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die Frage des Vorgehens gegen die Sperrfeste Givet er-
ledigen. Sollte die Bezwingung von Givet nicht besser in
den Erstangriff gegen die Maasfront einbezogen werden?
Hätte das Ansetzen der dritten Armee direkt auf Givet
der Obersten Heeresleitung nicht viel günstigere Verhältnisse
geschaffen
Der Leser nimmt zu diesen Fragen besser erst Stellung
nach Schilderung der tatsächlichen Vorgänge.
Die Einnahme von Givet
(Skizze 7)
Einen greifbaren direkten Erfolg erntete die dritte Armee
aus der Bezwingung der Maasfront durch den beschleunigten
Fall der französischen Maae#grenzfestung Givet. Auf deren
Besatzung, wie überhaupt auf die ganze Bevölkerung des
französischen Grenzgebietes hatte der überstürzte Zusammen-
bruch der geplanten französischen Offensive und das un-
widerstehliche Vordringen des deutschen Einfallsheeres offen-
bar starken Eindruck gemacht. Nach dem Fall der bel-
gischen Maasbollwerke Lüttich und Namur erschien die
Behauptung der veralteten französischen Maassperrbefesti-
gung von Givet auf die Dauer unmöglich. So wartete denn
die Besatzung von Givet nur die Eröffnung des Artillerie=
angriffes ab, um sich dann zu ergeben.
Die Aufgabe, Givet zu nehmen, wurde vom Ober-
kommando der dritten Armee dem Generalleutnant von
Ehrenthal mit seiner 24. Reservedivision übertragen. Dazu
wurden ihm das III. Bataillon Fußartillerieregiments 1
(21-em-Mörser), zweiösterreichische Motorbatterien (30,3cm)
und ½ II. Bataillon Fußartillerieregiments 19 (schwere
Feldhaubitzen) sowie der General der Pioniere beim Ober-
kommando der dritten Armee und das Pionierregiment 23
zur Verfügung gestellt. Dagegen setzte das Neserve-Feld-
artillerieregiment 24 mit zwei Abteilungen den Vormarsch
mit der 23. Reservedivision fort und trat erst während der
Marneschlacht zu seiner Division zurück.
Die 24. Reservedivision erreichte in anstrengendem Nacht-
marsch von Anthée her am 27. August früh das Vor-
gelände von Givet. Schon um Mittag war die Festung
umstellt. Die Vortruppen schoben sich nach und nach näher
heran. Das Vorziehen der Belagerunggartillerie stieß auf
große Schwierigkeiten. Die wenigen Gebirgsstraßen waren
von Truppen und Kolonnen bedeckt. Die Kriegsbrücken
erwiesen sich als zu schwach für die schweren Geschütze.
So mußte der eigentlich gegen die Westfront beabsichtigte
artilleristische Angriff auf der Ostfront erfolgen. Bereits
am 29. August eröffnete das III. Bataillon Fußartillerie=
regiments Nr. 1 mit seinen Mörsern erfolgreich das Feuer
gegen das Fort Charlemont. Inzwischen trafen auch noch
zwei Batterien des I. Bataillons Fußartillerieregiments
Nr. 19, das I. Bataillon Fußartillerieregiments ? Nr. 24
und eine österreichische 30,5-em-Mörserbatterie ein. Die
Mörserbatterie eröffnete am 31. August 12,30 Uhr nach-
mittags ihr Feuer. Givet brannte alsbald an meh-
reren Stellen. Bereits 6,30 Uhr abends wurden weiße
Flaggen sichtbar. 11 Uhr abends war die bedingungs-
lose Ubergabe der Festung vom französischen Komman-
danten unterzeichnet. Am 1. September 9 Uhr vor-
mittage gingen 40 Offiziere und 2910 Mann in Gefangen-
schaft ab. Die übrige Beute betrug allein an Festungs-
geschützen 127 Stück. Der diesseitige Verlust war ganz
gering. Die Pioniere hatten nur 2 Tote und 2 Verwundete,
von der 47. Reservebrigade war 1 Offizierstellvertreter tot,
3 Offiziere verwundet, lo Unteroffiziere und Mannschaften
tot, 17 verwundet. Die 48. Reservebrigade hatte 1 Offizier,
4 Unteroffiziere und Mannschaften verwundet.
Die Festung war nicht sturmreif. Die Geschütze, Flan-
kierungsanlagen und Wälle waren unversehrt. Die Wirkung
der schweren Artillerie, besonders diejenige der österreichi-
schen Mörser gegen die Häuser, hatte vollauf genügt. Be-
sonderen Eindruck hatte auch das Schrapnellfeuer des
I. Bataillons Fußartillerieregiments 24 gegen Fort Condé
ausgeübt. Die französischen Mannschaften waren nicht an
bie Geschütze zu bringen gewesen. Der Angriff war übrigens
von Westen, nicht von Östen her erwartet worden.
Die 24. Reservedivision beschleunigte dann mit allen
Kräften ihren Weitermarsch, um bei der Hauptentscheidung
zur Stelle zu sein, die nach dem vorahnenden Gefühl aller
Mitkämpfer unmittelbar bevorstand.
Es drängt sich die Frage auf, ob man Gioet nicht einfach
überrennen sollte wie das ganz ähnlich gelegene, ausgebaute
und bewehrte Sperrfort Huy (halbwegs Lüttich—Namur),
das beim Nahen des preußischen X. Armeekorps noch vor
Abend des 17. August von den Belgiern verlassen worden
war. Die Frage scheint von der deutschen Obersten Heeres-
leitung überhaupt nicht erwogen worden zu sein.
Tatsächlich haben 2½ Bataillone Fußartillerie und zwei
österreichische 30,5m-Mörserbatterien Givet in 2½ Tagen
bezwungen. Die 3½ Bataillone Fußartillerie, über welche
die dritte Armee verfügte, konnten am 22. August abends
auf der Ostfront den Angriff beginnen. Es bestand Aus-
sicht, selbst ohne Mitwirkung der österreichischen Mörser die
Straßensperre Givet bis zum Morgen des 25. August zu
öffnen oder wenigstens unwirksam zu machen. Schon
während der Beschießung stand das ganze Wegenetz südlich
von Givet zum Einkreisen der französischen fünften Armee
und der Engländer zur Verfügung.
Statt dessen keilte der Befehl der Obersten Heeresleitung
die dritte Armee in die Lücke zwischen Namur und Giret
ein. Diese Strecke beträgt 32 Kilometer, von den Südforts
von Namur aus gemessen. Davon entfielen mindestens
16 Kilometer als beste Wirkungsweite der Ferngeschütze.
beider Festungen. Die Mittelstrecke beiderseits von Dinant
— 16 Kilometer — war bereits seit dem 15. August als
starkbefestigt festgestellt. Sie band in der Folge die Kampf=
kraft der ganzen dritten Armee in entscheidender Zeit. Die
Verantwortung dafür trifft allein die Oberste Heeresleitung,
die erst am 23. August — zu spät, wie so oft in diesem
Kriege — der dritten Armee die Ausdehnung nach links,
südlich von Givet freigab.
Den Gang der Ereignisse für den Fall, daß die dritte
Armee von vornherein auf Givet angesetzt worden wäre,
weiter zu durchdenken, kann dem Leser nach Kenntnis des
Verlaufs der Ereignisse überlassen bleiben.
Für mich besteht kein Zweifel, daß die deutsche „Zange“
mit den Backenstücken Mons—Maubeuge (erste und zweite
Armee) und Givet—Rocroi (dritte Armee) um das Gelenk-
stück Namur (Gallwitz) den linken französisch-englischen
Heeresflügel hätte abkneifen können, wie es ähnlich der
Generaloberst von Hindenburg in der folgenden August-
woche im Osten fertigbrachte.
Daß es nicht geschah, fällt lediglich der Obersten Heeres-
leitung zur Last, beineswegs den Oberbefehlshabern der
zweiten und dritten Armee. Für eine solche weitausgreifende
Heereobewegung bedurfte es straffer Leitung, nicht des
einfachen Hinweises auf „Vereinbarungen zwischen den
Oberkommandos 2 und 3 zwecks übereinstimmenden An-
griffs“ (Befehl vom 20. August, Seite 28).
Die Leistungen der dritten Armee ebenso wie die der
Hindenburg-Armeen in der Winterschlacht in Masuren unter
den denkbar schwierigsten Boden= und Wetterverhältnissen
im Februar lols beweisen, daß die Anforderung an die
Marschleisiung des deutschen rechten Flügels, Südost-
schwenkung aus der Linie Ninove—Jemeppe bis über die
Sambre beiderseits von Maubeuge hinaus im August 1914
sicherlich nicht unerfüllbar gewesen wäre.
Die deutsche Oberste Heeresleitung rechnete mit sechs