Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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Der Dresdner Jugendbund bei den Weitkämpfen im Wehrtu 
(Hindernisbahn) 
Die Wehrvorbereitung und die ereine 
Wir haben biöher die Jugendpflege und die Wehrvorbe- 
reitung mehr im allgemeinen, besonders die Maßnahmen 
der Regierung und Behörden kennen gelernt. Nunmehr 
können wir auf die Einzelheiten des Betriebs, soweit das 
nötig ist, näher eingehen. 
Was unsere heutige Jugendpflege angestrebt, ist nicht 
völlig neu. Wir haben gehört, daß Friedrich Ludwig Jahn 
mit seinem Turnen daoselbe gewollt hat, und so gilt: 
„Auf Jahn zurückgehen heißt Vorwärtoschreiten.“ Mit 
dem Turnen wollte er tüchtige Vaterlandsverteidiger und 
rechte Staatsbürger erziehen, nicht bloße Leibeskünstler, die 
er alo „Faselhänse“ und „Künstemacher“ verspottete. 
Schon die Bezeichnung „Turner“ sollte das ausdrücken. 
Er hat sie von Mannhold von Sittewald entnommen. Dort 
bedeutet sie einen „jungen Soldaten, einen tummelhaften 
wackeren Kerl, einen frischen jungen Gesell, der sich in 
ritterlichen Taten übete“. Noch klarer geht es hervor aus 
den prächtigen Sätzen, die Jahn über den „Geist der Turn- 
gesetze“ in seine Deutsche Turnkunst aufgenommen hat. 
Die Aufgaben der neuen Jugendpflege sind darin schon 
vortrefflich dargelegt. 
Darum stehen Turnunterricht und Turnvereine unter den 
Förderern der Jugendpflege an erster Stelle, aber nur dann, 
wenn der Geist Jahns in ihnen wieder lebendig wird, wie 
das erfreulicherweise vielfach der Fall ist. Man hatte sich 
allerdings von Jahn entfernt, hatte die geistig-moralische 
Einwirkung der Leibesübung auf die Jugend nur nebensäch- 
lich behandelt und sogar den körperlichen Anteil des Tur- 
nens umgestaltet. Der Turnwater hatte die allseitige 
Leibesübung eingeführt. Fechten, Schwimmen, Ningen, 
Reiten, Tanzen usw. rechnete er dazu. Sein Turnen wurde 
draußen im Walde abgehalten. Die Angliederung des Tur- 
neno an den Schulunterricht brachte es mit sich, daß es sich 
auf einen „Turnfleck in der Stadt“ zurückzog und daß 
ein Turnen im engeren Sinne entstand, das nur noch die 
Ubungen betreibt, die sich in der Halle und auf dem Turn- 
platz ohne besondere Vorkebrungen vornehmen lassen. Die 
Turnvereine sind durch den Betrieb in den Abendstunden 
in der gleichen Richtung gefolgt. So geht das Streben der 
neuen Jugendpflege dahin, wieder auf das Turnen im 
weiteren, im Jahnschen Sinne, zurückzugreifen. 
Den stärksten Anteil unter den Turnern stellen in Sachsen 
wie in Deutsehland überhaupt die Vereine der Deutschen 
Turnerschaft, die wir in einem besonderen Abschnitt be- 
sprechen werden. Bis zum Kriegsbeginn standen in schar- 
afeem Gegensatz zu ihnen die Vereine der freien (sozialdemo- 
  
kratischen) Turner. Diesen waren bis dahin 
die Hallen und Plätze des Staateo und der 
Gemeinden im allgemeinen verschlossen. Sie 
sind ihnen aber geöffnet worden, al# man 
sah, daß auch die Sozialdemokratie das 
Vaterland und seine Verteidigung über den 
Klassenkampf und die Parteidoktrin stellt. 
Am längsten waren Schwimmen und 
Fechten mit dem Turnen vereinigt ge- 
wesen. Es galt früher als selbstverständ- 
lich, daß sich ein Turner auch darin übte. 
Allmählich entstanden aber in den Turn- 
vereinen gesonderte Abteilungen für diese 
Leibesübungen, die dann auch von be- 
sonderen Vereinen aufgenommen wurden. 
haben wir in Sachsen zahlreiche 
Schwimmvereine, die den Kreis VII des 
Deutschen Schwimmverbandes bilden. Ganz 
besonders hat sich der Dreodner Turn- 
lehrerverein des Jugendschwimmens ange- 
nommen. Seit 20 Jahren bildet er, durch 
Geldmittel von der Stadtgemeinde unterstützt, alljährlich 
800 Knaben und soo Mädchen der Bezirksschulen im 
Schwimmen auc. In mehreren Stunden werden die 
Schwimmbewegungen auf dem Lande eingeübt. Das ist 
das sogenannte Trockenschwimmen, dem dann in den Som- 
merferien bas Schwimmen in den städtischen Elbbädern 
folgt. Wir werden eine solche Schwimmstunde später dar- 
stellen. Um die Einrichtung wie über die Methode des 
Jugendschwimmens überhaupt hat sich Oberlehrer Mar 
Klähr große Verdienste erworben. 
Das Rudern wird in Sachsen von 16 Nudervereinen 
betrieben, die den Sächsischen Regatta-Verein, Vorjitzender 
Kurt Wendschuh-Dresden, bilden. Von den Rudervereinen 
haben mehrere auch Schülerabteilungen. 
Je mehr sich das Turnen in die Hallen zurückgezogen 
hatte, desto lauter wurde der Ruf nach Leibesübung im 
Freien. Es entstanden Vereine für Rasensport, häufig mit 
dem entsetzlichen Namen „Leichtathletik“ bezeichnet. Ihre 
Hauptbetätigung liegt im Betrieb des Fußballspiels. 
Auch das Wandern hat sich alo selbständige Leibegübung 
entwickelt. Wir haben neben den älteren Gebirgs= und 
Touristenvereinen ben Wandervogel und andere Jugend- 
wandervereine. 
Die geistige und sittliche Einwirkung der mit Leibes- 
übung verbundenen Jugendpflege hebt die Pfadfinderorgani- 
sation wieder stärker hervor, die bei uns den Landesverband 
Sachsen des Deutschen Pfadfinderbundes bildet. 
Er zählte bei Kriegsbeginn 46 Korps mit 300 Führern 
und 7000 Pfadfindern. Die Jahl der Korps hat sich er- 
halten, aber die Zahl der Führer ist auf 78, die der Pfad- 
finder auf 2000 zurückgegangen. 
Ubungen der Neuzeit sind Nadfahren und Schneelauf. 
Sie haben sich bereits stark verbreitet. Jenes wird im 
Deutschen Radfahrerbunde betrieben, der in Sachsen seine 
Gaue 21b Dreoden und 21c Chemnit errichtet hat. Dar 
neben besteht selbständig der Sächsische Radfahrerbund. 
Den Schneelauf fördert der Skiverband Sachsen. 
Einen großen Anteil an der Ertüchtigung unserer Jugend 
hat die kirchliche Jugendpflege. Sie richtete sich 
naturgemäß zunächst auf Charakter= und geistig-religiöse 
Auobildung. Aber schon vor dem Kriege hatten die meisten 
Vereine auch Turnen, Wandern, Spiel und Sport mit ihren 
jungen Leuten betrieben. 
Auf protestantischer Seite arbeitet der Bund der evan- 
gelisch-lutherischen Männer= und Jünglingsvereine in 
Sachsen. Er zählte 1916 303 Vereine mit 16 800 Mit- 
gliedern, von denen 9120 unter 17 Jahren, 4838 ältere 
Jugendliche waren. Neben zahlreichen Sänger-, Bläser- 
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