weg. So berichtet man mir in den Zelten, und jeder weiß
dazu etwas Besonderes zu erzählen. Da drin herrscht bis
in die späte Nacht „Großkampfstimmung“, immer aufs
neue wiederholt dort der junge Rekrut sein Erlebnis mit
dem ersten Tankangriff gegen unsere schwere Batterie und
dem Anlauf des Franzmannes dahinter und wie der dann
doch nicht vorwärts kam, und wie unsere Wenigen zum
Gegenstoß ansetzten und ihn dort wieder hinauswarfen,
wo er schon festen Fuß gefaßt batte. So geht das Er-
zählen, Fragen und Antworten ohne Unterbrechung fort,
immer neue Zugänge strömen herein in die großen Zelte.
Und immer wieder will einer wissen, wo der Fritz, der
Paul und alle die anderen von seiner Gruppe geblieben
sind und wie es zuletzt vorne ausgesehen hat, ob das
„Zeug“ noch heil zurückkam oder ob der Franzmann, „das
Gelumpe“ sich auf die andere Seite holte. Denn was be-
deuten dort vorn Habseligkeiten? Heute mir, morgen dir,
so denkt der Soldat von seinem Gut wie von seinem Leben.
Erst lange nach Mitternacht wird es still in den Zelten,
nur hier und da stöhnt einer unter seinen Wunden. Ich
reiche dem einen den Trinkbecher und glätte dem andern,
der mich noch immer mit weitoffenen, erregten Augen an-
blickt, die heiße Stirn. Dann gehe ich hinauf nach meinem
unterstand zwischen den dunklen Kiefern, über denen die
bellen Sterne stehen und unsichtbar die Flieger schnurren
und brummen. Mein Bursche hat das kleine Lämpchen
auf den rohen Brettertisch an die Wand gestellt und sorg-
sam mit Dachpappe Fenster und Tür abgeblendet, daß
kein verräterischer Lichtstreif feindlichen Fliegern den Weg
weist. Ich aber kann nicht schlafen, sondern ziehe draußen
an die Kiefern gelehnt mit meinen Gedanken durch all
den Jammer der Zeit und übers Sternenzelt hinauf zu
dem, der allen Jammer stillt. Um Mitternacht ist es vorne
still geworden, an der Front schweigen endlich die Geschütze;
einige Leuchtkugeln steigen noch in die Höhe und werfen
fahle Schimmer über die weiten Flächen.
Da trete ich in den schwarzen Schatten meines Unter-
standes zurück und taste mich nach meinem Lager. Einige
Stunden mag ich geschlafen haben, da klopft unser Ober-
arzt, der seit Mittag fast ununterbrochen am Operations-
tisch steht, an meine Tür: „Oberleutnant H. ist eben
schwerverwundet eingeliefert und hätte Sie gerne gespro-
chen.“ Ich fahre in meine Kleider und eile hinunter. Tief
erschüttert stehe ich an der Bahre im Operationsraum:
„Mein guter H., sind Sie's denn wirklich!“ Da liegt
der prächtige Offizier, mit dem ich manche Stunde frohen
Erlebens teilte, der mit seinem tiefernsten Gemüt mir
schon längst ein brüderlicher Freund geworden, mühsam
nach Atem ringend, mit schwerem Lungenschuß auf der
Bahre. Nur wenige tiefbewegte Worte darf ich mit ihm
tauschen, denn er ist in ernster Gefahr, und als ich dann
still mein Lager wieder aufsuche, gehe ich hin mit wehem
Herzen: Herrgott, muß es denn auch dieser sein? — Gott
sei Dank, er wird doch noch gerettet, und wenn er einst ge-
nesen, einmal diese Jeilen in die Hand bekommt, dann
sollen sie ihn grüßen und jene Großkampftage, die Stun-
den der Gottesnähe wieder in seiner Seele lebendig machen.
Auf dem Balkan
Von Okerpfarrer Harig in Meerane
Die Reise ging durch Serbien, Bulgarien, Mazedonien
und Nordgriechenland, zunächst mit der Bahn über Nisch,
durch das wildromantische Nischatal mit seinen zerklüf-
teten Bergen, Nußbaumwäldern, Weinbergen und Mais=
feldern, an Pirot, der bekannten Teppichweberstadt, vor-
über, über Dragoman, der zweithöchsten Station zwischen
Wien und Konstantinopel (750 Meter hoch), nach Sofia;
und dann mit Auto über den Rupelpaß, Dupnica, Dschu-
391
meia, durch die herrliche Cresnaschlucht mit ihren vielen
steilen, imposanten Serpentinen, unter einem eigenartigen
Konzert von tausend und abertausend Grillen und Zirpen,
an dem dort alles beherrschenden und die Täler bewässern-
den Strumaflusse mit seinem roten Wasser entlang, an
dem bistorischen Denkmal mit der Inschrift: „csche
und Bulgaren, in diesem Weltkriege zu erneuter Waffen-
brüderschaft vereint, nannten diesen Ort Auto-Palanka“,
weil hier früher die großen deutschen und bulgarischen Auto-
kolonnen standen, bevor die Kleinbahn fertig wurde, und
an einigen in sumpfigen nassen Niederungen gelegenen
Reisfeldern vorbei nach dem Hauptauartier der zweiten
bulgarischen Armee „Spedi-Vrac“. Hier befand sich auch
der Stab deutscher, der bulgarischen Armee zugeteilter Trup-
pen unter dem Kommando eines Pionierleutnants. Monate-
lang waren diese Truppen nicht von einem deutschen Geist-
Zwei Eeldgeistliche
linke ein kathollscher, — tegta n uener
elner der jüngsten — alteste sächsische
nausie
in Ueslüb 37 einem — Aug.,Sept. 1 lol
lichen besucht worden. Die Aufnahme im bulgarischen Ka-
sino und vor allem beim Kommandeur der deutschen Trup-
pen war äußerst gastfreundlich; und man bot uns bei der
großen Hitze jede mögliche Erleichterung und stellte uns —
ich reiste mit dem katholischen Etappenpfarrer zusammen —
für unsere dreitägige Predigtreise ein Auto mit einem sehr
zuverlässigen Führer. Und nun ging's an die Arbeit. Neun
Gottesdienste wurden abgehalten; in Svedi-Vrac; Marino=
polje, Neu-German, Demirhissar, Christos, Bagagenplatz
bei Demirhissar, Libunowo, Petric und Nonososelo oder
Jeni-Köh. Von da ging's über Strumitza nach Hudova
und von dort mit Bahn über Veles und Uesküb nach Vranje
zurück. Wir bamen auf dieser Reise bis hinunter nach
Seres (ca. sechzig Kilometer nördlich von Saloniki) bei
einer Temperatur von siebzig Grad Celsius in der Sonnel
Ülberall, wohin wir kamen, waren bereits Vorbereitungen
für die vorher telephonisch angemeldeten Gottesdienste in
würdiger Weise getroffen, die zumeist im Freien vor Altar
mit dem kriegerischen Schmuck der Gewehrpyramiden und
Trommeln abgehalten wurden. Einer von ihnen bei einer
rein sächsischen Formation in Marinopolge. Auf einem
von Gebirgshöhen umrahmten Hügel lag ein Fliegerabwehr-
zug, 27 Mann, lauter Sachsen, unter dem Kommando