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Zu diesem Beispiele füge ich ein anderes. Vor Verdun
war eine größere Feier, zu der 25 Divisionen eingeladen
waren, ihre Abordnungen zu entsenden, und viele Mit-
kämpfer der Verdunschlachten waren entsandt. Der preu-
Kßische Kronprinz, der Oberbefehlshaber General v. Gallwitz,
der kommandierende General de# XV. Armeekorps, sowie
mehrere Divisionskommandeure (auch zwei sächsische) wa-
ren zugegen. Es galt die feierliche Einweihung eines der
zahlreichen Kriegerfriedhöse und die ÜUbernahme eines statt-
lichen Denkmals, das ein feldgrauer Künstler ausgeführt
hatte. Auch der Oberbefehlshaber sprach und von franzö-
sischer Seite der zuständige Bürgermeister, der die Be-
schützung des Friedhofes und des Denkmals versprach. Von
deutscher Seite waren die zahlreichen Gräber der Fran-
zosen, auch einige von russischen Kriegsgefangenen mit der
gleichen Sorgfalt hergerichtet, wie die deutschen Gräber.
In die Feier dröhnte starkes Trommelfeuer. Der Erzähler
setzt seine bei dieser Einweihung gehaltene Ansprache zur
Veranschaulichung solcher Feiern und der Ausstattung von
Kriegerfriedhöfen hierher. Der Eigenart der ganzen Feier
entsprechend, ist Sprache und Ton der Ansprache getragener;
Feldpredigten werden einfacher, volkstümlicher, andringen-
der gehalten. Eine sächsische Regimentskapelle leitete die
Feier ein und beschloß sie.
Rede bei der Weihung des Kriegerfriedhofes in
La Mourière und seines Denkmals am 20. 9. 1917
Der Choral, der unsere Feier einleitete, ist der König
der Choräle genannt worden: „Wachet auf, ruft uns die
Stimme der Wächter sehr hoch von der Zinne“. Mögen
die Ewigkeitsklänge, die hell und stark aus diesem Choral
uns anwehen, möge der weltüberwindende Glaubenstrost,
der seine Töne verklärt, auf unsere Feier übergehen! Möge
diese Stunde in uns nachhallen wie der Schluß dieses
Chorals:
Gloria sei dir gesungen
mit Menschen= und mit Engelzungen,
mit Pauken und mit Cimbeln schön!
Von zwölf Perlen sind die Tore
an deiner Stadt, wir stehen im Chore
der Engel hoch um deinen Thron.
Kein Aug' hat je gespürt,
kein Ohr hat je gehört
solche Wonnel
Des jauchzen wir
und singen dir
das Hallelujah
für und für.
Aber noch ein anderer Choral umbraust uns seit Wochen
mit größter Stärke: Der Geschützkampf dort an der Front,
dieser tobende Orkan von Eisen und Tod. Nicht wahr,
dieser Trommelwirbel hat seine eigene eisenhaltige, furcht-
bare Musik? Wer aber in seiner Bibel lebt, hört aus diesen
dumpfen Wogen den alten Trutz= und Siegespsalm heraus:
Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich das Merr wü-
tete und wallete und von seinem Ungestüm die Berge ein-
fielen; dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben
mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höch-
sten sind; Gott ist bei ihr darinnen! Ob hochgetürmte
Seen, ob rollende Feuerwogen, sie sollen uns den 46. Psalm
in die Seelen hämmern!
Unter solchen Eindrücken sieht unsere ernste Feier. Sie
ist ein Werk des Friedens, des Glaubens, der Liebe, der
Dankbarkeit. Wir wollen heute diesen großen Krieger-
friedhof weihen und das eben fertiggestellte Denkmal feier-
lich seinem Zweck übergeben, das künstlerische Kameraden=
hand so würdig, markig und sinnvoll gestaltet hat. Wie
die Schwertwächter dort am Denkmal den Ehrenschild und
den Ehrenkranz hüten, so wollen wir, zumal alle diese
Abordnungen der Kampftruppen, das Andenken an die
toten Tapferen in Ehren halten.
Etwa 900 Gräber vereint biöher dieser Friedhof. In
seinen Reihen ruhen die Gebeine deutscher Krieger von
Elsaß-Lothringen bis an die Ostmarken, von der nieder-
deutschen Ostsee bis zu den bayerischen Bergen. Diese Toten
sind verschieden nach Alter und Beruf, nach Lebensstellung
und Lebensanschauung. Jünglinge und Familienväter —
aber sie alle sind mit dem Gelübde hinausgezogen: „Leb
Vaterland, magst ruhig sein“, und sie alle haben ihre
Treue bis zum Tode bewährt.
Bewegten Herzens gedenken ihrer Gefallenen zumal die
Vertreter der Korps, der Dwisionen und der Regimenter,
die hier schwere Blutarbeit zu bestehen hatten. Für diese
Truppe ist jede Erinnerung an die grausige Größe ihrer
Kämpfe so anschaulich, so seelenzwingend, daß ihr Herz
eben wieder stärker an die Rippen pocht, daß auch wohl
manche verheilte Wunde von neuem aufbricht.
Mit den Unseren vereint liegen auf diesem Friedhof
viele Krieger Frankreichs, auch eine Anzahl Russen; Freund
und Feind in denselben Reihen, mit denselben Ehren be-
stattet, die Gräber mit derselben Treue gepflegt. Wir ehren
die Toten der uns zu unserem Bedauern so feindseligen
Völker und bedenken, daß auch die feindlichen Krieger für
ihr Vaterland ihr Leben gelassen haben, daß die Anver-
wandten dieser Toten mit weinendem Herzeleid ihrer ge-
denken, daß wir vor demselben Gott leben und sterben.
Auch diese Toten ehrt unsere Feier, dieser Friedhof, dieses
Denkmal!
Doch nicht allein die hier Ruhenden umfaßt unsere Ge-
denkfeier. Unsere Seele spannt ihre Flügel und grüßt heute
vor Gottes Angesicht unsere Opfer alle, deren Hüllen wir
auf den Schlachtgefilden von Verdun und weiter, weiter
hinaus auf den Kampfgefilden wissen.
Wer von hier frontwärts marschiert, trifft zerstreute
Gräber in langer Kette, einzelne oder Sammelgräber, die
keine Namen tragen. Beim Vormarsch ist es zeitweise
nicht möglich gewesen, alle Toten alsbald so zu bestatten,
wie es die Liebe und die Sitte gebieten. Auch diese Grab-
stätten der Namenlosen grüßen wir heute und rufen das
Wort des Lebensfürsten über ihre Stätten und in den
Schmerz ihrer Hinterbliebenen: „Freuet euch, daß eure
Namen im Himmel geschrieben sind!“
Noch eines anderen Gräberfeldes gedenkt unsere Treue.
Vorne liegt es im zerwühlten, zerschossenen, mit Granat-
trichtern übersäeten Gelände. Wie haben wir dort die Leiber
von Helden bestatten müssen! Und dennoch sagen wir es
ihren Lieben mit getroster Zuversicht, daß selbst die Großen
der Erde in Fürstengrüften und Nuhmesstätten oder in ge-
weihten Domen nicht ehrenvoller bestattet liegen, als diese
Helden der Treue. Auch hier um Verdun kommt uns das
Wort des Neuen Testamentes in die Seele, mit dem die
Heilige Schrift die Blutzeugen des Glaubens ehrt: „Sie
wurden zerhackt, zerstochen, durchs Schwert getötet; sie
sind umhergegangen mit Mangel, mit Trübsal, mit Un-
gemach, deren die Welt nicht wert war, und sind im Elend
gegangen in den Wüsten, auf den Bergen und in den
Klüften und Löchern der Erde.“ Uber die Granatfelder mit
allen ihren Gräbern dringt Christi Wort: „Eine größere
Liebe hat niemand, denn die, daß er sein Leben lasse für
seine Freunde“ — und das andere Heilandswort: „Wer
mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen
ewiglich.“
Über alle diese Gräberfelder nah und fern, von diesem
Friedhofe an bis zu den Städten des heißesten Schlachten=
odems strecken wir heute die Hände aus — segnend,
dankend, fürbittend. Für diese Opfer der Treue ist kein