Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

zum vollen Erfolge gebracht werden. Eins jedoch ist allen 
sicher: sie haben die Ferien für ihre Gesundheit und 
körperliche Ausbildung gut ausgenützt und eine gründliche 
Erholung durch Arbeit im Gewande jugendlicher Freude 
genießen können. P. Züllchner. 
Ein Pfadfinderübungstag 
Sonnabend Mittag: Der Feldmeister blättert in den 
Ubungoplänen und stiellt zusammen, welche Züge er heute 
besuchen kann. In schmerzlicher Erinnerung denkt er an 
schöne Friedenszeiten, als noch ein jeder Zug seinen be- 
geisterten Führer hatte. JFetzt stehen die Feldmeister vor 
dem Feinde. Zwar sprangen junge 17= und 18 jährige 
Kornetts in die Bresche und führen mit treuer Hingabe 
ihre Züge, in denen sie groß geworden, junge Leute mit 
gutem Können und bestem Willen, freilich aber noch zu 
jung, als daß sie den Geist der Pfadfinderarbeit, den Geist 
eines Major Beyer 
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Betonen der Hauptsachen, ein paar Merkworte, ein klares 
Beispiel! Gelegenheit zum llben bietet das Geländespiel, 
das nun als Hauptteil der heutigen Ubung beginnen soll. 
Der Feldmeister aber muß weiter. „Lassen Sie nicht zu 
spät wegtreten, daß alle rechtzeitig zum Essen zu Hause 
sind! Gut Pfad!“ — Der nächste Zug ist bald entdeckt, 
um so leichter, als er gerade Pfeifsignale abgibt. Zwang- 
los liegen die Jungen im Grase und schreiben nach, was 
ihnen in Morsezeichen vorgepfiffen wird. Noch können 
das nicht alle, aber die Kornetts, die prüfend hinter ihren 
Gruppen stehen, werden es den „Neuen“ schon noch bei- 
bringen. „Nicht stören lassen, weiterüben!“ — Doch bald 
ist die Ubung, die naturgemäß nicht zu lange ausgedehnt 
werden darf, beendet. Während der Zug eine Pause macht, 
melden sich zwei 15 jährige zur Kornettprüfung. Der Füh- 
rer sieht uns fragend an: „Wollen Sie mal zuhören?“ 
Gern sind wir dazu bereit. Und nun beginnt ein recht 
gründlicher Streifzug durch alle Gebiete der Padfinder- 
ausbildung: Kno- 
  
und v. Heygen- 
dorff ganz erfaßt 
haben könnten. 
Daß dieser Geist 
erhalten bloeibt, ist 
die Hauptsorge des 
Feldmeisters. Er 
möchte übcrall sein 
und nachdem Rech- 
ten sehen. Jeden 
Sonnabend be- 
sucht er einige Zü- 
ge, beobachtet Füh- 
rer und Geführte, 
ermuntert den, der 
ihm aufgutem Weg 
scheint, warnt den, 
derin jugendlichem 
Eifer übers Ziel 
hinausschicßt, prüft 
Ausbildungsstand 
und Geist seiner 
Padfinder. 
u. Begleiten wir 
ihn heute einmal 
auf seinem Gange, 
um zu sehen, was die Pfadfinder treiben und ob es etwas 
Rechtes ist: Wir fahren an die Grenze der Stadt, oft 
gegrüßt von kleinen Trupps von Pfadfindern in chrer 
schmucklosen, aber zweckmäßigen Tracht. Punkt 3 Uhr sind 
wir beim 1. Zug. „1. Zug mit 3 Kornetts, 4 Hilfskor- 
netts, 40 Mann und s Gösten steht!“ meldet der Führer. 
„Gut Pfad! Was haben Sie heute vor?“ — inken, 
Eilbotenlauf, Geländespiel!“ — „„Ich gehe mit!! Rücken 
Sie ab!“ Das Ubungsgelände ist bald erreicht, das Win- 
ken beginnt: Hier die Anfänger, die Winkerstellung und 
Alphabet lernen; dort die „alten Leute“; ein Kornett winkt 
einen Heereöbericht, die anderen lesen ab. Der Führer 
ist zufrieden, ein Pfeifsignal, und in guter Ordnung stehen 
die Jungen vor ihm. „Ausweisbücher, Nähzeug, Bleistift 
raus!“ Solche kleine Proben auf die Ordnungsliebe nimmt 
der Feldmeister oft vor. Er ist sonst ein scharfer Gegner 
verfrühter Vermilitarisierung der Jugend, die erzieherische 
Bedeutung aber solch einer unvermuteten „Durchsicht“ 
bennt er, der selbst Soldat war, sehr wohl. — „Hilfskornett 
S., üben Sie mit den Pfadfindern Eilbotenlauf, Kornetts 
und Hilfskornetts zu mir!“ Und während die Jungen im 
Spiel Lunge, Muskeln und Willen schulen, unterweist der 
Oberfeldmeister die älteren im Meldewesen. Keine öde 
Instruktion, die gibt's bei den Pfadfindern nicht. Scharfes 
Gachsen in großer Jelt. Bd. 11 
  
Wettlämpfe der Vogtländer (Bez. Auerbach). 
tenbinden, Karten- 
lesen, 1. Hilfe, Spu- 
renlesen, Skizzie= 
ren, Grländcbe- 
schreibung, Ziel- 
suchen und vieles 
andere. 
Wir, in derer Ju- 
gend es noch keine 
Pfadfinderei gab, 
geraten in ciniges 
Erstaunen, was die 
Jungen in plan- 
mäßiger Arbeit und 
doch eigentlich spie- 
lend alles gelernt 
haben. Noch aber 
steht ihnen bas Ge- 
fürchtetste bevor: 
eine kleine „Lehr- 
probe. Die acht 
Jüngsten sindin die 
Kunstdes Orientie- 
rens einzuführen. 
Erstetwas stockend, 
dann aber immer 
sicherer erzählt ihnen der s-jährige Kamerad von der 
Wetterseite der Bäume, dem Bau der Kirche, vom Polar= 
stern und Orion, von Kompaßoflanzen und Forst- 
einteilung. Wir gewinnen das Gefühl: Wenn das alles 
auch praktisch geübt ist, dann tragen die Pfadfinder ihren 
Namen mit Recht. Auch der Führer ist zufrieden, die 
beiden haben genug gewußt. Ein kräftiger Hanbschlag ver- 
pflichtet sie vor dem Zuge, der bei solcher Gelegenheit auch 
einmal stillstehen muß, zu Kornetts. Fortan tragen sie 
am rechten Oberarm den silbernen Winkel. . „„Ich wollte 
nun Waldbarlauf spielen lassen!“ sagte der Kornett zum 
Feldmeister. „Recht so, ein feines Spiel, bei dem alles 
mögliche geübt wird: Laufen, Sehen, Anschleichen, Decken, 
schnelles Erfassen der Lage, rascher Entschluß. Leider kann 
ich nicht bei Ihnen bleiben. Haben Sie nicht den Zug W. 
oder S. gesehen?“ Alles bemüht sich, etwas zu erspähen, 
ein kleiner helläugiger Kerl ruft als erster strahlend: 
„Dort, rechts von den drei Kiefern, in den Birken sind 
„welche'!“ Richtig, überall kriecht und klettert es in dem 
Geäst. Bald sind wir dort, der Kornett meldet „sehr von 
oben herab“: Zug W. beim Klettern!“ Nur zwei be- 
teiligen sich nicht daran, um ihre neuen Anzüge zu scho- 
nen. v'# ist eben Krieg! Sie sind aber auch tätig: aus zwei 
Padfinderstäben und einer Zeltplane stellen sie eine Be- 
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Beim Entfernungsschätzen am Bendelstein.
	        
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