Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

nen Armeekorps geschaffen. Die Zentralstelle des XIX. Ar- 
meekorps erhielt den Namen „Abwehr-Wis XIX“. Sie 
wurde der Postprüfungsstelle Leipzig angegliedert und in 
der photochemischen Abteilung des physikalisch-chemischen 
Institutes der Universität untergebracht. Die Tätigkeit der 
Abteilung umfaßte die folgenden Arbeitsgebiete: 
a) Prüfung verdächtig erscheinender Stücke, die von den 
unterstellten Prüfungsstellen eingesandt wurden, näm- 
lich: Schriftstücke und Drucksachen, auf denen verborgene, 
mit Geheimtinten hergestellte Schriften entdeckt oder 
vermutet wurden, Schriftstücke mit verkleideten oder 
versteckten Nachrichten aller Art (Phantasie-, Punkt-, 
Morse-, Noten-, Code= und Chiffreschriften usw.), 
Briefschaften, die irgendwie sonst verdächtig waren 
oder deren Absender bzw. Empfänger nach ihrem frühe- 
ren Briefverbkehr verdächtig erschienen; 
b) Untersuchung von Stichproben aus der Gefangenenpost; 
ID) wissenschaftliche Untersuchung von verdächtigen Argnei- 
mitteln, kosmetischen Präparaten, Chemikalien, Mal- 
mitteln und dergl., die zur Herstellung und Entwick- 
lung von Geheimschriften und für Sabotagezwecke 
Verwendung hätten finden können; 
d) Unterstützung der Abteilung Ia des stellvertretenden 
Generalkommandos und der Zentralpolizeistelle bei der 
Verfolgung von Spionagefällen durch chemische Prü- 
fung auf Geheimschriften und durch Herstellung von 
Photographien beansiandeter Briefschaften und Gegen- 
stände; 
e)Besuche der unterstellten Prüfungsstellen zum Zwecke 
der Belehrung des Personals, der Kontrolle der dort 
geleisteten Arbeiten und der Besichtigung der dortigen 
Einrichtungen und Prüfungsmittel; 
k) Auswertung geschwärzter Stellen aus Briefschaften 
kriegsgefangener Deutscher an ihre Angehörigen im 
Bereiche des stellvertretenden Generalkommandos; 
8) Ausarbeitung neuer Verfahren für die Ermittlung und 
Herstellung von Geheimschriften, 
b) Einführung der im Kleinbetrieb erprobten Verfahren 
in den Massenbetrieb der Gefangenenlager. 
Von den untersuchten Briefschaften trugen sieben Stück 
latente, mit Geheimtinten hergestellte Schriften, davon sind 
fünf entziffert worden. Fünf Stück enthielten versteckte 
Nachrichten, deren Sinn ermittelt werden konnte. 128 
Stück wiesen verkleidete Nachrichten auf, deren Deutung 
bei 27 gelang. Von diesen 140 Stück sind 75 Photogramme 
angefertigt worden, um die Beobachtung des ferneren Brief- 
verkehrs der beteiligten Gefangenen zu erleichtern. Außer- 
dem gelangten technische Artikel zur Untersuchung, von 
denen 22 als geeignet zur Herstellung von Geheimschriften 
befunden wurden. 
Verbindungsoffisier 
Zur Unterstützung der E bei 
deren Aufgabe der S wurde die een 
des „Abwehroffiziers“ geschaffen, der später den Namen 
„Verbindungsoffizier“ erhielt. Die Aufgabe dieses Offi- 
ziers bestand darin, die Verhältnisse in den Gefangenen- 
lagern, auf den Arbeitsplätzen und in den Lazaretten, in 
denen sich Kriegsgefangene befanden, zu prüfen. Vom- 
Standpunkte der Abwehr aus regte er Maßnahmen an, 
die den Schutz des militärischen und wirtschaftlichen Ge- 
heimnisses gewährleisten sollten, und unterstützte die Ab- 
wehrabteilung bei der Durchführung der allgemeinen vor- 
beugenden Maßnahmen. Außerdem hatte er vorbeugende 
Maßnahmen gegen Spionage, Sabotage, revolutionäre 
Strömungen, Flucht und Propaganda der Kriegsgefangenen 
sowie gegen Lässigkeit und Unzuverlässigkeit der Wacht- 
kommandos und der Angestellten in den Kriegs= und Zivil- 
  
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gefangenenlagern sowie auf den Arbeitsstellen durchzuführen. 
Die Verfolgung von Einzelfällen der unerlaubten Handlungen 
war nicht seine Aufgake, sondern er hatte nur die Ver- 
pflichtung, jeden auf irgendeine Weise zu seiner dienstlichen 
oder außerdienstlichen Kenntnis gelangten Fall auf dem 
schnellsten Wege der Abwehrabteilung des stellvertretenden 
Generalkommandos zu melden. 
Militärpaketamt 
Zur Bearbeitung der Nachschubtransporte war im Mobil- 
machungsplan die „Immobile Etappenkommandantur Leip- 
zig“ vorgesehen, welche auch in den ersten Tagen nach dem 
Ausrücken der Lruppen ins Feld ihrer Aufgabe vollkonimen 
gewachsen war. Bald aber wurde sie durch Mannschafts- 
transporte so in Anspruch genommen, daß sie den Güter- 
transport und namentlich die Paketsendungen für die ein- 
zelnen Feldzugskeilnehmer nicht mehr bewältigen konnte, 
zumal die der Etappenkommandantur zur Verfügung stehen- 
den Räume die ankommenden Pakete nicht faßten. Deshalb 
wurden die Pakete nach dem von der preußischen Staats- 
bahn bereitgestellten Güterboden der Magdeburg-Thüringer 
Eisenbahn verbracht. Bei der immer mehr anschwellenden 
Tätigkeit machten sich mehrmalige Umzüge nötig, bis das 
Paketdepot schließlich im Empfangsgüterboden des Dres- 
dener Güterbahnhofs untergebracht wurde. Nach und nach 
wurden ihm weitere Truppenteile zugewiesen, so daß Leipzig 
auch das Amt für viele Formationen der 3. Armee und 
für sämtliche deutsche Kavalleriedivisionen, mit Aus- 
nahme der ersten, wurde. Für die 3. Armee bearbeitete 
Leipzig auch die Heimsendungen. Durch die im Laufe 
der ECntwicklung an der Front sich nötig machenden Um- 
formierungen der Truppen und Verbände wurden auch 
die Paketdepots betroffen, denen der Name „Militärpaket- 
amt“ beigelegt wurde. Die Militärpaketämter zerfielen in 
Bezirks= und Sammelpaketämter. Die ersteren erhielten 
alle Sendungen, die in dem zum Korpsbereiche gehören- 
den Oberpostdirektionsbezirke für die fraglichen Truppen- 
teile zusammenkamen und stießen sie nach den Sammel- 
paketämtern ab, die an den Grenzen des Reiches lagen. 
Das Militärpaketamt Leipzig wurde Sammelpaketamt für 
die 11. Armee und dann auch für die Truppen in Bulgarien 
und in der Türkei. Außerdem wurde es seit April 1917 
zur Entlastung des Militärpaketamtes München mit der 
Bearbeitung eines großen Teiles der aus Rumänien stam- 
menden Heimsendungen beauftragt. 
Die Aufgaben der Militärpaketämter waren folgende: 
a) Das Bezirkspaketamt übernahm alle aus den 
Oberpostdirektionsbezirken Leipzig, Chemnitz und zum 
Teil auch Halle a. d. S. und Magdeburg aufkommen- 
den Postpakete. Die mit weißen Zetteln versehenen 
sortierte sie auf Grund der Feldpostübersicht nach den 
zuständigen Sammelpaketämtern, beklebte die Pakete 
mit roten Sammelpaketamtzetteln und stieß sie durch 
Vermittlung des Paketpostamtes wieder ab; 
b) Das Sammelpaketamt sortierte die für die zu- 
ständigen Truppen aus dem ganzen Deutschen Reiche 
eingehenden Postpakete und Bahnsendungen nach Feld= 
poststotionen. Diese Güter wurden unter Begleitung 
eigener Leute als geschlossene Ladung in Eisenbahn- 
wagen über die Weiterleitungsstelle nach den verschie- 
denen Militäreisenbahnverkehrämtern des Balkans be- 
fördert; 
Pc) Das Heimpaketamt fertigte zu den aus Serbien, 
Bulgarien und Rumänien, auahilfsweise auch von 
anderen Kriegsschauplätzen, wagenladungsweise ein- 
gehenden Sendungen die nötigen Begleitpapiere aus 
und übergab diese der Ei enbahn bzw. der Post, welche 
ihrerseits wieder die Weiterbeförderung im Wege des
	        
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