Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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linken Flußufer vor. Leutnant Bretschneider von der 4. Kom- 
pagnie schwamm hinüber, bekam den Kahn aber nicht los. 
Das Bataillon unterstützte nunmehr den Kampf des 
Regiments 104, indem es durch sein Feuer das feindliche 
Feuer vom linken Flußufer niederhielt. Später gegen Abend 
des 23. August trat es an Stelle des II. Bataillons Infan- 
terieregiments 104, das seit der letzten Nacht in un- 
unterbrochenem Häuserkampf gestanden hatte. 
Die Maschinengewehrkompagnie des Infanterieregi- 
mento 104 hatte sich im Westteil des Dorfes sehr geschickt 
eingenistet und hielt den Gegner, der von den Felshängen 
nördlich des Dorfes aus in den Ortskampf eingriff, nach 
Kräften nieder. Unter ihrem Feuer brach sogar eine feind- 
liche Batterie beim Auffahren dort zusammen. 
Die schwerste Zeit in dem Ortskampfe trat ein, als nach 
Erscheinen eines französischen Fliegers ein vermichtendes 
Kreuzfeuer französischer Feldartillerie und zweier Gruppen 
französischer schwerer Artillerie sich über die Batterie von 
Heimann ergoß. Da trat der fast vernichteten 1. Batterie, 
deren Munition überdies ausging, die 4. Batterie Henker 
des Feldartillerieregiments 32 erfolgreich zur Seite. Erst 
bei Anbruch der Dunkelheit aber schwieg das feindliche 
Feuer von Insemont her. Selbst in dem Ortsteil von Ha- 
stière rechts der Maas lebte der Feuerkampf aus Keller- 
luken schon niedergebrannter Häuser nochmals auf und die 
ganze Nacht hindurch schlug starkes Feuer aus den Häusern 
jenseits der Maas herüber. Sogar der Verbandplatz süd- 
östlich von Hastiere und das weiter zurückgelegene Dorf 
Blaimont, wohin die Verwundeten zurückgeschafft worden 
waren, wurden von erbitterten Zivilschützen beschossen. 
Noch in der Nacht zum 24. August wurde begonnen, 
an Stelle des gesprengten Brückenbogens eine Laufbrücke 
nach Hastière—Lavaux herzustellen. Den Mionierzug unter- 
stützte dabei vortrefflich die 8. Kompagnie Infanterieregi- 
ments 104. Aber erst am 24. August morgens wurde 
das linke Maasufer und der Ort Hastière—Lavaux durch 
das I. Bataillon Infanterieregiments 181 unter Major 
von Süßmilch gen. von Hörnig, der am 23. August früh 
stromabwärts bei Waulsort über die Maas vorgedrungen 
war, von den hartnäckigen Verteidigern, Reserveinfan- 
terieregiment 208, Zuaven und Zivilschützen, gesäubert. 
Das Bataillon hatte seit Morgengrauen des 23. August 
die Aufgabe zu erfüllen, im Maasbogen gegenüber von 
Waulsort der Abteilung des Obersten Hammer die rechte 
Flanke stromabwärts zu sichern. In Ausführung dessen 
erkämpfte sich der unternehmende Kommandeur des Ba- 
taillons bereits in den Morgenstunden des 23. August 
den Maasübergang bei Waulsort. Seine 1. Kompagnie be- 
setzte zunächst eine Maaoinsel. Als erster durchfuhrtete Vize- 
feldwebel d. R. Straumer mit einem Halbzug der 2. Kom- 
pagnie die Maatz. Ihm folgte alsbald die ganze 2. Kom- 
pagnie. Dann wurde unter ihrem Feuerschutz die 3. und 
4. Kompagnie mit Pontons übergesetzt. Nach hitzigem Feuer- 
kampf am jenseitigen Ufer wurde der Talhang des linken 
Flußufers genommen, dann ging das neugcordnete Bataillon 
gegen ein fünfhundert Meter nordwestlich davon gelegenes 
Waldstück vor, wurde aber schließlich aus dem überstarken 
Schrapnellfeuer auf die Randstellung des Uferhanges zurück- 
genommen. Dort blieb es während der folgenden Nacht. 
Am nächsten Morgen drang das Bataillon in Hastière — 
Lavaux ein und öffnete den Kronprinzern den Zugang zum 
linken Flußufer. 
Erst von Mittag des 24. August ab konnte der Übergang 
bier über eine Laufbrücke erfolgen. Die Pferde durchschwam- 
men unterhalb der Brücke die Maas, die Fahrzeuge wur- 
den auf Kahnfähren übergesetzt. 
Alsbald wurde der Vormarsch in das unübersichtliche 
Waldgebiet der Fagne angetreten, wo eine durch die ver- 
bündeten Franzosen zu verzweifelter Gegenwehr aufgesta- 
chelte Bevölkerung das deutsche Einfallsheer mit Militär- 
gewehr und Schrotflinte erwartete. Die Verluste betrugen 
beim Regiment Kronprinz 4 Offiziere und 24 Mann ge- 
fallen, s Offiziere und 93 Mann verwundet. 11 Mann 
wurden vermißt. 
Ahnlich waren die Verluste bei den Mitkämpfern von 
Hastière, beim I. Bataillon des Regiments 133, den Pio- 
nieren und dem Artilleriezug des Leutnants Futtig. Die 
Kriegstagebücher berichten von ausgezeichneten Einzeltaten 
und schildern begeistert die herrliche Kampfstimmung dieses 
ersten Gefechtstages. Ich gebe einem Artilleristen des 
Zuges Futung nachstehend das Wort: 
„Auf schweißbedecktem Pferde preschte ein Meldereiter her- 
an: „Infanterie hat vor dem Dorfe Hastiere starkes Feuer 
bekommen, ein Zug Artillerie soll sofort zur Unterstützung 
vorkommen.“ 
„Erster Zug und die beiden ersten Munitionswagen auf- 
gesessen,“ hallt das Kommando, — „Trab!“ — und schon 
ging es, begleitet von den besten Wünschen unseres Bat- 
teriechefs und unserer Kameraden, durch die finstere Nacht 
vorwärts dem Feinde entgegen. Der Führer des Zuges, 
Leutnant Futtig, galoppierte sofort vor, um sich bei dem 
Infanterierommandeur, Oberstleutnant Eckardt, nähere 
Anweisungen vor dem Eintreffen seiner Geschütze zu holen. 
Etwa einen Kilometer vor dem Dorfe lagen unsere braven 
loer und hatten notdürstig Deckung in den Straßengräben 
gesucht. Uberall hörte man die ersten Verwundeten auf- 
stöhnen; mitten auf der Straße lag der als erster fürs 
Vaterland gefallene Bataillonsadjutant. Unsere ersten Ziele 
lwaren eine Barrikade, die etwa 400 Meter vor uns die 
Straße sperrte, und rechts seitwärts der Straße eine ein- 
zelstehende Villa, infolge des Nebels kaum an den Um- 
rissen zu erkennen. Dafür blitzten aber bald aus diesem 
Fenster, bald aus jener Luke feindliche Schüsse auf. Etwa 
2 Uhr morgens war es, da durchdröhnten unsere Kanonen- 
schüsse, die ersten des Regiments, die Nacht. Welch anderes 
Gefühl war es doch, zum ersten Male auf wirklich lebende 
Ziele, auf Menschen zu schießen! 
Nach etwa 100 Schuß wurde das Feuer eingestellt. Eine 
Infanteriepatrouille, die in die Villa vorstieß, fand diese 
vom Feinde verlassen. Eine andere Patrouille wurde gegen 
die Barrikade abgesandt. Auch sie kehrte bald zurück und 
meldete, daß die Franzmänner hier gleichfalls die Flucht 
ergriffen hatten. Sie mußten es damit aber recht eilig 
gehabt haben; denn nicht einmal alle iyre Tornister hatten 
sie mitgenommen. Vier Tornister waren die erste Beute; 
lieber waren uns natürlich deren Besitzer gewesen. 
Inzwischen war es etwa 4 Uhr morgens geworden und 
Hberst Hammer, der Regimentskommandeur des Infan- 
terieregiments 104, war seiber bei uns eingetroffen, um 
den eigentlichen Sturm auf das Dorf zu leiten. Noch er- 
schien es aber zu zeitig, zumal der Nebel immer dichter 
wurde. Endlich — die geit hatte gar nicht vergehen wollen 
— gegen §* Uhr früh trat die Infanterie zum Sturme an. 
Doch kaum war sie an die ersten Häuser heran, als 
ein wahrer Bleihagel aus allen Fenstern und Ritzen auf 
sie niederging. - 
Ein furchtbarer Straßen= und Häuserkampf setzte ein. Da 
kam der Befehl: „Artillerie vor!“ Dann gleich „Kanoniere 
in die Räder!“ und hurtig ging's im Laufschritt vor bis 
dicht vor die Infanterie. Ein wahres Schnellfeuer wurde 
eröffnet; auf jeden Schuß — und keiner verfehlte sein 
ziel, betrug doch die Entfernung nur etwa 50 bis 100 Meter 
— antnvortete eine wütende Gewehrsalve. Sobald die ersten 
Häuser genügend bearbeitet erschienen, wurde das Feuer 
auf die nächsten gelenkt, während die Infanterie in die 
verrammelten sturmreif geschossenen Häuser eindrang, sie 
sofort in Brand steckte und sämtliche bewaffneten Männer 
herausschleppte, um an ihnen kurzerhand die gerechte Strafe
	        
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