46
linken Flußufer vor. Leutnant Bretschneider von der 4. Kom-
pagnie schwamm hinüber, bekam den Kahn aber nicht los.
Das Bataillon unterstützte nunmehr den Kampf des
Regiments 104, indem es durch sein Feuer das feindliche
Feuer vom linken Flußufer niederhielt. Später gegen Abend
des 23. August trat es an Stelle des II. Bataillons Infan-
terieregiments 104, das seit der letzten Nacht in un-
unterbrochenem Häuserkampf gestanden hatte.
Die Maschinengewehrkompagnie des Infanterieregi-
mento 104 hatte sich im Westteil des Dorfes sehr geschickt
eingenistet und hielt den Gegner, der von den Felshängen
nördlich des Dorfes aus in den Ortskampf eingriff, nach
Kräften nieder. Unter ihrem Feuer brach sogar eine feind-
liche Batterie beim Auffahren dort zusammen.
Die schwerste Zeit in dem Ortskampfe trat ein, als nach
Erscheinen eines französischen Fliegers ein vermichtendes
Kreuzfeuer französischer Feldartillerie und zweier Gruppen
französischer schwerer Artillerie sich über die Batterie von
Heimann ergoß. Da trat der fast vernichteten 1. Batterie,
deren Munition überdies ausging, die 4. Batterie Henker
des Feldartillerieregiments 32 erfolgreich zur Seite. Erst
bei Anbruch der Dunkelheit aber schwieg das feindliche
Feuer von Insemont her. Selbst in dem Ortsteil von Ha-
stière rechts der Maas lebte der Feuerkampf aus Keller-
luken schon niedergebrannter Häuser nochmals auf und die
ganze Nacht hindurch schlug starkes Feuer aus den Häusern
jenseits der Maas herüber. Sogar der Verbandplatz süd-
östlich von Hastiere und das weiter zurückgelegene Dorf
Blaimont, wohin die Verwundeten zurückgeschafft worden
waren, wurden von erbitterten Zivilschützen beschossen.
Noch in der Nacht zum 24. August wurde begonnen,
an Stelle des gesprengten Brückenbogens eine Laufbrücke
nach Hastière—Lavaux herzustellen. Den Mionierzug unter-
stützte dabei vortrefflich die 8. Kompagnie Infanterieregi-
ments 104. Aber erst am 24. August morgens wurde
das linke Maasufer und der Ort Hastière—Lavaux durch
das I. Bataillon Infanterieregiments 181 unter Major
von Süßmilch gen. von Hörnig, der am 23. August früh
stromabwärts bei Waulsort über die Maas vorgedrungen
war, von den hartnäckigen Verteidigern, Reserveinfan-
terieregiment 208, Zuaven und Zivilschützen, gesäubert.
Das Bataillon hatte seit Morgengrauen des 23. August
die Aufgabe zu erfüllen, im Maasbogen gegenüber von
Waulsort der Abteilung des Obersten Hammer die rechte
Flanke stromabwärts zu sichern. In Ausführung dessen
erkämpfte sich der unternehmende Kommandeur des Ba-
taillons bereits in den Morgenstunden des 23. August
den Maasübergang bei Waulsort. Seine 1. Kompagnie be-
setzte zunächst eine Maaoinsel. Als erster durchfuhrtete Vize-
feldwebel d. R. Straumer mit einem Halbzug der 2. Kom-
pagnie die Maatz. Ihm folgte alsbald die ganze 2. Kom-
pagnie. Dann wurde unter ihrem Feuerschutz die 3. und
4. Kompagnie mit Pontons übergesetzt. Nach hitzigem Feuer-
kampf am jenseitigen Ufer wurde der Talhang des linken
Flußufers genommen, dann ging das neugcordnete Bataillon
gegen ein fünfhundert Meter nordwestlich davon gelegenes
Waldstück vor, wurde aber schließlich aus dem überstarken
Schrapnellfeuer auf die Randstellung des Uferhanges zurück-
genommen. Dort blieb es während der folgenden Nacht.
Am nächsten Morgen drang das Bataillon in Hastière —
Lavaux ein und öffnete den Kronprinzern den Zugang zum
linken Flußufer.
Erst von Mittag des 24. August ab konnte der Übergang
bier über eine Laufbrücke erfolgen. Die Pferde durchschwam-
men unterhalb der Brücke die Maas, die Fahrzeuge wur-
den auf Kahnfähren übergesetzt.
Alsbald wurde der Vormarsch in das unübersichtliche
Waldgebiet der Fagne angetreten, wo eine durch die ver-
bündeten Franzosen zu verzweifelter Gegenwehr aufgesta-
chelte Bevölkerung das deutsche Einfallsheer mit Militär-
gewehr und Schrotflinte erwartete. Die Verluste betrugen
beim Regiment Kronprinz 4 Offiziere und 24 Mann ge-
fallen, s Offiziere und 93 Mann verwundet. 11 Mann
wurden vermißt.
Ahnlich waren die Verluste bei den Mitkämpfern von
Hastière, beim I. Bataillon des Regiments 133, den Pio-
nieren und dem Artilleriezug des Leutnants Futtig. Die
Kriegstagebücher berichten von ausgezeichneten Einzeltaten
und schildern begeistert die herrliche Kampfstimmung dieses
ersten Gefechtstages. Ich gebe einem Artilleristen des
Zuges Futung nachstehend das Wort:
„Auf schweißbedecktem Pferde preschte ein Meldereiter her-
an: „Infanterie hat vor dem Dorfe Hastiere starkes Feuer
bekommen, ein Zug Artillerie soll sofort zur Unterstützung
vorkommen.“
„Erster Zug und die beiden ersten Munitionswagen auf-
gesessen,“ hallt das Kommando, — „Trab!“ — und schon
ging es, begleitet von den besten Wünschen unseres Bat-
teriechefs und unserer Kameraden, durch die finstere Nacht
vorwärts dem Feinde entgegen. Der Führer des Zuges,
Leutnant Futtig, galoppierte sofort vor, um sich bei dem
Infanterierommandeur, Oberstleutnant Eckardt, nähere
Anweisungen vor dem Eintreffen seiner Geschütze zu holen.
Etwa einen Kilometer vor dem Dorfe lagen unsere braven
loer und hatten notdürstig Deckung in den Straßengräben
gesucht. Uberall hörte man die ersten Verwundeten auf-
stöhnen; mitten auf der Straße lag der als erster fürs
Vaterland gefallene Bataillonsadjutant. Unsere ersten Ziele
lwaren eine Barrikade, die etwa 400 Meter vor uns die
Straße sperrte, und rechts seitwärts der Straße eine ein-
zelstehende Villa, infolge des Nebels kaum an den Um-
rissen zu erkennen. Dafür blitzten aber bald aus diesem
Fenster, bald aus jener Luke feindliche Schüsse auf. Etwa
2 Uhr morgens war es, da durchdröhnten unsere Kanonen-
schüsse, die ersten des Regiments, die Nacht. Welch anderes
Gefühl war es doch, zum ersten Male auf wirklich lebende
Ziele, auf Menschen zu schießen!
Nach etwa 100 Schuß wurde das Feuer eingestellt. Eine
Infanteriepatrouille, die in die Villa vorstieß, fand diese
vom Feinde verlassen. Eine andere Patrouille wurde gegen
die Barrikade abgesandt. Auch sie kehrte bald zurück und
meldete, daß die Franzmänner hier gleichfalls die Flucht
ergriffen hatten. Sie mußten es damit aber recht eilig
gehabt haben; denn nicht einmal alle iyre Tornister hatten
sie mitgenommen. Vier Tornister waren die erste Beute;
lieber waren uns natürlich deren Besitzer gewesen.
Inzwischen war es etwa 4 Uhr morgens geworden und
Hberst Hammer, der Regimentskommandeur des Infan-
terieregiments 104, war seiber bei uns eingetroffen, um
den eigentlichen Sturm auf das Dorf zu leiten. Noch er-
schien es aber zu zeitig, zumal der Nebel immer dichter
wurde. Endlich — die geit hatte gar nicht vergehen wollen
— gegen §* Uhr früh trat die Infanterie zum Sturme an.
Doch kaum war sie an die ersten Häuser heran, als
ein wahrer Bleihagel aus allen Fenstern und Ritzen auf
sie niederging. -
Ein furchtbarer Straßen= und Häuserkampf setzte ein. Da
kam der Befehl: „Artillerie vor!“ Dann gleich „Kanoniere
in die Räder!“ und hurtig ging's im Laufschritt vor bis
dicht vor die Infanterie. Ein wahres Schnellfeuer wurde
eröffnet; auf jeden Schuß — und keiner verfehlte sein
ziel, betrug doch die Entfernung nur etwa 50 bis 100 Meter
— antnvortete eine wütende Gewehrsalve. Sobald die ersten
Häuser genügend bearbeitet erschienen, wurde das Feuer
auf die nächsten gelenkt, während die Infanterie in die
verrammelten sturmreif geschossenen Häuser eindrang, sie
sofort in Brand steckte und sämtliche bewaffneten Männer
herausschleppte, um an ihnen kurzerhand die gerechte Strafe