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Füllen der Strohsäcke verwandt, da das Stroh für diese
Zwecke zu kostbar geworden war, weil es nach und nach
im größeren Umfange für tierische Nahrung verwendet wer-
den mußte. Auch Brennesselsammlungen wurden durch die
Intendantur bei den Truppenteilen organisert. Damit letz-
tere an dieser Arbeit interessiert wurden, waren für die
gesammelten Nesseln Vergütungen vorgesehen. Zu Beginn
des Krieges erfolgte auch die Beschlagnahme von RNoh-
stoffen, die später auf die Abteilung lb und zuletzt auf die
Kriegsrohstoffstelle übergegangen ist, durch die Intendantur.
Eine wichtige wirtschaftliche Maßnahme bestand in der Aus-
gabe von Heeresnäharbeiten an Heimarbeiterinnen. Heeres-
näharbeiten wurden außer an gelernte Berufsarbeiter nur
an solche Personen verteilt, die nach ihren häuslichen und
körperlichen Verhältnissen nicht in der Lage waren, sich
irgendeine andere Gelegenheit zur Verwendung ihrer Ar-
beitskräfte zu verschaffen. Die sichere Kontrolle über die
Bedürftigkeit der mit Heeresnäharbeiten Beauftragten wurde
dadurch gewährleistet, daß ihnen durch die Polizeibehörde
Ausweiskarten ausgestellt und Näharbeiten nur gegen diese
Karten ausgegeben wurden. Auf diese Weise sind wirklich
bedürftige Personen, die für Munitions= und sonstige Kriegs-
arbeit nicht geeignet waren, vor dringendster Not in anderer
Gestalt als der der Unterstützung geschützt worden. Zur
Vollständigkeit des wirtschaftlichen Bildes sei noch auf die
Heu= und Strohsicherstellung sowie auf die Haferbeschlag-
nahme durch die Intendantur hingewiesen, wenn auch hier
nur Ausnahmefälle in Betracht kamen, da dieses Material
in der Hauptsache zugeteilt wurde und die Intendantur für
richtige Verteilung zu sorgen hatte. Endlich muß in diesem
Zusammenhange die Tätigkeit der Holzbeschaffungsstelle der
Intendantur, der im Verein mit der Kriegsamtstelle die
Holzversorgung des Feldheeres oblag, angeführt werden.
Den Firmen des Korpobezirks wurden zwingende Vorschrif-
ten über die Menge der zu bearbeitenden und abzuliefern-
den Hölzer, über deren Beschaffenheit, Abnahme und Ver-
ladung gegeben. Dadurch waren diese Holzwerke zwar voll-
ständig gebunden, andrerseits waren ihnen aber auch je
nach ihrer Leistungsfähigkeit regelmäßige Aufträge gesichert.
Abteilung V Sanitätsamt
Im Wirkungskreise des Sanitätsamtes wurden volkswirt-
schaftliche Interessen berührt durch
den Betrieb der Lehr= und der orthopädischen Werk-
stätten in den Reservelazaretten „Heimatdank“ Leip-
zig, Zwickau und Chemnitz mit Zweiganstalt Re-
servelazarett Glauchau und durch die Behelfsglieder-
werkstätte im Reservelazarett Elsterberg,
die Hinweisung von Kriegsbeschädigten in geeignete
berufliche Arbeitsstellen unmittelbar von den Laza-
retten aus, «
.dieär,ztlicheVersorgungderbürgerlichen-Bevölke-
rung.
Die Lehrwerkstätten dienten der Ertüchtigung genesender
und genesener Kriegsbeschädigter in ihrem bisherigen oder
in einem neu zu ergreifenden Berufe. Sie waren Einrich-
tung des Kreisverbandes „Heimatdank“ in den gleichnami-
gen Regierungsbezirken, standen aber unter militärärztlicher
Leitung. Die orthopädischen Werkstätten Leipzig, Chemnitz
und Zwickau waren ebenfalls Eigentum der Kreiover-
bände „Heimatdank“. Durch Pachtung war aber der Be-
trieb an die Keereoerwaltung übergegangen. Sämtliche
orthopädische Werkstätten betrieben die Herstellung von
Kunstgliedern, Behelfsgliedern und orthopädischen Vorrich-
tungen aller Art für Kriegsbeschädigte. Daneben wurden
die gewerbsmäßigen Bandagisten dauernd bis zur Höchst-
grenze ihrer Leistungsfähigkeit beschäftigt.
Inwieweit und auf welche Weise die Folgen von Ver-
letzungen und Krankheiten die Ausübung eines Berufes be-
—
“
hindern, läßt sich oft erst durch versuchsweise berufliche
Belätigung feststellen. Dabei ist der behandelnde Arzt als
Berufsberater von ganz besonderem Werte. Vielfach küm-
merten sich auch die Arzte selbst um die Einstellung des
einen oder anderen ihrer Genesenden in eine passende Ar-
beitsstätte; häufig wurde auch den Genesenden Anstellung
und Beschäftigung auf Gütern vermittelt. Das Reserve-
lazarett „Heimatdank“ Leipzig hatte in Zuckelhausen eine
eigene Lehrabteilung für landwirtschaftliche Angestellte und
Arbeiter eingerichtet. Im Reservelazarett Leipzig II/III be-
stand ein besonderer Arbeitsnachweis für Genesende, der
von der Kriegsamtstelle unterstützt wurde. Durch diesen Ar-
beitsnachweis wurden die von ihren Krankheitserscheinungen
befreiten Kranken oder Verwundeten unter ärztlicher Leitung
in Stellen gewiesen; in der ersten Zeit der Arbeit verblieben
sie noch im Lazarett, wurden dann beurlaubt, bis die ärzt-
liche Uberwachung aufhörte und die Entlassung mit dem
Zeitpunkte eintrat, da der Genesende sich als dauernd
arbeitsfähig erwiesen hatte.
Der Notstand, welcher durch die Einziehung von Arzten
in vielen Gemeinden verursacht war, steigerte sich hier und
da mit der Ausbreitung der Rüstungoindustrie. In Anleh-
nung an das Hilfsdienstgesetz wurde von Januar 1917
an unter freiwilliger Mitwirkung der Kgl. Arzte und der
Stadtbezirksärzte sowie der Vorsitzenden der ärztlichen Be-
zirksvereine festgestellt, welche Arzte des Korpsbereiches noch
als entbehrlich an ihrem Wohnorte gelten konnten. Wenn
sie noch landsturmpflichtig waren, wurden sie im Bedarfs-
falle eingezogen und in eine Gemeinde befehligt, in der
Arztemangel herrschte, vorausgesetzt, daß diese Gemeinde
die Zahlung der militärischen Gebührnisse des befehligten
Arztes übernahm. Durch dieses Verfahren wurde der Arzte-
not vielfach mit Erfolg abgeholfen. Zusammenfassend kann
von der wirtschaftlichen Bedeutung des Sanitätsdienstes
im stellvertretenden Generalkommando gesagt werden
ay durch die Vorbereitung auf geeignete Arbeit und die
Zuführung in ein passendes Beschäftigungsgebiet
wurden die Kriegsbeschädigten dahin gebracht, daß
sie sich nicht allein auf die Unterstützung angewiesen
sahen, sondern wieder wirtschaftlich wertvolle Ar-
beit leisten und für ihren Unterhalt Sorge tragen
konnten,
b) durch die Wiedergewinnung vieler Kriegsbeschädigter
für unbedingt notwendige Leistungen konnte manche
Arbeit erledigt werden, die bei dem sonstigen Mangel
an Arbeitskräften oft gänzlich hätte unterbleiben
müssen. Außerdem waren dadurch an manchen
Stellen Kräfte freigeworden, die entweder zum Hee-
resdlenst oder zur Kriegewirtschaft verwendet werden
konnten.
Die Kriegsamtstelle
A. Die Gründung
Durch die Abschließung vom UÜberseeverkehr wurde
Deutschland zur Kriegswirtschaft gezwungen, was die An-
näherung unseres auf vielfachen Beziehungen zur Weltwirt-
schaft erblühten Wirtschaftslebens an eine binnenländisch
abgeschlossene Wirtschaft bedeutete. Es galt Haus zu halten
mit dem Vorhandenen, aber auch neue Quellen zu erschlie-
hien, deren Ausbeutung uns ehedem, so lange wir in den
Bedarfodeckung vom Auslande uneingeschränkt verfahren
konnten, unzulänglich und unwirtschaftlich erscheinen mußte.
Das Ziel einer weisen Kriegswirtschaft war die Umordnung
des Wirtschaftslebens in dem Sinne, daß die Leistungs-
fähigkeit aller Kräfte und Mittel, die für die heimische Wirt-
schaft nach Kriegsausbruch noch verfügbar waren, voll er-
halten und den veränderten Aufgaben der Wirtschaft ent-
sprechend auf das Höchste ausgenutzt wurde. Zur Errei-
chung dieses Zieles wurde bei den immer größer werdenden