Tätigkeit der Sängergruppe seit 1914 ausgezeichnet zu
nennen. Wir wissen keine Vereinigung höherer Schüler,
die damit in Wettbewerb treten könnte. Nach der Übersicht,
die nur bis März 1917 vorliegt, wurden von ihr aus-
gerichtet: Kriegsabende, Künstlerabende, ernste Abende, bei
denen Gesänge, Gedichte, Musikstücke, Lichtbilder und Vor-
träge geboten wurden. — Lazarettbesuche mit Aufführungen
Wanderfahrten — Christspielaufführungen und Weih-
nachtsfesispiele — Hans-Sachs-Aufführungen — Besichti-
gungen usw. Auch der Turnverein verzeichnet eine eifrige
und erfreuliche Tätigkeit.
Diese Art der Jugendpflege an der Fortbildungsschule
ist im allgemeinen selten und wird von vielen nicht gern
gesehen, weil man befürchtet, daß sie den bestehenden
allgemeinen Sänger-, Turner-, Stenographenvereinen Ab-
bruch tun. Aber eo ist nicht zu verkennen, daß dem Schüler
der Schulkreis näher liegt als die Vereinokreise.
Die Wehrübung oder doch ein Teil derselben, der Turn-
unterricht, ist vielfach zwangsmäßig in die Fortbildungs-
schule aufgenommen worden, mancherorts so, daß er am
Abend im Turnverein unter Aufsicht und mit Unterstützung
der Schule gehalten wird. Querköpfige, die nie aussterben
werden, haben die Berechtigung zu dieser Regelung ge-
richtlich angefochten. Sie sind unterlegen. Ende 1914
hatt: Sachsen in rund 300 Fortbildungsschulen Turnunter-
richt, davon die Hälfte durch Vermittelung von Turn-
vereinen. Eine neuere Statistik fehlt. Wahrscheinlich würde
sie zufolge der Kriegoschwierigkeiten eher niedriger als höher
sein. Die meisten Freunde der Wehrübung sehen in der
Einführung des verbindlichen Turnens in der Fortbildungs-
schule den nächsten erstrebenswerten Schritt.
Wehrübungen in militärischer Art
Die neuen Aufgaben, die den Vereinen für Leibesübungen
durch den Krieg entstanden waren, wurden nicht überall
mit dem Eifer und der Begeisterung in Angriff genommen,
die erwünscht gewesen wären. Es ist eine alte Erfahrung,
daß Vereine die Gedanken, die in ihnen selbst erwachen,
mit erstaunlicher Kraft ins Werk setzen, daß sie aber einer
Neuerung von außen her nur schwer zugänglich sind. Das
zeigte sich auch hier wieder. Den Turnvereinen wäre es
durch rasches Zugreifen möglich gewesen, ein gut Teil vom
Erbe Jahns, das ihnen verloren gegangen war, zurückzu-
gewinnen. Was im Bewußtsein des Volkes und selbst der
Regierungen allmählich erloschen war, das leuchtete wieder
bell empor: der enge Zusammenhang zwischen Leibesübung
und Vaterlandoverteidigung. Aber statt zu führen, ließen
sich die Turnvereine schieben. Ein Teil der Schuld ist dem
Umstande beizumessen, daß die Wehrübung, besonders die
in Preußen, mit militärischem Anstrich, mit Parademarsch,
Ehrenerweisung, Felddiensten und Uniform daherbamen.
Und mit der Jugendwehr in militärischer Art hatte die
Turnerei in ihrer hundertjährigen Geschichte wiederholt
schlechte Erfahrungen gemacht. So hatte unter den Ideen
der Achtundvierziger auch die des Milizwesens gespukt.
Die stehenden Heere sollten durch allgemeine Volköbewaff-
nung und militärische Jugendausbildung ersetzt werden.
Bis 1859 hatte man sich heftig um die Idee gestritten.
Da wurde der deutsche Nationalverein gegründet, Umge-
staltung der Turnvereine in Jugendwehren wurde gefordert,
Wehrzeitungen erschienen, Wehrbücher wurden heraugge-
geben, große gemeinsame Felddienste wurden abgehalten.
Und doch! Nach wenigen Jahren war die ganze große Be-
wegung völlig eingeschlafen. Nichts Bleibendes hatte sie
hinterlassen. Ahnliches mochten viele jetzt in der neuen An-
gelegenheit sehen.
Um so eifriger und kräftiger wurde die neue Aufgabe von
Männern erfaßt, die seither sich an der Leibesschulung der
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Jugend nicht oder nur wenig beteiligt hatten. Der Auf-
ruf der Regierung war ja nicht nur an die bestehenden
Vereine ergangen, sondern an alle, die helfen wollten und
helfen konnten. Die neuen Männer durften sich auch be-
fähigt halten für das neue Werk. Hatten sie doch den
Militärdienst und die Ausbildung der Rekruten am eigenen
Leibe kennen gelernt, viele bekleideten hervorgehobene Stel-
len beim Heer. So sahen sie in einer militärischen Vor-
schule die richtige Heereodienstvorbereitung und riefen nun
für diese neue Organisationen ins Leben.
In Dresden und Leipzig entstand der Jugendbund. Ahn-
liche Jugendwehren wurden in Pirna, Niedersedlitz,
Klotzsche, Kesselsdorf, Meißen, Bautzen, Freiberg, Groß-
bothen, Chemnitz, Lengenfeld und Rothenkirchen gegründet.
Durch Umgestaltung der älteren blau-weissen Union hatte
sich in Dresden der Jungsturm gebildet. Diese Vereine
schlossen sich im Oktober l9#16 zum Verband sächsischer
Jugendwehren zusammen; Sohland a. d. Spree trat spä-
ter bei.
Im Vogtland hatte sich eine zweite Gruppe von Jugend-
wehren gebildet. Ihr Vorort ist Adorf i. V.
Dresdner Jugendbund (Gelddienst)
Unvermeidlich war es, daß zwischen den Neugründungen
und den alten Verbänden für Leibesübung Reibungen ent-
standen. Hatten doch letztere manche Einbuße an Jung-
mannen, die zu den neuen Fahnen hinüberliefen, zu ver-
zeichnen. Aber die Jugendwehr hat auch Tausende von
Jünglingen gewonnen, die sich seither um leibliche Er-
tüchtigung nicht gekümmert hatten. Die Spannung zwischen
dem Alten und Neuen führte hier und dort zu kleinen
Pressefehden, die aber im allgemeinen sachlich geführt wur-
den. Darum wirkten sie Gutes. Die alten Verbände wur-
den aufgerüttelt zu regerer Tätigkeit und die neuen arbei-
teten um so eifriger. Was die letzteren gearbeitet und ge-
schafft haben, kann als vorbildlich gelten. Wir werden
in einem besonderen Aufsatz über den Dresdner Jugendbund
dafür ein Beispiel geben.
Im Gegensatz zu den höheren Schulen, wo die Wehrübung
verbindlich war, konnten die Jugendwehren nur mit der
freiwilligen Beteiligung der Jungmannen rechnen. Diese
Freiwilligkeit hat sich in ganz Deutschland als ungenügend
erwiesen. Dazu kamen die wiederholt erwähnten Erschwe-
rungen und Hindernisse der Kriegsverhältnisse, so daß die
Jugendwehren stark zurückgehen mußten. Vielleicht spielte
dabei auch der Umstand eine Rolle, daß bei der Jugend die
Freude an militärischen Ubungen mit dem schwindenden
Reiz der Neuheit stärker nachläßt als das Vergnügen an
freien Leibecübungen wie Turnen, Schwimmen, Wandern,