Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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heftigstes Feuer in die zwischen den brennenden Häusern 
kämpfende sächsische Infanterie herüber. Zudem lebte der 
Feuerkampf auch weiter rückwärts wiederholt wieder auf, 
aus Büschen, aus Felsschrunden, von Bäumen und Garten- 
terrassen, wo die blindwütigen Zivilschützen, aus den bren- 
nenden Häusern geflüchtet, erneut den Kampf bis zum 
bitteren Ende, das wohl jeder voraussah, aufnahmen. 
Erst als Geschütze von beiden Feldartillerieregimentern 
der 32. Infanteriedivision mit unsäglicher Mühe an den 
Fluß herangebracht wurden und auf nächste Entfernung 
die Häuser des gegenüberliegenden Ufers eins nach dem 
anderen in Trümmer schossen, gelang es, die Pontons bis 
an den Fluß heranzubringen. Beim Feldartillerieregiment 28 
waren es insbesondere zwei Geschütze der 4. Batterie unter 
Hauptmann Verworner, beim Feldartillerieregiment 64 zu- 
nächst zwei, dann vier Geschütze der 3. Batterie unter 
Hauptmann Voigtländer-Tetzner. Bald folgte auch die 
1. Batterie Feldartillerieregiments 64. 
„8,25 Uhr vormittags erhielt ich,“ berichtet Hauptmann 
Voigtländer-Tetzner, „den Befehl, einen Zug meiner (3.) 
Batterie bis an den Steilhang der Maas heranzuführen, 
da aus der Kampfstellung des Regiments in den Orts- 
kampf von Leffe—Dinant nicht eingegriffen werden konnte. 
Ich holte den Zug selbst vor. Die Batterien lagen noch 
unter Feuer. Beim Herausziehen der Geschütze aus den 
Geschützständen wurde der Richtkanonier des zweiten Ge- 
schützes schwer verwundet. Im Galopp ging es wie auf 
dem Ererzierplatz die Waldschneisen entlang bis an das 
steile Maaoufer. Im Augenblick war abgeprotzt und im 
direkten Schuß sauste Granate auf Granate auf 600 m 
in die Häuser von Dinant, wo unsere Infanterie noch 
Widerstand fand. Das Zusammenarbeiten mit der Infan- 
terie war ausgezeichnet. Mehrfach kamen Meldegänger von 
vorn und bezeichneten die Häusergruppen, aus denen die 
angreifenden Kompagnien hauptsächlich Feuer bekamen und 
deren Zerstörung sie wünschten. Meist konnte der betref- 
fende Meldegänger gleich auf den Erfolg warten und seinem 
Bataillonsführer melden. Unsere Kanoniere waren mit 
Feuereifer bei der Sache, ein Haus nach dem andern sank 
in sich zusammen, die Besatzung, soweit sie nicht geflohen 
war, unter sich begrabend. Auch Park und Schloß Bouyet 
wurde auf Wunsch der Infanterie unter Feuer gehalten, 
da sie von dort her stark beschossen wurde. Es war ein 
Höllenlärm in dem engen Talkessel der Maas. Ich zog 
noch den 2. Zug meiner Batterie vor und setzte ihn rechts 
neben dem ersten ein. Wunderbarerweise bekamen die Ge- 
schütze am Steilhang kein Artilleriefeuer, desto mehr zogen 
sie aber das Infanteriefeuer vom anderen Ufer auf sich. 
Das pfiff und sauste uns dauernd um die Ohren und 
klatschte an die Schilde, so ging es stundenlang. Einige 
Verwundungen, meist schwere Beinschüsse traten ein. Im 
Laufe des Nachmittags kam ein Kompagnieführer der Mar- 
burger Jäger, die vor uns auf dem Hange lagen, Ober- 
leutnant d. N. Beutin, zu mir und forderte mich auf, 
eine feindliche Maschinengewehrbarrikade zu zerstören, die 
unserer Infanterie viel Abbruch tue. Ich konnte sie von 
unserer Stellung aus nicht sehen, sie lag im toten Winkel. 
Nach einigem Erkunden fanden wir eine Art Klippe auf 
halbem Hange, wo man zur Not ein Geschütz in Stellung 
bringen konnte. Es führte ein geradezu halsbrecherischer 
Fußpfad dorthin. Ich sagte aber selbstverständlich zu und 
tatsächlich gelang es einer Geschützbedienung unter Unter- 
offizier Szemeitat, unterstützt von den 11er Jägern, das 
Geschütz mit Langtauen auf der Klippe in Stellung zu 
bringen, obwohl die feindliche Infanterie das Vorbringen 
bemerkte und entsprechend beschoß. Nach dem sechsten Schuß 
flog die Barrikade auseinander, die Bedienung war schon 
vorher weggelaufen. Ein Hurra der Marburger Jäger be- 
gleitete den Erfolg. Allmählich ließ mit dem Vorschreiten 
unseres Infanterleangriffs das feindliche Feuer nach. Die 
Batterie beschoßf noch fliehende Franzosen auf dem west- 
lichen Ufer zwischen Dinant und Chestruvin.“ 
Nach sorgfältiger Vorbereitung gelang es der 2. Kom- 
pagnie des Pionierbataillons 12 in Leffe an der Schleuße 
6,45 Uhr abends die ersten Vortruppen überraschend über- 
zusetzen. Es waren dies die tapferen Kurhessischen 11. Jä- 
ger. Das erste Ponton bestiegen 13 Jäger mur mit Sturm- 
gepäck unter dem Leutnant von Seebach. Bereits nach 
einer halben Stunde war das ganze Bataillon übergesetzt. 
Seine Kompagnien erstiegen sofort den Berghang am jen- 
seitigen Ufer, nahmen noch 40 Franzosen gefangen, welche 
einen ganz entmutigten Eindruck machten, und bildeten 
dann oben auf der Höhe über Bouvignes den Brücken- 
schutz für die 32. Infanteriedivision. Die Nacht war un- 
gewöhnlich kalt, aber „ohne Zelte und Mäntel wärmte das 
stolze Gefühl des errungenen Sieges.“ (Tagebuch Jäger- 
Bataillon 11.) · 
Der Brückenschlag wurde von den Pionieren trotz feind- 
lichen Feuers unter erheblichen Schwierigkeiten so beschleu- 
nigt, daß noch während der Nacht der größte Teil der 
32. Infanteriedivision die Maas überschreiten konnte. 
Der Ortskampf in Dinant 
Noch schwieriger gestaltete sich der Maas#übergang bei 
der 23. Infanteriedivision. Dort fiel der 46. Infanterie 
brigade unter Generalmajor von Watzdorf, dem Schützen- 
regiment los und dem Infanterieregiment 182 die 
schwere Aufgabe zu, die Stadt Dinant von ihren Verteidi- 
gern zu säubern und den Flußübergang angesichts des am 
jenseitigen Ufer stark eingebauten Feindes zu erzwingen. 
Das I. Bataillon des Schützenregiments drang aus Nich- 
tung der Ferme Malaise in die Stadt ein, während sich 
das III. Bataillon auf der Felsterrasse der alten Feste, 
dem Siegesfeld der sächsischen Jäger am 15. August, ein- 
nistete und den Feuerkampf mit dem Feinde jenseits des 
Flusses aufnahm. Weiter links drangen die Kompagnien 
des Infanterieregiments 182 auf und beiderseits des viel- 
fach gewundenen engen Steiges vor, der aus Richtung 
von Herbuchenne durch eine jäh abstürzende waldige Schlucht 
hinab in die Stadt führt. Hie und da“, so erzählt Ober- 
leutnant d. R. Pache, der Spitzenführer beim Infanterie- 
Regiment 182, „stoßen wir noch auf Spuren von Pa- 
troulllenkämpfen, weggeworfene französische Tornister, fran- 
zösische und belgische Käppis usw. Eine lange Vorortstraße 
führt durch das enge Tal von Dinant. Bis hierher waren 
bereits die Jäger und Schützen vorgedrungen; die meisten 
Häuser dieses Vorortes sind Ruinen. Alles scheint wie 
ausgestorben, nur oben auf dem Plateau wütet der Ge- 
schützkampf. Die ersten noch wohlerhaltenen Häuser werden 
rasch erbrochen und flüchtig durchsucht. Als wir an den 
ersten, zusammenhängenden Häuserreihen der Stadt sind 
und einen Ausblick auf die Maas, das jenseitige Ufer und 
ein dort auf halber Höhe liegendes, großes, hotelähnliches 
Gebäude haben, erhalten wir plötzlich von drüben heftiges 
Gewehrfeuer. 
Eine kleine halbfertige Barrikade ist quer über die Straße 
gelegt, schnell lasse ich sie besetzen und erwidere das Feuer 
aufs Geradewohl in der Richtung des Hotels. Es ver- 
stummt bald und wir gehen weiter vor. Die Häuser sind alle 
verrammelt und verschlossen, alle Läden heruntergelassen, 
über Türen und Fenstern große, feste Bretterverschläge. Aus 
einer Gartenmauertreppe springt plötzlich ein Leutnant meines 
Regiments heraus, sein Zug ihm nach. Er ruft mir fröhlich 
zu, glühend von Kampfeseifer. Es ist sein letzter Gruß. 
Eine Stunde später fällt er im Häuserkampf. Jener 
Feuerüberfall ist das Signal gewesen zum Beginn einer 
tollen Schießerei. Von den jenseitigen Höhen pfeift es
	        
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