Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

398 
postbetrieb in seiner heutigen Form überhaupt nicht denkbar. 
Sie sind auch an Zahl den eigentlichen Feldpostanstalten 
überlegen. Gleichwohl waren diese Stellen, wie gesagt, im 
Volke nur wenig bekannt geworden, und alle Unzuläng- 
lichkeiten, die in ihrem Betriebe vorkamen und begründet 
waren, wurden der eigentlichen Feldpost zur Last gelegt. Die 
wichtigsten Dienststellen in der Heimat für den Feldpost- 
betrieb sind die Postsammelstellen, die für größere Landes- 
teile (Provinzen usw.) in bedeutenden Verkehrsmittel- 
punkten eingerichtet werden. Es wäre praktisch unmög- 
lich, wollte man jeder einzelnen Postanstalt in der Heimat 
überlassen, die bei ihr aufgelieferten Sendungen nach dem 
Heere selbst zu verteilen und an die Feldpostanstalten ab- 
zusenden. Das würde eine ungeheure Verzettelung und 
Verzögerung der ganzen Arbeit bedeuten, denn wir haben 
in diesem Kriege mit ungefähr 18 000 verschiedenen 
Truppenteilen zu rechnen gehabt. Uberdies würde dann 
von der aus militärischen Gründen unbedingt nötigen Ge- 
heimhaltung keine Rede mehr sein können. Endlich würde 
die Kopfstärke der einzelnen Feldpostanstalten auf das 
Vielfache bemessen, und ihre ganzen Einrichtungen wür- 
den sehr viel umfangreicher gestaltet werden müssen. Da- 
mit würden aber die Feldpostanstalten ihre Beweglichkeit 
einbüßen, ja geradezu ein Hindernis für die Kommando- 
behörden werden und jedenfalls nicht mehr bei den Stäben 
oder in der Nähe der kämpfenden Truppen untergebracht 
werden können. Die Einrichtung der Postsammelstellen, 
die sich bereits 1870 bewährt hat, ist also eine zwingende 
Notwendigkeit. Für das Königreich Sachsen war eine 
Sammelstelle in Leipzig eingerichtet; dort strömten aus 
dem ganzen Lande die Sendungen nach dem Felde zu- 
sammen. · 
Nun fragt der Leser, worin die Tätigkeit dieser Sam- 
melstellen denn eigentlich besteht. Dort sollen die Tag 
für Tag mit den vielen Postzügen eingehenden Brief- 
massen so verteilt werden, daß schließlich alle Sendungen 
für jede einzelne Feldpostanstalt in besonderen Beuteln 
vereinigt sind. Briefsendungen und Päckchen werden 
von vornherein getrennt behandelt. Es ist ganz un- 
mäöglich, die Briefe so, wie sie bei der Sammelstelle an- 
kommen, ohne weiteres nach 180000 verschiedenen Stellen 
zu verteilen. Ein Fachwerk, an dem ein Beamter Briefe 
verteilen kann, umfaßt höchstens etwa 200 Fächer; je 
weniger es sind, desto schneller geht die Arbeit von stat- 
ten. Es mußte also ein Verfahren gefunden werden, bei 
dem die Verteilung in eine Reihe von zweckmäßig inein- 
andergreifenden Einzelhandlungen zerlegt wird. Junächst 
gelangen alle Sendungen aus den ankommenden Beu- 
teln zur Grobsortierstelle. Dort werden sie nach Haupt- 
gruppen getrennt, wie Garde, Linien-Infanterie, Jäger 
und Schützen, Kavallerie, Artillerie, Ersatzformationen, 
Landsturm, Etappenformationen usw. Von der Grobsortier- 
stelle kommen die Briefe zu den Feinsortierstellen, bei denen 
sie nach Regimentern verteilt werden. Weiter folgt sodann 
eine Trennung nach aktiven, Reserve-, Landwehr-Regi- 
mentern und Ersatztruppen. Und zu guter Letzt werden die 
Sendungen für die Regimenter nach Bataillonen, Batte- 
rien, Eskadrons und Kolonnen getrennt, auch die Diensi- 
und Offizierobriefe aus den Mannschaftsbriefen ausge- 
sondert. Ist damit die Verteilung der Sendungen be- 
endet, dann werden sie zu Bunden zusammengeschnürt 
und diese einer besonderen Stelle, der Versackstelle, zuge- 
führt, bei der sie in die für jede einzelne Feldpostanstalt 
vorhandenen Beutel versackt werden. 
Wie groß wohl der Umfang dieser Briefpost war, möchte 
einer oder der andere der Leser wissen. Nun, große Sammel- 
stellen schickten etwa 50 O00 Bunde täglich ins Feld ab. 
Wenn daneben noch bemerkt wird, daß das Personal 
aller Sammelstellen von 3000 Köpfen Mitte August 1914 
bis Ende 1915 auf 14000 Köpfe angewachsen war und 
später noch höher gestiegen ist, uno daß beispielsweise die 
Sammelstelle Berlin den Betrieb am 3. August 1914 
mit 30 Beamten eröffnet hatte, am 30. Oktober 1914 
jedoch schon 1700 Mann beschäftigen mußte, so kann 
man sich eine Vorstellung davon machen, in welchem 
Umfange der Verkehr alle der Vergangenheit von 1870 
entnommenen Erwartungen übertraf, denn im Januar 
1871, zur Zeit stärksten Betriebes, hatte sich die Kopf- 
zahl der Berliner Sammelstelle nur auf 93 belaufen. 
Die fertigen Beutel erhalten nun bei der Sammessstelle 
auf der Beutelfahne die Bezeichnung des Leitpunktes und 
werden dann mit den Bahnposten — die Pickchenbeutel mit 
Eilgüterzügen — der Grenze zugeführt. In der Nähe 
der Grenze sind an Orten mit günstiger Bahnverbindung 
von und nach dem Felde sogenannte Leitpunkte für die 
einzelnen Armeen eingerichtet. Das sind die Orte, an 
denen von allen Sammelstellen des Reichs die gesamte 
Post für eine bestimmte Armee zusammenströmt. Die 
Leitpunkte müssen so gewählt werden, daß sie an der 
Etappenstraße der betreffenden Armee liegen. Bei ihnen 
werden dann die Postzüge für die Armee zusammen- 
gestellt und die Säcke in Güterwagen verladen. Solch 
ein Postzug für eine Armee, der täglich abgelassen wird, 
führt mitunter bis zu 20 Wagen mit sich. An dieser Stelle 
macht sich nun zuerst eine Mitwirkung der eigentlichen 
Feldpost bemerkbar. Der oberste Feldpostbeamte der Ar- 
mee, der Armee-Postdirektor, hat nämlich zu veranlassen, 
wie die Postzüge zu beladen sind. Die Wichtigkeit dieser 
Anordnung für einen glatten Betrieb ist klar: die Reihen- 
folge, in der die Wagen beladen und in den Zug ein- 
gestellt werden, muß so gewählt werden, daß unterwege 
bis zum Endpunkt des Postzuges die einzelnen Wagen ab- 
gehängt werden können, ohne daß auf den einzelnen Sta- 
tionen größere Verschiebungen nötig werden, und daß auf 
den Stationen das Auoladen selbst mit möglichster Schnellig- 
keit vor sich gehen kann. 
Die eigentliche Feldpost untersteht dem Reichs-Postamt. 
Der Leiter der Feldpost ist der Feld-Oberpostmeister, der 
seinen Sitz im Großen Hauptquartier hat. Im Welt- 
kriege hat diese Stellung der Ober-Postdirektor von Leipzig, 
Geheime Ober-Postrat Domizlaff, innegehabt, dessen Bild 
wir in Bd. l, S. 75 gebracht haben. Für den Bereich 
jeder Armee ist die Leitung der Feldpost einem Armee- 
Postdirebtor übertragen, dem gleichzeitig auch die postalische 
Versorgung für das Etappengebiet dieser Armee obliegt. Bei 
den Feldpostanstalten selbst ist zu unterscheiden zwischen den- 
jenigen, die an bestimmten Stellen des Etappengebiets für 
bodenständige Formationen (Besatzungstruppen, Lager, Re- 
krutendepots, Lazarette usw.) eingerichtet werden, und 
denen, die den Kommandobehörden (Armee-Oberkom= 
mando, Generalkommando, Division) zugeteilt sind. Diese 
Feldpostanstalten der Fronttruppen können nicht, wie wir 
es im Frieden gewöhnt sind, an einen festen Ort gebunden 
sein, sondern sie sind Formationen, die ihren Kommando- 
behörden angegliedert sind, mit ihnen marschieren und 
ihren Standort möglichst am jeweiligen Sitz der Kom- 
mandobehörde nehmen. Sie sind auch militärisch dem 
betreffenden Kommandeur unterstellt, während der Armee- 
Postdirektor und die Feldpoststationen des Etappengebiets 
dem Etappen-Inspekteur unterstehen. 
Die Beförderung und Zuführung der Post gestaltet sich 
natürlich ganz verschieden, je nachdem, ob sich das Heer 
im Bewegungs= oder im Stellungskriege befindet. In 
letzterem kann im allgemeinen die Postbeförderung nach 
einem ziemlich regelmäßigen Plan durchgeführt werden, 
da ja im weitesten Umfange die Eisenbahnen benutzt wer- 
den und diese, soweit irgend möglich, bestimmte Fahr- 
zeiten einhalten müssen. Ganz anders ist es im Be-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.