Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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dieser Gesuche an. Deshalb entschloß sich das Generalkom- 
mando für die Zurückstellungen und das Kriegsgefangenen- 
wesen die besondere Abteilung le zu gründen. Für die Ein- 
berufenen bot l der sächsischen Industrie Kriegsgefangene 
an. Da diese sich jedoch lange Zeit gegen die Beschäftigung 
der Kriegsgefangenen sträubte, war es während vieler Mo- 
nate unmöglich, diese Arbeitskräfte nutzbringend zu ver- 
werten. In der Bearbeitung der Zurückstellungsgesuche 
wuchs die Arbeit im Februar lols erneut an, als die 
Frage der Feldbestellung herantrat. Bei der engen Ver- 
bindung der Ia, die die Neuformation bearbeitete, war ein 
Zusammenarbeiten beider Abteilungen gewährleistet. An- 
gebot und Nachfrage regelten sich automatisch. Außer den 
genannten Materien war der Ile das Militärpaketamt und 
das Liebesgabenwesen zugewiesen worden. Mit der Länge 
des Krieges, mit der Zunahme des Bedarfes an Mann- 
schaften schwoll das Arbeitsgebiet der le derart ins unge- 
messene, daß für die Freimachung von Soldaten und deren 
Zurückstellung im Oktober la#s eine besondere Abteilung 
eingerichtet wurde, nämlich die „Volkswirtschaftliche Ab- 
teilung“. Bei Ic verblieben Kriegsgefangene, Militärpaket- 
amt und Liebesgabenwesen. Gegen Ende 1916 wurde der 
Spionage sowie Sabotage immer größere Beachtung zu- 
gewandt. Es erschien praktisch, daß alle mit deren Abwehr 
zusammenhängenden Fragen in einer Abteilung vereinigt 
wurden. Da beide Vergehen naturgemäß durch die Kriegs- 
gefangenen am meisten betrieben wurden, lag es nahe. 
die Abwehrabteilung mit le zu vereinigen, was im Januar 
1917 geschah. Mit Einrichtung der Abwehrabteilung ging 
das gesamte Post= und Telegraphenwesen, die besonderen 
Postkontrollstellen, die neu errichteten Militärpolizeistellen, 
die Eisenbahnüberwachung und dergl. in das Arbeitsgebiet 
von le über. Da namentlich von seiten Frankreichs eine 
außerordentlich intensive Spionage= und Sabotagetätigkeit 
unter den Kriegsgefangenen organisiert wurde, entwickelte 
sich die Abwehr bald zu einer solch umfangreichen Tätig- 
keit, daß die Neueinrichtung einer besonderen Abteilung drin- 
gend nötig wurde, die ausschließlich die Abwehr bearbeitete. 
Die Trennung erfolgte im Oktober 1917. Bei loe verblieb 
das Kriegogefangenenwesen und alles, was mit der Beför- 
derung bzw. Verkehrseinrichtung zusammenhängt, z. B. 
Militärpaketamt, Posiprüfungssiellen und Telegrammüber= 
wachungsstelle. Außerdem wurden die neu eingerichteten 
Stellen „Abwehr-Wis“, deren Arbeitsgebiet hauptsächlich 
die Kriegsgefangenenlager sind, und die „Nach= und Ab- 
schubüberwachungsstelle Leipzig“ der Abteilung Ie unter- 
stellt. 
Die Postprüfungsstellen 
Die Posiprüfungsstellen Leipzig, Chemnitz, Plauen, 
Zwickau und Annaberg sind auf Grund des Mobil- 
machungeplanes schon bei Ausbruch des Krieges in Tätig- 
keit getreten. Sie sind ebenso wie die Telegrammüber- 
wachungsstellen Organisationen der Spionageabwehr. Sie 
prüften alle ihnen vorgelegten Briefe und Telegramme 
daraufhin, ob Spionagenachrichten oder andere die Wohlfahrt 
und Sicherheit des Reiches gefährdende Nachrichten darin 
enthalten waren. Erschienen die Briefe oder Telegramme 
verdächtig, so wurden sie unverzüglich unter Meldung an 
das stellvertretende Generalkommando der zuständigen Mi- 
litärpolizeistelle und zwar Leipzig für Postprüfungestelle 
Leipzig, Chemnitz für Postprüfungsstelle Chemnitz und An- 
naberg, Plauen für Postprüfungsstelle Plauen und Zwickau 
zur Weiterverfolgung übergeben. Jede Verwertung der durch 
die Brief= bzw. Telegrammprüfung erlangten Kenntnisse 
war natürlich streng verboten. Die Postüberwachungsstel- 
len, Postprüfungsstellen und Telegrammüberwachungs- 
stellen hatten verschiedene Aufgaben. Die Posiprüfungs- 
stellen waren in wichtigen Handelsstädten eingerichtet wor- 
den, weil wichtige Geschäftsbriefe, in denen sich wertvolle 
Dokumente befinden, die offene Beförderung nicht ver- 
tragen. Während die Postüberwachungsstellen den gesamten 
Postverkehr ins Ausland und vom Auslande prüften, kamen 
für die Postprüfungsstellen nur ausgehende Geschäftsbriefe 
und Wertsendungen einzelner Firmen ins Ausland in Frage. 
Diese Sendungen wurden von den Prüfungsstellen unter- 
sucht, geschlossen und dann der Postverwaltung zur sofor- 
tigen durch keine andere Prüfung mehr verzögerten Be- 
förderung zugeführt. Mit Ausnahme der Brilefe der rus- 
sisch-polnischen Arbeiter nach und von Orten innerhalb der 
Neichsgrenzen bzw. Korpsgrenzen gehörte die Prüfung von 
Privatbriefen nicht zum Geschäftebereiche der Postprüfungs- 
stellen. Den Prüfungsstellen Leipzig, Chemnitz und Zwickau 
wurden auch die Prüfung und Einsortierung solcher Schrift- 
stücke übertragen, die über die Reichsgrenze mitgenommen 
werden sollten. Hiervon ist während der Leipziger Groß- 
messe durch die ausländischen Meßbesucher ein solch großer 
Gebrauch gemacht worden, daß die Prüfungsorganisation 
stark überlastet war. Da für diese verschiedenen Schrift- 
stücke nur eine verhältnigmäßig kurze Zeit zur Verfügung 
stand, konnte keine sichere Gewähr dafür übernommen wer- 
den, daß alle eingesiegelten Schriftstücke einwandfrei waren. 
Im Interesse der Spionageabwehr wurden die Postprü- 
fungsstellen im September 1916 zur Vornahme von Prü- 
fungen der eingehenden und ausgehenden Pakete durch Stich- 
proben beauftragt. 
Militärpolizeistellen 
Ein weiteres Organ zur Bekämpfung der Spionage und 
Sabotage waren die Militärpolizeistellen, deren Aufgabe 
bestand in 
1. Bekämpfung der feindlichen Spionage und Sabotage 
durch: 
h 
a) Aufdeckung ihrer Ziele und Wege sowie der diesen 
Zwecken dienenden feindlichen Organisationen, 
b) vorbeugende Maßnahmen aller Art, 
P) Aufklärung und Verfolgung der Einzelfälle, 
2. Sicherung der militärischen und wirtschaftlichen Ge- 
heimnisse gegen Verrat und Ausspähung; 
3. Bekämpfung der feindlichen revolutionären Propa- 
gande, des Pazifizismus u. é. feindlicher Bestre- 
ungen zur Anstiftung innerer Unruhenm. Aufklärung 
und Verfolgung der Einzelfälle. 
Für alle eingehenden Nachrichten über Streiks, Flug- 
blätter, Unruhen innerpolitischer Art waren die Militär= 
polizeistellen lediglich Sammelstellen. Jede Tätigkeit auf 
politischem Gebiete war ihnen untersagt. Der nächste Schritt 
zum Schutze der Kriegswirtschaft war die Organisation der 
Abwehr gegen Spionage und Sabotage in den kriegswirt- 
schaftlichen Betrieben. Hand in Hand damit ging die Ver- 
folgung gemeldeter Spionage= bzw. Sabotageverdachtsfälle. 
Das Frühjahr 1917 brachte, wie sich aus der Aufdeckung 
einer großzügigen französischen Organisation ergab, für un- 
sere Landwirtschaft die Gefahr der Sabotage durch die Kriegs- 
gefangenen. Wenn auch der Kampf gegen diese Organisation 
in der Hauptsache Aufgabe der Kommandos der Kriegs- 
gefangenenlager war, so beteiligten sich doch auch die Milie 
tärpolizeistellen durch Aufklärung der landwirtschaftlichen 
Bevölkerung daran. Gleichzeitig wurden Maßnahmen zum 
Schutze wichtiger Lebensmittellager und Mühlen getroffen. 
Abwehr-Wis 
Anfang 1917 wurden bei den Postüberwachungsstellen 
und den Postprüfungsstellen der Gefangenenlager optisch- 
chemische Prüfungsabteilungen für den gesamten Briefwechsel 
errichtet und ferner Anfang November 1917 je eine Zen- 
tralstelle für die optisch-chemische Prüfung bei den einzel-
	        
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