3. Die Organisation der Kriegsamtstelle
Die „Kriegsamtstelle Leipzig“ setzte sich im Herbst 1918
aus folgenden 14 Referaten zusammen:
Referat St. (Stabsreferat)
„ 3. (Zurückstellungsabteilung)
„ E. A. (Ersatz= und Arbeitoreferat)
„ EP. N. (Frauenreferat)
„ F. (Umschulung)
„ DOD. (Demobilmachung)
„f„ W. M. (Waffen= und Munittonsbeschaffung)
„ B. R. (Bautenprüfungsstelle)
„ V. N. (Verkehrereferat)
„ M. B. (Materialbeschaffung)
„ Kr. St. (Kriegsrohstoffstelle)
„ . F. (Wirtschaftliches Fachreferat)
„ R. A. (Rechtsabteilung)
P. A. (Presseaufklärung)
Auherbem waren der Kriegsamtstelle und zwar dem
Staboreferat die vier Kreisreferate Leipzig, Chemnitz, Plauen
und Zwickau angegliedert. Sämtliche Referate waren zu drei
Gruppen zusammengefaßt; Gruppe 1 trug die Beseichnung
„Arbeitsgruppe“ und umfaßte die Neferate 3., E. A
—
F. und D.; Gruppe II wurde bezeichnet als arhuse
Gruppe“. Hiru gehörten die Referate W. M.,
V. .B. und Kr. St. Gruppe III biehd die rs-
liche Gruppe“. Sie umfaßte die Referate W. F., R. A. und
A. Die Führer der verschiedenen Gruppen wurden als
Gruppenvorstände bezeichnet. Die Einrichtung der Grup-
pen und Gruppenvorstände diente der Erleichterung der
laufenden Arbeiten. Beabsichtigt war nicht Bildung von
Zwischeninstanzen zwischen Stab und Referat, sondern nur
ine gewisse Zusammenfassung im verwaltungstechnischen
inne.
4. Die besonderen Aufgaben der Kriegsamtstelle
Der Krieg nahm ummer mehr den Charakter eines erbar-
mungslosen Wirtschaftskampfes an und stellte uns vor
Aufgaben, die nur durch äußerste Umsicht und größte
Energie zu lösen waren. Die Unzahl der Aufgaben und
die Schwierigkeiten der Probleme in der #egeitschgft
führten bekanntlich zur Gründung der
den ungestörten Fortgang der Rüstungsarbeit zu siche
beobachtete die Kr. St. die gesamten innerpolitischen Ver-
hältnisse des Korpobereiches, wobei sie ihr Hauptaugenmerk
auf die Stimmung der Arbeiter und deren Verhältnis
zur Industrie legte. Daß gerade diese Tätigkeit eine Haupt-
arbeit der Kriegsamtstelle darstellte, zeigte sich an den
zahlreichen Eingriffen, die sie in das innerpolitische Treiben
tun mußte, und an den Erfolgen, die dadurch hervor-
gerufen wurden. Die Eingriffe bestanden in vorüber-
gehenden und dauernden Mitteln. Zu den ersteren gehörten
die vorbeugenden Maßnahmen zur Verhinderung von
Streiks sowie die unmittelbar eingreifenden Maßregeln
zur Beendigung von erfolgten Arbeitoniederlegungen. Das
dauernde Mittel der Streikabwehr war die Aufklärungs-
tätigkeit der Kriegsamtstelle, die sich auf politische und
wirtschaftliche Verhöältnisse erstreckte.
Eine weitere Aufgabe der Kriegoamtstelle war die Ver-
sorgung der im Heeresinteresse arbeitenden Betriebe der
Industrie und des Handels mit Arbeitskräften. Der Kriegs-
amtstelle war die Bearbeitung der Reklamationsgesuche der
mittelbaren und unmittelbaren Kriegsindustrie, soweit sie
Beurlaubungen, Entlassungen und Zurückstellung betrafen,
übertragen worden. Im besonderen wurden die Gesuche
folgender Industrie= und Berufszweige erledigt:
a)Metallindustrie,
b) Baugewerbe, Holzindustrie, Textilindustrie, chemi-
sche Fabriken, Nahrungemittelindustrie, Mühlen,
Zuckerfabriken, Papierindustrie und Schuhfabriken,
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J) Berg-, Gas-, Wasser-, Elektrizitätswerke und Trans-
portunternehmungen,
d) Banken, Versicherungogesellschaften und Handel= und
Gewerbetreibende, soweit sie im mittelbaren oder
unmittelbaren Heereointeresse arbeiteten,
e) Graphisches Gewerbe, Buchhandel und Zeitungen.
Infolge des starken Bedarfes des Feldheeres an kriegs-
verwendungsfähigen Mannschaften wurden durch Verfü-
gungen des Kriegsministeriums außcrordentliche Einberu-
fungen der zurückgestellten Militärpersonen angeordnet.
Diese Aufgabe, das sogenannte Auskämmverfahren, er-
ledigte die Kriegsamtstelle gemeinsam mit Abteilung la
des Generalkommandos. Der Kriegsamtstelle lag es ferner
ob, die durch das Hilfsdienstgesetz mobil gemachten Ar-
beitskräfte zu erfassen, um auf diese Weise den Betrieben
des Korpsbereiches bzw. den sonstigen Bedarfsstellen die
erforderlichen Arbeitskräfte zu verschaffen. Da trotzdem
die Kräfte des eigenen Korpsbezirks nicht auereichten, so“
war es Aufgabe der Kriegsamtsielle, für Ersatz von außer-
halb zu sorgen. Hierfür kamen hauptsächlich Belgier, Ost-
arbeiter und Polen in Betracht. Andererseits bestand im
Korpsbereich ein Uberschuß an weiblichen Arbeitskräften,
für dessen Vermittlung nach außerhalb die Kriegsamtstelle
bemüht war. Der Rechtsabteilung der Kriegsamtstelle lag
die Uberwachung der Durchführung des Gesetzes über den
vaterländischen Hilfsdienst nach der rechtlichen und ver-
waltungstechnischen Seite ob. Sie hat die sämtlichen Aus-
schüsse, die das Gesetz als Organ zur Verwirklichung der
Hilfsdienstpflicht vorsah, eingerichtet und hielt sie durch
Sorge für das Vorhandensein des nötigen Spruch= und
Unterpersonals dauernd arbeitsfähig. Diese der Kriegsamt-
stelle insoweit unterstellten Ausschüsse werenn
a) Der Fesistellungsausschuß Leipz
b) die vier Schlickungoausschüsse Geii, Zwickau,
Mauen und Leipzig
c) die zwölf Einberufungsausschüsse Annaberg, Auer-
bach, Borna, Chemnitz, Döbeln, Glauchau, Leipzig,
Mlauen, Nochlitz, Schneeberg, Wurzen und Zwickau.
Ferner überwachte die Kriegsamtstelle durch ihre Rechts-
abteilung das Vorhandensein der im Hilfsdienstgesetz ge-
forderten Arbeiter= und Angestelltenausschüsse, nachdem sie
die Zivilbehörden schon bei der Errichtung dieser Ausschüsse
unterstützt hatte. Endlich sorgte sie dadurch für die Durch-
führung des Hilfdienstgesetzes und der zu seiner Ausführung
erlassenen Verordnungen, daß sie den zu ihrer Kenntnis
kommenden Verstößen nachging und sie den zuständigen
Strafbehörden anzeigte.
Eine weitere Aufgabe bildeten die Freimachung der k.-#
Arbeiter für den Heeresdienst und die Beschaffung der er-
forderlichen Ersatzarbeitskräfte. Zur Erreichung dieses Zieles
erhielt die Kriegsamtstelle von sämtlichen Ersatztruppenteilen
im Bereiche des stellvertretenden Generalkommandos XIX in
kurzen Zwischenräumen Listen über alle dauernd a.-v. und
g.b. Heimat befundenen Militärpersonen. Nach Prüfung
wurden die geeigneten Mannschaften entweder direkt der
Industrie zugeführt oder es wurde ihre Unterbringung in
den von der Kriegsamtstelle errichteten Anlernwerkstätten
veranlaßt. Außerdem hatten die Direktionen sämtlicher La-
zarette wöchentliche Meldungen über diejenigen Kriegobeschä-
digten einzureichen, die in der Zwischenzeit untergebracht
worden waren oder deren Unterbringung von dort aus
nicht möglich war, damit die zweckmäßige Verwendung
dieser Personen überwacht werden konnte bzw. geeignete
Stellen nachgewiesen wurden.
Da trotz aller Maßnahmen nicht genügend männliche Ar-
beitskräfte zu beschaffen waren, andererseits viele weib-
liche Arbeitskräfte brach lagen, sah sich die Kriegsamt-
stelle zur Eingliederung von Frauen in die Arbeit veranlaßt.
Hierbei wurde darauf Rücksicht genommen, daß möglichst