe- 
rungen betrauten Industrien zugänglich zu machen, wurden 
von Industrien Rohstoffgesellschaften gebildet, die 
die Verteilung übernahmen. Der Kriegsmetall-Aktiengesell- 
schaft folgte die Kriegswollbedarf-Abtiengesellschaft, die 
Kriegsleder-, Kriegschemikalien= usw. Aktiengesellschaft. Alle 
auf diese Gesellschaften und ihre Tätigkeit bezüglichen Ver- 
fügungen wurden, soweit das sächsische Kriegsministerium 
zuständig war, zunächst von der Abteilung I B bearbeitet. 
Bei der Neueinteilung der Abteilung VI gingen diese An- 
gelegenheiten auf die Sektion D 1 über. Die Fülle und 
Vielseitigkeit der Arbeit, die die Abteilung VI zu erledigen 
hatte, würde, wollten wir sie ausführlich schildern, 
Bände beanspruchen. Es liegt nicht im Charakter unseres 
volkstümlichen „Sachsen in großer Zeit“, dies zu tun. 
Aber übergehen wollen wir auch nichts. Es sei deshalb ge- 
stattet, mit sogenannten Stichworten fortzufahren. 
In die Tätigkeit der Waffen= und Industrieabtei- 
lung fielen die Angelegenheiten zur Regelung der Gas-, 
Wasser= und Elektrizitätsversorgung; die Freigabe 
von Baustoffen (Dachpappe u. dgl.); die Bewirtschaf- 
tung von Holz, Kork, Kautschuk, Guttapercha 
usw.; die Beschaffung von Leder, Korbweiden; die 
Ziegel= und Zementbewirtschaftung: die Metall- 
verteilung; die Einschränkung des Baumwollstoff-- 
Verbrauchs; die Gewinnung neuer Spinnfaser (Nessel 
u. dgl.):; die Beschlagnahme von Kanin-, Hasen= und 
Katzen fellen und vieles, vieles andere. 
Den Anstrengungen der Feinde, Deutschland nicht nur 
militärisch, sondern auch wirtschaftlich zu besiegen, konnte 
die bewaffnete Macht allein auf die Dauer nicht stand- 
halten. Es galt, die gesamte, noch nicht zum Heereodienste 
in irgendeiner Form herangezogene Bevölkerung zur Ver- 
teidigung des Vaterlandes zweckdienlich zu verwenden. 
Für diese gewaltige Aufgabe wurde durch allerhöchste Kabi- 
nettsorder vom 1. November 1916 das Kriegsamt in 
Berlin ins Leben gerufen. W) nicht mehr nur ein Heer, 
sondern ein Volk in seiner Gesamtheit im Kampfe stand, 
mußte jeder Volksgenosse seine Arbeitskraft in den Dienst 
des Ganzen stellen, mußte an der Stelle mitarbeiten, zu 
der ihn seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten geschickt 
machten. Jede Betätigung, deren Ziele nicht in irgendeiner 
Weise Mitwirkung an der Kriegführung oder der Volks- 
versorgung war, mußte in einer solchen Zeit unnütz er- 
scheinen. Dieser Gedankengang etwa bildete den Inhalt 
der Begründung zum „Gesetz über den vaterlän- 
dischen Hilfsdienst“ und legte gleichzeitig die Ziele des 
Kriegsamtes fest. Die staatsrechtliche Grundlage für die Er- 
füllung der genannten Aufgabe war somit geschaffen. 
Für Sachsen wurde die Errichtung von einer Kriegs= 
amtsstelle bei jedem stellvertretenden Generalkommando 
beschlossen. Diese Stellen wurden den Generalkommand# 
angegliedert, unterstanden aber dem Kriegoministerium und 
waren dessen Organe für die im Bereiche der stellv. General- 
kommandos sich ergebenden kriegswirtschaftlichen Aufgaben. 
Im einzelnen waren die Aufgaben der Kriegsamts- 
stellen: Die Beschaffung und Verwendung der Arbeits- 
kräfte für die im Kriegointeresse tätigen staatlichen und 
privaten Betriebe einschließlich der Frauen, Gefangenen, 
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