Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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Hilfsdienstpflichtigen, Kriegsbeschädigten und Wehrpflich- 
tigen: Uberwachung und Förderung der gesamten kriegs- 
wirtschaftlichen Produktion ihres Bezirkes; Mitwirkung bei 
den Fragen der Volkoernährung für die kriegswirtschaft- 
lich tätige Bevölkerung; Uberwachung der Zuführung der 
Rohsloffe für die Kriegswirtschaft und Behandlung von 
Ein= und Ausfuhrfragen. 
Die Kriegsamtsstellen in Dresden und Leipzig traten mit 
dem 23. Dezember 1916 in Kraft. 
Sehr rasch stiegen die an das Kriegsamt gestellten An- 
forderungen derartig, daß die einmal gesteckten Ziele nur 
auf Grund weitestgehender Dezentralisation erreichbar er- 
schienen. Bald machte sich die Schaffung von Kriegs- 
wirtschaftsämtern und Kriegswirtschaftsstellen 
nötig, die die Förderung der landwirtschaftlichen Produk= 
tion als Arbeitsgebiet zugewiesen erhielten; ferner mußten 
die Kriegsamtsstellen und Nebenstellen immer mehr aus- 
gebaut werden, um aus bloß informatorisch tätigen Organi- 
sationen zu praktisch tätigen gemacht zu werden. Auch muß- 
ten die sich vielfach berührenden Tätigkeitsgebiete der Gene- 
ralkommandos und Kriegsamtsstellen gegenseitig abgegrenzt 
werden und diese Grenzen mußten auch nach außen hin zur 
Erscheinung gebracht werden. . 
Eine unmittelbare Verbindung zwischen Berlin, dem säch- 
sischen Kriegsministerium und der Organisation der Kriegs- 
amtsstellen wurde durch Einrichtung einer Fernschreibe- 
stelle bei der Abteilung VI hergestellt, die von besonderem 
Nutzen bei Arbeiterbewegungen und Streiks war. 
Die Errichtung eines Kriegswirtschaftsamtes für ganz 
Sachsen erfolgte im Februar 1917, die der Kriegswirt- 
schaftsstellen im Mai desselben Jahres. Den Kriegswirt- 
schaftsämtern bzw. -Stellen wurden eine Anzahl von land- 
wirtschaftlichen Erkundungsoffizieren beigegeben, die sich 
über alle mit der landwirtschaftlichen Erzeugung zusammen- 
hängenden Maßinahmen zu unterrichten und ihrer Behörde 
Bericht zu erstatten hatten. 
Um Ersatz für die zum Heeresdienste eingezogenen Ar- 
beitsbräfte zu erlangen und eine Steigerung der Arbeits- 
leistung der Jugendlichen zu erreichen, wurde der Fortbil- 
dungoschulunterricht im April #aus eingeschränkt. Grund- 
sätzlich wurde sowohl vom Kriegs-, wie vom Kultusmini- 
sterium der Standpunkt vertreten, daß aus erzieherischen 
Gründen das gänzliche Aufhören des Fortbildungsschul- 
unterrichtes unter allen Umständen vermieden werden müsse. 
Zur Sicherung von Material und Personal in den 
Sprengstoff= und Pulverfabriken gegen Unglücksfälle 
sowohl wie gegen feindliche Anschläge (Sabotage) wurden 
umfassende Maßnahmen getroffen. Besonderer Sorgfalt 
bedurfte auch die Lagerung von unsicherer Munition. Die. 
regelmäßige Uberwachung der Munitions= und Sprengstoff- 
fabriken erfolgte durch eigens zu diesem Zwecke bei den 
Kriegsamtostellen gebildete Uberwachungsausschüsse, die 
aus einem sachverständigen Offizier und dem zuständigen 
Regierungs= und Gewerberat bestanden. — 
Nachdem schon kurze Zeit nach Kriegsbeginn geringe 
Lohnerhöhungen für die Arbeiter in den Betrieben der 
Heeresverwaltung stattgefunden hatten, mußten bald wei- 
tere Erhöhungen vorgenommen werden. Die Lebens#mittel- 
teuerung und das Sinken des Geldwertes einerseits, die 
erheblichen Steigerungen der Löhne bei der Berliner Kriegs- 
indusirie und den Technischen Instituten andererseits zwan- 
gen dazu. Schon im letzten Viertel des Jahres 1916 mußten 
der Arbeiterschaft teils laufende, teils einmalige Teue- 
rungszulagen gewährt werden. Familien= und Kinder-Kriegs- 
beihillfen wurden von der gleichen Zeit Arbeitern und Arbei- 
terinnen wie Angestellten gewährt, soweit Einkommen oder 
Verdienst in einem Monat oder Lohnrechnung-abschnitt eine 
festgesetzte Höhe (Grenzwert) nicht überschritten. Die Teue- 
rungezulagen kamen Ende 1917 in Wegfall und wurden 
durch Gewährung von Lohnzulagen (Kriegslohn) bei der 
Arbeiterschaft, Kriegsbeihilfen oder -teuerungszulagen bei 
den gegen Annahmebedingungen oder Vertrags-Angestellten 
ersetzt. Die Facharbeiter mit ihrem höheren Verdienst und 
die besser besoldeten Angestellten erhielten keine solchen 
Beihilfen. Daneben wurden allen Arbeitern und Angestell- 
ten Lebensmittel-Sonderzulagen, einzelnen Klassen außer- 
dem regelmäßig wiederkehrende Belohnungen gewährt. Die 
Arbeiter= und Angestelltenschaft war somit während des 
ganzen Krieges erheblich besser gestellt, wie die höhere und 
mittlere technische Beamtenschaft. 
Zur Beratung der zahlreichen in den Betrieben der Heeres- 
verwaltung beschäftigten weiblichen Hilfskräfte wurden 
Fabrikpflegerinnen und Wohnungsfürsorge- 
rinnen angestellt, die eine segensreiche Tätigkeit entfalteten. 
Besondere Notlagen bei der Arbeiterschaft zu beheben, war 
der Zweck der Arbeiterunterstützungsfonds, für die 
im Kriegsjahresetat keine bestimmte Summe festgesetzt war. 
Auch auf dem Gebiete der Unfall-, Kranken-, In- 
validen= und Angestellten-Versicherung ist die 
Abteilung VI tätig gewesen. — 
Die Vorarbeiten für die Demobilmachung begannen 
bereits im Jahre 1917 in der Erkenntnis, daß, gleichgültig, 
ob der Krieg früher oder später zu Ende sein würde, es der 
größten Sorgfalt und langer Zeit bedürfen würde, um die 
reibungslose Durchführung der Auflösung des Heeres und 
der Uberleitung der Kriegs= in die Friedenswirtschaft zu 
sichern. Der erste Entwurf eines Demobilmachungoplanes 
wurde im März 1917 vom preußischen Kriegoministerium 
den verantwortlichen Stellen übermittelt. Zweck dieser Maß- 
nahme war, den in Frage kommenden Stellen — Chef des 
Generalstabes des Feldheeres, bundesstaatliche Kriegomini- 
sterien, Reichsschatzamt, Reichsamt des Innern, preußische 
Ministerien des Innern, der öffentlichen Arbeiten, für 
Handel und Gewerbe, Landwirtschaft, Domänen und For- 
sten; in Sachsen: Generalkommandos, Feldzeugmeisterei, 
Ministerien des Innern und der Finanzen — nahezulegen, 
in die praktischen Vorarbeiten für die Demobilmachung in 
Hinsicht auf den Umfang der Arbeit und die Schwierigkeit 
der Durchführung bald zu beginnen, außerdem, dem Kriegs- 
ministerium die Mitarbeit der zuständigen Behörden bei der 
Durchführung zu sichern und ihnen Gelegenheit zu geben, 
Ergänzungsvorschläge zu machen. 
Dem Sachsischen Kriegsministerium erwuchsen also große 
Aufgaben. Erstens: Ergänzungen zum Demobilmachungs- 
plan zu machen, soweit sie sich für die besonderen sächsischen 
Verhältnisse notwendig erwiesen. Zweitens: praktische Vor- 
arbeit für die Durchführung der Demobilmachung zu leisten; 
und zwar restlos für die der militärtschen, für die wirtschaft- 
liche, soweit militärwirtschaftliche Gebiete berührt wurden, 
für die volkswirtschaftliche, soweit sie in die Tätigkeits- 
gebiete der Heeresverwaltung fallen würde. 
Jentralstelle für die Durchführung der Demobilmachungs- 
vorarbeiten war in Sachsen die Allgemeine Armee-Abtei- 
lung — Abteilung I MD — des Kriegsministeriums. 
Geplant war unter anderem: die Beibehaltung des Feuer- 
werks-Laboratoriums Radeberg, des Artilleriedepots Chem- 
nitz, der Munitionsanstalt Plauen i. V., der Munitions-= 
anstalt auf dem Truppenübungsplatz Zeithain. 
Regelmäßig fanden in Berlin Besprechungen statt, deren 
wichtigstes Ergebnis der Weg war, der für die Demobil- 
machung des Heeres vorgesehen wurde. Dieser Weg 
ist von besonderem geschichtlichen Interesse und mag des- 
halb hier beschrieben werden. 
Die Truppenteile sollten in ihren Zügen ihr Gerät, 
Waffen, Munition und Ausrüstungogegenstände nach den 
bestimmten Demobilmachungsorten mitführen; dort sollten
	        
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