Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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Füllen der Strohsäcke verwandt, da das Stroh für diese 
Zwecke zu kostbar geworden war, weil es nach und nach 
im größeren Umfange für tierische Nahrung verwendet wer- 
den mußte. Auch Brennesselsammlungen wurden durch die 
Intendantur bei den Truppenteilen organisert. Damit letz- 
tere an dieser Arbeit interessiert wurden, waren für die 
gesammelten Nesseln Vergütungen vorgesehen. Zu Beginn 
des Krieges erfolgte auch die Beschlagnahme von RNoh- 
stoffen, die später auf die Abteilung lb und zuletzt auf die 
Kriegsrohstoffstelle übergegangen ist, durch die Intendantur. 
Eine wichtige wirtschaftliche Maßnahme bestand in der Aus- 
gabe von Heeresnäharbeiten an Heimarbeiterinnen. Heeres- 
näharbeiten wurden außer an gelernte Berufsarbeiter nur 
an solche Personen verteilt, die nach ihren häuslichen und 
körperlichen Verhältnissen nicht in der Lage waren, sich 
irgendeine andere Gelegenheit zur Verwendung ihrer Ar- 
beitskräfte zu verschaffen. Die sichere Kontrolle über die 
Bedürftigkeit der mit Heeresnäharbeiten Beauftragten wurde 
dadurch gewährleistet, daß ihnen durch die Polizeibehörde 
Ausweiskarten ausgestellt und Näharbeiten nur gegen diese 
Karten ausgegeben wurden. Auf diese Weise sind wirklich 
bedürftige Personen, die für Munitions= und sonstige Kriegs- 
arbeit nicht geeignet waren, vor dringendster Not in anderer 
Gestalt als der der Unterstützung geschützt worden. Zur 
Vollständigkeit des wirtschaftlichen Bildes sei noch auf die 
Heu= und Strohsicherstellung sowie auf die Haferbeschlag- 
nahme durch die Intendantur hingewiesen, wenn auch hier 
nur Ausnahmefälle in Betracht kamen, da dieses Material 
in der Hauptsache zugeteilt wurde und die Intendantur für 
richtige Verteilung zu sorgen hatte. Endlich muß in diesem 
Zusammenhange die Tätigkeit der Holzbeschaffungsstelle der 
Intendantur, der im Verein mit der Kriegsamtstelle die 
Holzversorgung des Feldheeres oblag, angeführt werden. 
Den Firmen des Korpobezirks wurden zwingende Vorschrif- 
ten über die Menge der zu bearbeitenden und abzuliefern- 
den Hölzer, über deren Beschaffenheit, Abnahme und Ver- 
ladung gegeben. Dadurch waren diese Holzwerke zwar voll- 
ständig gebunden, andrerseits waren ihnen aber auch je 
nach ihrer Leistungsfähigkeit regelmäßige Aufträge gesichert. 
Abteilung V Sanitätsamt 
Im Wirkungskreise des Sanitätsamtes wurden volkswirt- 
schaftliche Interessen berührt durch 
den Betrieb der Lehr= und der orthopädischen Werk- 
stätten in den Reservelazaretten „Heimatdank“ Leip- 
zig, Zwickau und Chemnitz mit Zweiganstalt Re- 
servelazarett Glauchau und durch die Behelfsglieder- 
werkstätte im Reservelazarett Elsterberg, 
die Hinweisung von Kriegsbeschädigten in geeignete 
berufliche Arbeitsstellen unmittelbar von den Laza- 
retten aus, « 
.dieär,ztlicheVersorgungderbürgerlichen-Bevölke- 
rung. 
Die Lehrwerkstätten dienten der Ertüchtigung genesender 
und genesener Kriegsbeschädigter in ihrem bisherigen oder 
in einem neu zu ergreifenden Berufe. Sie waren Einrich- 
tung des Kreisverbandes „Heimatdank“ in den gleichnami- 
gen Regierungsbezirken, standen aber unter militärärztlicher 
Leitung. Die orthopädischen Werkstätten Leipzig, Chemnitz 
und Zwickau waren ebenfalls Eigentum der Kreiover- 
bände „Heimatdank“. Durch Pachtung war aber der Be- 
trieb an die Keereoerwaltung übergegangen. Sämtliche 
orthopädische Werkstätten betrieben die Herstellung von 
Kunstgliedern, Behelfsgliedern und orthopädischen Vorrich- 
tungen aller Art für Kriegsbeschädigte. Daneben wurden 
die gewerbsmäßigen Bandagisten dauernd bis zur Höchst- 
grenze ihrer Leistungsfähigkeit beschäftigt. 
Inwieweit und auf welche Weise die Folgen von Ver- 
letzungen und Krankheiten die Ausübung eines Berufes be- 
— 
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hindern, läßt sich oft erst durch versuchsweise berufliche 
Belätigung feststellen. Dabei ist der behandelnde Arzt als 
Berufsberater von ganz besonderem Werte. Vielfach küm- 
merten sich auch die Arzte selbst um die Einstellung des 
einen oder anderen ihrer Genesenden in eine passende Ar- 
beitsstätte; häufig wurde auch den Genesenden Anstellung 
und Beschäftigung auf Gütern vermittelt. Das Reserve- 
lazarett „Heimatdank“ Leipzig hatte in Zuckelhausen eine 
eigene Lehrabteilung für landwirtschaftliche Angestellte und 
Arbeiter eingerichtet. Im Reservelazarett Leipzig II/III be- 
stand ein besonderer Arbeitsnachweis für Genesende, der 
von der Kriegsamtstelle unterstützt wurde. Durch diesen Ar- 
beitsnachweis wurden die von ihren Krankheitserscheinungen 
befreiten Kranken oder Verwundeten unter ärztlicher Leitung 
in Stellen gewiesen; in der ersten Zeit der Arbeit verblieben 
sie noch im Lazarett, wurden dann beurlaubt, bis die ärzt- 
liche Uberwachung aufhörte und die Entlassung mit dem 
Zeitpunkte eintrat, da der Genesende sich als dauernd 
arbeitsfähig erwiesen hatte. 
Der Notstand, welcher durch die Einziehung von Arzten 
in vielen Gemeinden verursacht war, steigerte sich hier und 
da mit der Ausbreitung der Rüstungoindustrie. In Anleh- 
nung an das Hilfsdienstgesetz wurde von Januar 1917 
an unter freiwilliger Mitwirkung der Kgl. Arzte und der 
Stadtbezirksärzte sowie der Vorsitzenden der ärztlichen Be- 
zirksvereine festgestellt, welche Arzte des Korpsbereiches noch 
als entbehrlich an ihrem Wohnorte gelten konnten. Wenn 
sie noch landsturmpflichtig waren, wurden sie im Bedarfs- 
falle eingezogen und in eine Gemeinde befehligt, in der 
Arztemangel herrschte, vorausgesetzt, daß diese Gemeinde 
die Zahlung der militärischen Gebührnisse des befehligten 
Arztes übernahm. Durch dieses Verfahren wurde der Arzte- 
not vielfach mit Erfolg abgeholfen. Zusammenfassend kann 
von der wirtschaftlichen Bedeutung des Sanitätsdienstes 
im stellvertretenden Generalkommando gesagt werden 
ay durch die Vorbereitung auf geeignete Arbeit und die 
Zuführung in ein passendes Beschäftigungsgebiet 
wurden die Kriegsbeschädigten dahin gebracht, daß 
sie sich nicht allein auf die Unterstützung angewiesen 
sahen, sondern wieder wirtschaftlich wertvolle Ar- 
beit leisten und für ihren Unterhalt Sorge tragen 
konnten, 
b) durch die Wiedergewinnung vieler Kriegsbeschädigter 
für unbedingt notwendige Leistungen konnte manche 
Arbeit erledigt werden, die bei dem sonstigen Mangel 
an Arbeitskräften oft gänzlich hätte unterbleiben 
müssen. Außerdem waren dadurch an manchen 
Stellen Kräfte freigeworden, die entweder zum Hee- 
resdlenst oder zur Kriegewirtschaft verwendet werden 
konnten. 
Die Kriegsamtstelle 
A. Die Gründung 
Durch die Abschließung vom UÜberseeverkehr wurde 
Deutschland zur Kriegswirtschaft gezwungen, was die An- 
näherung unseres auf vielfachen Beziehungen zur Weltwirt- 
schaft erblühten Wirtschaftslebens an eine binnenländisch 
abgeschlossene Wirtschaft bedeutete. Es galt Haus zu halten 
mit dem Vorhandenen, aber auch neue Quellen zu erschlie- 
hien, deren Ausbeutung uns ehedem, so lange wir in den 
Bedarfodeckung vom Auslande uneingeschränkt verfahren 
konnten, unzulänglich und unwirtschaftlich erscheinen mußte. 
Das Ziel einer weisen Kriegswirtschaft war die Umordnung 
des Wirtschaftslebens in dem Sinne, daß die Leistungs- 
fähigkeit aller Kräfte und Mittel, die für die heimische Wirt- 
schaft nach Kriegsausbruch noch verfügbar waren, voll er- 
halten und den veränderten Aufgaben der Wirtschaft ent- 
sprechend auf das Höchste ausgenutzt wurde. Zur Errei- 
chung dieses Zieles wurde bei den immer größer werdenden
	        
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