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Eingreifen der Kriegsamtstelle in die militärisch-wirtschaft-
lichen Verhältnisse des Korpsbezirks nie eine Meinungs-
verschiedenheit zwischen Generalkommando und Kriegsamt-
stelle zutage treten. Die Anzahl der Offiziere und des
sonstigen militärischen Personalt überwog die Zahl der
Zivilbeschäftigten um ein bedeutendes, infolgedessen war der
ganze Befehlsapparat der Kriegsamtstelle rein militärisch,
wodurch eine straffe Durchführung der militärischen und
wirtschaftlichen Verordnungen erleichtert war. Gleich mit
der ersten Einteilung der Kriegoamtstelle erfolgte auch die
Organisation der sogenannten „Hilfsreferate“, welche im
Gegensatz zu der systematischen oder stofflichen Gliederung
eine örtliche Verteilung darstellte, den Korpsbezirk in An-
lehnung an die Bezirke der Kreishauptmannschaften in
vier Bezirke gliederte und an dem Hauptort eines jeden
Bezirkes je einen örtlichen Vertreter der Kriegsamtstelle
einsetzte. So entstanden die Hilfsreferate, später „Kreis-
referate“ Leipzig, Chemnitz, Zwickau und Plauen, welche
im Laufe der Zeit ein großes Arbeitsgebiet erhielten und
hohe Bedeutung gewannen. Während die Zurückstellungs-
abteilungen bei vielen Generalkommandos nicht in die
Kriegsamtstelle eingegliedert waren, sind bei dem hiesigen
Generalkommando die „„urückstellungen im kriegswirt-
schaftlichen Interesse“ dem Arbeitsgebiete der Kriegsamt-
stelle überlassen worden, was als eine sehr glückliche Maß-
nahme bezeichnet werden muß. Denn diese Zurückstellungen
hängen sowohl unmittelbar mit der Kriegslage als auch
direkt mit der Wirtschaftslage der Kriegsindustrie zusam-
men. Keine andere Stelle aber war so gut in der Lage,
die jeweiligen Verhältnisse so zu beurteilen wie die Kriegs-
amtstelle. Infolgedessen konnte hier am ehesten erreicht
werden, daß die widerstreitenden Interessen des Heeres
und der Kriegswirtschaft in Einklang gebracht wurden.
Da die Kriegsamtstelle durch ihre Kreisreferenten und
die Frauenarbeitsnebenstellen ihre Organisation bereits über
den ganzen Korpsbereich verbreitet hatte, war es eine
logische Folgerung, daß ihr vom stellvertretenden General=
kommando die Beobachtung und Bearbeitung der gesomten
innerpolitischen Verhältnisse übertragen wurden. Auf diese
Weise war es ermöglicht, die Kenntnisse der Verhältnisse
der Korpobezirks in hohem Grade zu erweitern und un-
verzüglich auf Grund dieser Ergebnisse die entsprechenden
Maßnahmen zu treffen. In der weiteren Verfolgung dieses
Zielis wurde der Kriegsamttstelle schließlich auch der Auf-
klärungsoffizier vom stellvertretenden Generalkommando
überwiesen, was zur Gründung einer eignen Aufklärungs-=
abteilung führte. Somit war die Kriegs amtstelle nicht nur
in der Lage, die Stimmung in Arbeiterkreisen kennenzu-
lernen, sondern sie konnte auch unmittelbar durch eine syste-
matische Aufklärungstätigkeit beeinflussend wirken.
Der hiesige Korpebezirk beherbergt auf verhältnismäßig
kleiner Bodenfläche große Menschenmengen. Deshalb war
es nur natürlich, daß gerade hier die Ernährungslage im
Kriege häufig zu wünschen übrig ließ und aus diesem
Beweggrunde Unruhen bei der Arbeiterschaft ausbrachen.
In den meisten Fällen war die Kriegsamtstelle jedoch durch
ihre Vertrauensorgane über die beabsichtigten Streiks orien-
tiert, so daß sie alle vorübergehenden Mittel, die im Gegen-
satz zu dem dauernden Streikabwehrmittel der Aufklärung
stehen, sofort anwenden konnte. Derartige Maßnahmen
bestanden hauptsächlich in Besprechungen mit den Arbeits-
gebern und Arbeitsnehmern zwecks Verhinderung von
Streiks, Vermittlung in Lohnangelegenheiten und Be-
mühungen um bessere Ernährungsverhältnisse. Bei schon
ausgebrechenen Streiks wurden zunächst ebenfalls Ver-
handlungen mit den Parteien gepflogen. Waren diese Be-
mühungen erfolglos, so wurden die zurückgestellten Arbeiter
umgehend eingezogen. Im äußersten Falle wurde die Mili-
tarisierung der Betriebe angedroht und schließlich ange-
ordnet. Die Maßnahmen zur Militarisierung der Betriebe
sind der Kriegsamtstelle ausdrücklich und ausschließlich vom
stellvertretenden Generalkommando übertragen worden.
Auch mit den Nachbarkorps wurden in allen übergreifenden
Fragen die nötigen Abmachungen getroffen.
4. Schluß
Nachdem mun diese Beschreibung der kriegswirtschaft-
lichen Organisationen, die allerdings sehr kurz gehalten
werden mmüßte, weshalb häufig nur die wesentlichsten Punkte
hervorgehoben werden konnten, beendet ist, wäre noch kurz
die Frage zu streifen, ob die getroffenen Maßnahmen
zweckmäßig gewesen sind. Nachdem der Krieg aus-
gebrochen war und unsere Friedensversuche zu keinem Er-
folge führten, blieb uns nichts anderes übrig, als mit
allen Mitteln einen glücklichen Ausgang des Waffenganges
zu erstreben. Leider kann jetzt nicht mit berechtigtem
Stolze gesagt werden daß durch die planmäßige Leitung
von Wirtschaftskräften, die vor dem Kriege nur ihren
eigenen Gesetzen folgten, ein gut Teil zum Siege bei-
getragen ist, aber es muß doch darauf hingewiesen werden,
daß die schließliche militärische Niederlage keine Folge
wirtschaftlichen Zusammenbruchs war. Freilich haben die-
jenigen ganz recht, welche sagen, daß wir den Krieg aus
wirtschaftlichen Gründen schon früher hätten aufgeben müs-
sen, wenn nicht alles kunstvoll geregelt worden wäre, und
daß wir dann jetzt nicht vor den geleerten Scheunen stän-
den. Aber brauchte denn das Völkerringen diesen Ausgang
zu nehmen? Ist denn jetzt alles gut, was früher schlecht
war? Ist dann in dem Sinne nicht jeder ein die All-
gemeinheit schädigender Kriegsverlängerer gewesen, der
Kriegsanleihe gezeichnet oder nur einen Schuß gegen unsere
Feinde abgefeuert hat?
Die Maßnahmen sowohl des Generalkommandos als
auch des Kriegsamtes sind häufig angegriffen worden,
auch von berufenen Vertretern des Handelsstandes.
Es ist verständlich, daß einem Kaufmann, der einen
großen Vorrat an Ware besaß und diese infolge be-
hördlicher Verfügung nicht zu jedwedem Preise verkaufen
durfte, die anordnende Behörde nicht allzu sympathisch
war. Aber das Kriegsamt hatte die Interessen der Gesamt-
beit zu vertreten. Der Fabrikant, welcher kriegswichtige
Gegenstände herstellte und auf Freigabeschein hin die be-
nötigten Materialien zu einigermaßen annehmbaren Preisen
beziehen konnte, wird wesentlich anders geurteilt haben als
sein Nachbar, dem die freie Verfügung über seltene und wich-
tige Waren entzogen wurde. Freilich soll nicht verkannt wer-
den, daß hier und da Anlaß zu Klagen vorhanden gewesen
sein mag. Aber den Grund ausschließlich oder zum großen
Teil bei den Behörden zu suchen, ist sehr kurzsichtig. Es
fehlte eben an Erfahrung zur Erledigung solch schwieriger
Aufgaben, wie sie uns die harte Kriegszeit mit ihrem
Mangel an Arbeitskräften und Material aufzwang. Die
Hauptursache für die Mißstände aber lag darin, daß es
in einem solchen Kriege überhaupt unmöglich ist, die vielen
komplizierten Vorgänge so zu leiten, daß alles reibungs-
los vonstatten geht. Kein Mensch, und sei es der größte
Organisator, wird eine solche Aufgabe zur völligen Zu-
friedenheit aller Beteiligten lösen können, zum mindesten
nicht in Kriegszeiten, in denen ein Warenhunger auf allen
Gebieten besteht und sich die Verhältnisse fast von Tag zu
Tag ändern. Was möglich war, ist von den bestehenden
Organisationen geleistet; es ist auch dafür gesorgt, daß
die Erfahrungen, welche auf wirtschaftlichem Gebiete ge-
macht worden sind, nicht verloren gehen. Hoffen wir, daß
das deutsche Volk sie wenigstens für kriegerische Zwecke
nicht zu verwerten braucht.
Dr. K. Sewering