Die sächsischen Intendanturen im Heimatsgebiet
Der Deutsche weiß im allgemeinen gut Bescheid über die
Bestandteile des Heeres und seine Einrichtungen. Die Wehr-
pflicht sorgte dafür. Vollends der Weltkrieg hat mit
etwaiger Unkenntnis gründlich aufgeräumt. Und doch finden
sich in dem gewaltigen Gebäude unseres Heerwesens Zimmer
und Kammern, in die der Fernstehende nur selten einen Blick
geworfen hat, an denen er mehr oder weniger gleichgültig
vorbeigegangen ist. Dazu gehört die Intendantur. Sie ist
vielen, wenn nicht gar den meisten, wie man zu sagen
pflegt, ein „böhmisches Dorf“. Auch der Krieg wird hieran
nicht wesentlich geändert haben. Es gibt selten etwas dar-
über zu lesen, und Bilder gibt es nun schon gar nicht.
Dem Mangel abzuhelfen, sind die folgenden Zeilen be-
stimmt. Mögen sie vor allem dazu beitragen, den Aufgaben-
kreis der säch sischen Intendantur „in großergeit“
allgemein bekannt zu machen.
Zunächst ein Wort über die sächsischen Intendanturen im
Frieden. Bei jedem der beiden Generalkommandos bestand
eine Korpsintendan-
zugs noch eine ganze Reihe von Divisionen. Außerdem aber
blieben in der Heimat die sogenannten stellvertretenden
Intendanturen, je eine bei jedem stellvertretenden General-=
kommando, neben die im Jahre 1916 die Intendantur
der Kriegsgefangenenlager trat. Von diesen Heimatbehörden
soll im folgenden die Rede sein.
Der Leser sei eingeladen, zunächst an einem Nundgang
durch die Diensträume der Dresdner Intendantur teilzu-
nehmen, um einen Einblick in den allgemeinen Dienstbetrieb
einer Intendantur zu gewinnen. Einige Sonderaufsätze wer-
den das Bild vervollständigen.
Die stellv. Intendantur des XII. Armeekorps
Das Gebäude unserer Behörde, ein stattlicher Ziegelroh-
bau und daher häufig das „rote Haus“ genannt, liegt in
Neustadt, an der Wasserstraße. In seinem Erdgeschoß be-
finden sich das Kriegszahlamt und die Korpazahlstellen;
aberim Üübrigen dient
tur, die in Dresden
und Leipzig ihren
Sitz hatten. Jeder
Dioision war eine
Dioisionsintendan=
tur zugeteilt, deren
Standort mit dem
des Dioi lionsstabes
zusammenfiel. Die
Aufgabe der Inten-
danturen wardie Be-
arbeitung der wirt-
schaftlichen Ange-
legenheiten oder,
anders ausgedrückt,
die Versorgung der
Truppen mit allem,
was zu des Da-
seins Notdurft ge-
hört, Gehälter und
Löhnung, Verpfle-
gung, Bekleidung, Unterbringung u. a. m. Der ver-
antwortliche Leiter einer Korpointendantur war der In-
tendant. Zu seiner Unterstützung dienten der Oberintendan-
turrat und die Abteilungsvorsteher, Intendanturräte oder
Assessoren, 5—6 an der Jahl. Jedem von ihnen war eine
Abteilung unterstellt mit einem Beamtenstab von 10 bis
15 Sekretären oder Diütaren, je nach dem Umfang der
Geschäfte. Ferner waren 2—3 Bauabteilungen unter je
einem Intendantur= und Baurat vorhanden; schließlich eine
Registratur, eine Kanzlei und eine Druckschriftenverwaltung.
An der Spitze einer Divisionsintendantur stand ein In-
tendanturrat oder zassessor. Von den höheren Beamten war
ein Teil juristisch vorgebildet. Im übrigen war für jede
Anstellung eine mehrjährige Ausbildung und das Bestehen
einer schriftlichen und mündlichen Schlußprüfung Voraus-
setzung. Denn das vielverzweigte Verwaltungswesen for-
derte eine sorgfältige Einarbeitung.
Der Krieg brachte eine gewaltige Umwälzung. Wie sich
die Heeresteile vervielfachten, so stieg auch die Jahl der
Verwaltungsbehörden, der Intendanturen. Das sächsische
Kontingent hatte planmäßig neben den aktiven Korps und
Divisionen ein Armeeoberkommando, eine Etappeninspektion,
ein Reservekorps und 2 Reservedivisionen, sowie eine Ka-
valleriedivision mit Intendanturen zu versehen; bei den
Neubildungen im September 14 ein weiteres Reservekorps
und eine 3. Reservedivision; im späteren Verlauf des Feld-
Das Intendanturgebäude in Dresden
es fast ausschließlich
dem Dienstbetrieb
der Intendantur.
Nur einige Woh-
nungen für Beamte
sind noch mit unter-
ebracht.
Es empfiehlt sich,
unseren Besuch früh
am Tageabzustatten,
denn es gibt viel zu
sehen und zu hören.
Am besten also ½0
Uhr, bei Dienstbe-
ginn. Die Dienst-
zcit ist im Laufe der
Kriegsjahre mehr-
fachem Wechsel un-
terworfen gewesen.
In den Tagen der
Mobilmachung war
sie von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends festgelegt. Er-
holungs= und Erfrischungspausen wurden eingeschoben, wenn
die Geschäfte es gerade gestatteten, und auch dann nur aufs
äußerste beschnitten. Nachts war ein wachhabender Beamter
anwesend. Dem stellvertretenden Intendanten war in der
Wohnung des aktiven Intendanten ein Zimmer zu dauernder
Benutzung zur Verfügung gestellt. Nach einigen Wochen
konnte dieser scharfe Dienst gemildert werden, und mehrere
Jahre behielten wir die geteilte Arbeitszeit bei, von 8 bis 1
und 3 bis ½6. Als im Winter 16/17 wegen Kohlen=
mangels an Heizung und an elektrischem Licht gespart werden
mußte, wurden die Dienststunden von ½9 bis 3 gelegt. Da
sich diese Tageseinteilung bewährte, blieb es dabei. Bis
Herbst 1917 war Gelegenheit gegeben, im Hause ein ein-
faches aber gutes Mittagessen einzunehmen.
Mit dem „Absitzen“ der Dienststunden war es freilich,
zumal für die älteren Beamten, nicht abgetan. Vielfache
Störungen durch Besuche, Anfragen u. a. m., verboten es
häufig, solche Arbeiten, die in sorgfältigem Aktenlesen und
im Niederschreiben von Berichten bestanden, auf dem Amt
zu erledigen. Und so hieß es denn gar manchmal, die
wohlbeschwerte Aktentasche ins stillere Eigenheim tragen und
die Abendstunden zu Hilfe nehmen.
ährend wir, vorm Gebäude stehend, uns hierüber unter-
halten, flutet es von allen Seiten heran, in Feldgrau und
im Bürgerrock, alt und jung; dort ein Trupp Beamten-