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Größere Störungen traten erst wieder auf, als im Sep-
tember 1915 die Herbstschlacht in der Champagne einsetzte.
Unser Korpsbereich wurde allerdings nur wenig unmittelbar
in die Kämpfe verwickelt. Der Feind versuchte aber doch,
überall die Verbindungen zu stören, und mit Erfolg. Be-
sonders wurde das Gelände des im Kriege neu entstandenen
Bahnhofes Neufchatel Süd unter Artilleriefeuer genommen
und im Verlauf der wochenlangen Beschießung die Eisen-
bahnbrücke über den Aisnekanal und die Aione zerstört,
so daß der Bahnverkehr mit Laon unterbunden war. Ferner
wurde der Bahnhof Bazancourt mit schweren Geschossen
belegt und konnte infolgedessen für unsere Verbindung mit
Trier weder als Durchgangsbahnhof noch als Auslade-
stelle mehr benutzt werden. Es blieb also nichts anderes
übrig, als die unmittelbare Versorgung des 12. A.-K. durch
den Postzug von Trier aufzuheben, und es mußte ver-
sucht werden, eine möglichst nahegelegene Bahnstation als
Ausladepunkt zu finden. Unsere nächste Station Menneville
konnte ebensowenig in Frage kommen wie das etwa 11 km
entfernte Amifontaine, denn beide Bahnhöfe lagen im
Feuerbereich, wurden zeitweise beschossen, und einen ge-
regelten Zugverkehr gab es bei Tage selbst bio Amifontaine
nicht. Montcornet lag mit Rücksicht auf die Notwendigkeit,
Kraftwagen zu sparen, zu weit. So blieb denn als bester
Ausweg der, die Feldexpedition der 23. J.-D. nach Bahnhof
St. Erme zu verlegen, wo auch das Proviantamt dieser
Division untergebracht war, und den Bahnhof St. Erme als
Umladestelle für die Feldpost des ganzen Korps zu benutzen.
Damit wurden die Fahrten der in St. Erme aufzustellenden
Kraftwagen auf das geringste Maß herabgedrückt. Die
Päckchenpost wurde zur Entlastung der Kraftwagen nicht auf
die eben angegebene Weise befördert, sondern nachts mit
Zügen auf der Strecke St. Erme —Bazanocurt nach Neuf-
chatel Süd angebracht, nachdem die zerstörte Brücke wieder-
bergestellt war.
Eine Zeitlang blieben die Verhältnisse beständig, wobei
natürlich je nach der Kampflage hin und wieder Postver-
zögerungen in Kauf genommen werden mußten, wenn die
Bahnlinien aus militärischen Erfordernissen anderweit stark
in Anspruch genommen waren. Vom Mai 1916 ab ließ es
sich ermöglichen, den Kraftwagenverkehr noch weiter ein-
zuschränken. Um diese Zeit war nämlich eine weiter rück-
wärte liegende Verbindungsbahn für die Lnien Laon—
Reims und Reimo—Rethel zwischen St. Erme und Le
Chatelet über Aefeld fertiggestellt worden. Nun wurde die
Post für das Feldpostamt und die Feldpostexpedition der
32. J.-D. von St. Erme in Güterwagen bis Bahnhof
Noberchamp Ferme an der Straße Neufchatel—Montcornet
weiterbefördert und von dort mit Pferdefuhrwerk abge-
holt. Ende Juni 1916 nahm der Feind die Beschießung der
Bahnanlage zwischen Guignicourt und Bazancourt wieder
auf. Dadurch wurde die nächtliche Postverbindung zwischen
St. Erme, Neufchatel und Bazancourt, wo die Feldpost der
dem Generalkommando unterstellten 47. L.-D. abholte, zeit-
weilig stark beeinträchtigt.
Im August 1916 wurde der erfolgversprechende Versuch
unternommen, zur Posibeförderung zwischen St. Erme—
Neufchatel und Bazancourt Schienenkraftwagen zu benutzen,
die vor den Eisenbahnzügen den Vorteil zu bieten schienen,
daß sie der feindlichen Beobachtung nicht so ausgesetzt waren
wie jene, und daß sie erheblich schneller fuhren. Leider
mußte der Versuch nach wenigen Tagen wieder eingestellt
werden, weil die Strecke teilweise unter Beschuß lag und
die Fahrten deshalb bei Tage nicht durchgeführt werden
konnten.
Wie glatt sich allmählich der Feldpostbetrieb eingelaufen
hatte, ist daraus zu ersehen, daß im Oktober los die
Beförderungsdauer für die Briefbeutel aus Berlin 2, 1,
aus Leipzig 2,)9 Tage im Durchschnitt betrug. Dieser
günstige Zustand ist im wesentlichen unverändert ge-
blieben. Anfang September 1916 wurde das General-
kommando für kurze Zeit in das Gebiet der Sommeschlacht
verlegt, um sodann einen Abschnitt vor Verdun zu über-
nehmen. Wesentliche Veränderungen im Posiverkehr waren
damit nicht verbunden. Natürlich machte sich von Zeit
zu Zeit immer wieder eine Beeinträchtigung der Post-
verbindungen dadurch fühlbar, daß die Bahnlinien in stär-
kerem Umfange durch militärische Züge belastet wurden,
hinter denen der regelmäßige Zugverkehr zurückstehen mußte.
Anfang November 1916 siedelte das Generalkommando
in die uns schon vom Vormarsch her bebkannte Lause-
champagne über. Das Feldpostamt war dort in der Haupt-
sache darauf angewiesen, zur Postbeförderung die Bahn-
höfe Betheniville und Machault zu benutzen. Ersterer schied
freilich seit dem Frühjahrsangriff der Franzosen im April
1917 aus, weil er vom Feinde beschossen wurde und Betheni-
ville seitdem im Bereich des feindlichen Feuers verblieb.
Das Generalkommando lag im abgelegensten Winkel der
Champagne. Infolgedessen war auch die Bahnverbindung
nicht besonders gut, und die Beförderungodauer für die
Feldpost gestaltete sich etwas ungünstiger als früher. Da-
zu kam noch, daß der Zugverkehr im besetzten Gebiet aus
militärischen und betriebstechnischen Gründen zum Teil
verringert und verlangsamt werden mußte. Immerhin ließ
sich doch im großen ganzen die gewohnte Regelmäßig-
keit der Verbindungen aufrecht erhalten.
In jene Zeit fiel endlich noch die Umbenennung der
Feldpostanstalten. Um die Zusammensetzung und den Um-
fang unserer Heereskörper möglichst zu verschleiern, wur-
den Anfang 1917 die bisherigen Bezeichnungen der Feld-
postanstalten nach Armeekorps und Divisionen aufgehoben.
Statt dessen erhielten die Feldpostanstalten Nummern,
z. B. Feldpostamt Nr. 770 oder Feldposterpedition Nr. 363.
Da den Truppenteilen rechtzeitig aufgegeben wurde, die
Mannschaften über die Anderung ihrer Postanschrift an-
zuweisen, ging die Umbenenmung vor sich, ohne irgendwie
zu Unzuträglichkeiten Anlaß zu geben.
Im Stellungskriege hat sich die Tätigkeit der Feldpost
nicht auf den reinen Postdienst beschränkt. Auch wirtschaft-
liche Arbeiten wurden, sofern sich Gelegenheit dazu bot
und Zeit vorhanden war, mit Eifer in Angriff genommen.
Leider war das in größerem Umfange nur möglich, so-
lange das 12. A.-K. in der ersten Hälfte des Krieges im
Aisnewinkel lag. Damals waren die Fahrzeiten der Post-
züge so, daß ein Teil der Vormittagsstunden auf wirt-
schaftliche Arbeiten verwendet werden konnte. So wurde
denn versucht, für den eigenen Bedarf Gemüse und Kar-
toffeln zu erbauen und Heu zu gewinnen. Bedauerlicher=
weise konnten die Früchte dieser Arbeit dem eigenen Be-
triebe nicht zugute kommen, denn vor der Ernte wurde
das Generalkommando verlegt. So blieb denn das ganze
Gemüse zurück, ebenso etwa 250 Zentner Heu, die in
wochenlanger Arbeit mühsam eingebracht waren, und gegen
50 Zentner Laubheu.
Solange die Verpflegung reichlich war und es genug
Abfälle gab, bestand ein lebhafter Anreiz, diese zur Auf-
zucht von Vieh zu verwenden. Fast regelmäßig konnten
beim Feldpostamt bis zum Herbst 1916 zwei Schweine
gefüttert werden; außerdem hielt sich das Personal Hüh-
ner und Kaninchen, solange es irgend möglich war.
Die Feldpost und die Kritik
In den ersten Monaten des Krieges stand die Feldpost
in einem ganz üblen Ruf. Mit dem Aurücken aus der
Heimat schien für das Feldheer jede Verbindung mit den
Angehörigen zu Hause abgeschnitten. Wochen vergingen,
bis die Truppen Post bekamen, und dann waren die Briefe