Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

Die sächsischen Intendanturen im Heimatsgebiet 
Der Deutsche weiß im allgemeinen gut Bescheid über die 
Bestandteile des Heeres und seine Einrichtungen. Die Wehr- 
pflicht sorgte dafür. Vollends der Weltkrieg hat mit 
etwaiger Unkenntnis gründlich aufgeräumt. Und doch finden 
sich in dem gewaltigen Gebäude unseres Heerwesens Zimmer 
und Kammern, in die der Fernstehende nur selten einen Blick 
geworfen hat, an denen er mehr oder weniger gleichgültig 
vorbeigegangen ist. Dazu gehört die Intendantur. Sie ist 
vielen, wenn nicht gar den meisten, wie man zu sagen 
pflegt, ein „böhmisches Dorf“. Auch der Krieg wird hieran 
nicht wesentlich geändert haben. Es gibt selten etwas dar- 
über zu lesen, und Bilder gibt es nun schon gar nicht. 
Dem Mangel abzuhelfen, sind die folgenden Zeilen be- 
stimmt. Mögen sie vor allem dazu beitragen, den Aufgaben- 
kreis der säch sischen Intendantur „in großergeit“ 
allgemein bekannt zu machen. 
Zunächst ein Wort über die sächsischen Intendanturen im 
Frieden. Bei jedem der beiden Generalkommandos bestand 
eine Korpsintendan- 
zugs noch eine ganze Reihe von Divisionen. Außerdem aber 
blieben in der Heimat die sogenannten stellvertretenden 
Intendanturen, je eine bei jedem stellvertretenden General-= 
kommando, neben die im Jahre 1916 die Intendantur 
der Kriegsgefangenenlager trat. Von diesen Heimatbehörden 
soll im folgenden die Rede sein. 
Der Leser sei eingeladen, zunächst an einem Nundgang 
durch die Diensträume der Dresdner Intendantur teilzu- 
nehmen, um einen Einblick in den allgemeinen Dienstbetrieb 
einer Intendantur zu gewinnen. Einige Sonderaufsätze wer- 
den das Bild vervollständigen. 
Die stellv. Intendantur des XII. Armeekorps 
Das Gebäude unserer Behörde, ein stattlicher Ziegelroh- 
bau und daher häufig das „rote Haus“ genannt, liegt in 
Neustadt, an der Wasserstraße. In seinem Erdgeschoß be- 
finden sich das Kriegszahlamt und die Korpazahlstellen; 
aberim Üübrigen dient 
  
tur, die in Dresden 
und Leipzig ihren 
Sitz hatten. Jeder 
Dioision war eine 
Dioisionsintendan= 
tur zugeteilt, deren 
Standort mit dem 
des Dioi lionsstabes 
zusammenfiel. Die 
Aufgabe der Inten- 
danturen wardie Be- 
arbeitung der wirt- 
schaftlichen Ange- 
legenheiten oder, 
anders ausgedrückt, 
die Versorgung der 
Truppen mit allem, 
was zu des Da- 
seins Notdurft ge- 
hört, Gehälter und 
Löhnung, Verpfle- 
gung, Bekleidung, Unterbringung u. a. m. Der ver- 
antwortliche Leiter einer Korpointendantur war der In- 
tendant. Zu seiner Unterstützung dienten der Oberintendan- 
turrat und die Abteilungsvorsteher, Intendanturräte oder 
Assessoren, 5—6 an der Jahl. Jedem von ihnen war eine 
Abteilung unterstellt mit einem Beamtenstab von 10 bis 
15 Sekretären oder Diütaren, je nach dem Umfang der 
Geschäfte. Ferner waren 2—3 Bauabteilungen unter je 
einem Intendantur= und Baurat vorhanden; schließlich eine 
Registratur, eine Kanzlei und eine Druckschriftenverwaltung. 
An der Spitze einer Divisionsintendantur stand ein In- 
tendanturrat oder zassessor. Von den höheren Beamten war 
ein Teil juristisch vorgebildet. Im übrigen war für jede 
Anstellung eine mehrjährige Ausbildung und das Bestehen 
einer schriftlichen und mündlichen Schlußprüfung Voraus- 
setzung. Denn das vielverzweigte Verwaltungswesen for- 
derte eine sorgfältige Einarbeitung. 
Der Krieg brachte eine gewaltige Umwälzung. Wie sich 
die Heeresteile vervielfachten, so stieg auch die Jahl der 
Verwaltungsbehörden, der Intendanturen. Das sächsische 
Kontingent hatte planmäßig neben den aktiven Korps und 
Divisionen ein Armeeoberkommando, eine Etappeninspektion, 
ein Reservekorps und 2 Reservedivisionen, sowie eine Ka- 
valleriedivision mit Intendanturen zu versehen; bei den 
Neubildungen im September 14 ein weiteres Reservekorps 
und eine 3. Reservedivision; im späteren Verlauf des Feld- 
  
  
Das Intendanturgebäude in Dresden 
es fast ausschließlich 
dem Dienstbetrieb 
der Intendantur. 
Nur einige Woh- 
nungen für Beamte 
sind noch mit unter- 
ebracht. 
Es empfiehlt sich, 
unseren Besuch früh 
am Tageabzustatten, 
denn es gibt viel zu 
sehen und zu hören. 
Am besten also ½0 
Uhr, bei Dienstbe- 
ginn. Die Dienst- 
zcit ist im Laufe der 
Kriegsjahre mehr- 
fachem Wechsel un- 
terworfen gewesen. 
In den Tagen der 
Mobilmachung war 
sie von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends festgelegt. Er- 
holungs= und Erfrischungspausen wurden eingeschoben, wenn 
die Geschäfte es gerade gestatteten, und auch dann nur aufs 
äußerste beschnitten. Nachts war ein wachhabender Beamter 
anwesend. Dem stellvertretenden Intendanten war in der 
Wohnung des aktiven Intendanten ein Zimmer zu dauernder 
Benutzung zur Verfügung gestellt. Nach einigen Wochen 
konnte dieser scharfe Dienst gemildert werden, und mehrere 
Jahre behielten wir die geteilte Arbeitszeit bei, von 8 bis 1 
und 3 bis ½6. Als im Winter 16/17 wegen Kohlen= 
mangels an Heizung und an elektrischem Licht gespart werden 
mußte, wurden die Dienststunden von ½9 bis 3 gelegt. Da 
sich diese Tageseinteilung bewährte, blieb es dabei. Bis 
Herbst 1917 war Gelegenheit gegeben, im Hause ein ein- 
faches aber gutes Mittagessen einzunehmen. 
Mit dem „Absitzen“ der Dienststunden war es freilich, 
zumal für die älteren Beamten, nicht abgetan. Vielfache 
Störungen durch Besuche, Anfragen u. a. m., verboten es 
häufig, solche Arbeiten, die in sorgfältigem Aktenlesen und 
im Niederschreiben von Berichten bestanden, auf dem Amt 
zu erledigen. Und so hieß es denn gar manchmal, die 
wohlbeschwerte Aktentasche ins stillere Eigenheim tragen und 
die Abendstunden zu Hilfe nehmen. 
ährend wir, vorm Gebäude stehend, uns hierüber unter- 
halten, flutet es von allen Seiten heran, in Feldgrau und 
im Bürgerrock, alt und jung; dort ein Trupp Beamten-
	        
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