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sich nun beim Oberkommando der dritten Armee der Ent-
schluß fast von selbst, die Bewegungen der dritten Armee
für den 3 1. August in volle Ubereinstimmung mit denen
der vierten Armee zu bringen, um im gemeinsamen Handeln
mit dieser, wenn möglich auf einen rechts umfassenden
Angriff des gegen die fünfte und vierte deutsche Armee
vordringenden Feindes zuzukommen. Um diesen Entschluß
in die Wege zu leiten, bedurfte es nur des kurzen Antritts-
befehls vom 31. August 4 Uhr früh. In demselben wurde
das XII. Armeekorpo gegen Pauores angesetzt, das XIX.
Armeekorps erhielt Befehl, im Anschluß an das VIII. Ar-
meekorpo den Feind vor der Front anzugreifen, während
die 23. Reservedivision unter Sicherung von Flanke und
rechter Armeeflanke von Chäteau-Po reien auf Juniville vor-
rücken sollte.
Am 31. August 8, 10 Uhr früh kehrte der zum XIX. Ar-
meekorps entsandte Nachrichtenoffizier mit der Meldung
nach Signy I'Abbaye zurück, daß der Feind in stark ver-
schanzter Stellung mit schwerer Artillerie auf den Höhen
südlich der Aisne von Perthes über Saulces-Champenoises
bis Giory stehe, und daß die vierte Armee, wie er durch
das VIII. Armeekorps erfahren habe, am 31. August zu-
nächst nicht angreifen wolle, sondern sich nur bereitstellen
werde. Da unter solcher Voraussicht der von der dritten
Armec angesetzte Angriff aussich elos schien, entschlos sich
das Oberkommando der dritten Armee, die 6 Uhr früh be-
gonnene Offensive des XII. Armeckorps und der 23. Re-
servedivision bis zur Klärung der Lage anzuhalten und
befahl nicht weiter vorzugehen, sondern sich zum Offen-
halten der Aisneübergänge bei Chäteau-Porcien und Retbel
einzugraben. Eine dementsprechende Weisung an das XIX.
Armeekorps gelangen zu lassen, erübrigte sich, da der Nach-
richtenoffizier vor Verlassen des XIX. Armeekorps dieses
lber die veränderte Lage ins Bild gesetzt und. gebeten batte,
den geplanten Angriff nicht zu beginnen, bevor ihm ein
ausdrücklicher Befehl zuginge.
Nachdem 0, 10 vormittags das Oberkommando der vierten
Armee mitaeteilt hatte, daß es die an der Maas im Kampfe
stehende fünfte Armee mit einem Armeekorps unterstützen
und sich mit allen anderen Kräften bei Lameßz und östlich
bereitstellen werde, um gemeinsam mit der dritten Armee
den Feind durch rechtsumfassenden Angriff von seinen Ver-
bindungen abzuschneiden, entschloß sich das Oberkommando
der dritten Armee, die vorübergehend angehaltene Offensioe
wieder aufzunehmen.
Bel den drei sächsischen Armeekorps verlief der 31. Au-
gust dann wie folgt:
Das Xll. Reservekoros auf dem rechten Flügel vollzog
am 31. August den Aisneüberaung mit der gesamten
23. Reservedivision bei Chätean-Porcien kampflos.
Dagegen mußte das XII. Armeckorps am 31. August
den Kampf nochmals aufnehmen. Seine Truopen hatten
die Nacht in stolzer Stimmung in dem erkämpften Naume
bei und nordöstlich Rethel, Gruppe von Watzderf (Grenadier-
regiment 101. Infanterieregiment 132, Jägerbataillon 11)
südlich der Aisne direkt am Feird verbracht.
Am 31. August gegen lo Uhr vormittags stieß die
23. Infanteriedivision an den Höhen südlich von Biermes—
Thuge auf neuen Widerstand. Sie säuberte die vorliegen-
den Höhen, während die 32. Infanteriedivision rechts von
ihr sich bis zum Abend in den Besibz der Höhe von Per-
thes setzte. Wieder hatte der Feind in gutgewählten Stel-
lungen geschickt um Zeitgewinn aekmoft. Beide Dioi-
sionen des XII. Armeekorps mußiten bis zur Dunkelheit
um ihre Quartiere (32. Infanteriedirision Perthes und
nördlich, 2 3. Infanteriediossion Annelles —Mnil) kämpfen.
Das XIX. Armeekorps brachte der 31. Auaust in den
Besitz der Aisn#übergänge von Attigny und Semuy. Bis
zum Nachmittag wurden diese beiden freundlichen Aisne-
städte genommen. Sie waren durch die Franzosen, beson-
ders durch deren Kolonialtruppen vor der Näumung ent-
setzlich verwüstet worden. Die wenigen zurückgebliebenen
Einwohner empfingen die Sachsen als Befreier.
Die beiden Gefechtstage hatten bei furchtbarer Hitze un-
gewöhnliche Anforderungen an die Kräfte der Truppen
gestellt.
Der Feind bestand anscheinend aus dem verstärkten
IX. Armeekorps und wohl auch aus Teilen des XXI. Ar-
meekorps, die erst am 29. August von Epinal her mit
der Bahn Rethel erreicht hatten.
Die Verluste waren namentlich beim XII. Armeekorps
beträchtlich. Sie betrugen 19 Offiziere, 203 Unteroffi-
ziere und Mannschaften tot sowie 45 Offiziere, 1225 Un-
teroffiziere und Mannschaften verwundet.
Auch vor der anschließenden vierten Armee hatte der
Gegner den Widerstand aufaegeben. Die französische vierte
Armee fühlte sich aber offensichtlich durchaus nicht be-
siegt. Ebenso wie bei Sedan hatte sie auch jetzt nur auf
höheren Befehl hin und im Nahmen der planmäßigen Nück-
wärtsbewegung des Gesamtheeres den Kampf aufgegeben.
Beim Oberkommando der dritten Armee traf am Abend
des 31. August kurz nach 9 Uhr ein Funkspruch der Ober-
sten Heeresleitung ein, wonach mit Rücksicht auf die schwe-
ren Kämpfe der fünften Armee nördlich Verdun unauf-
haltsames Vorgehen der dritten und vierten Armee ge-
boten war.
Gegenüber der deutschen fünften Armee hatte die fran-
zösische dritte Armee nach ihrer Niederlage im Grenzgebiet
erneut auf den Höhen links der Maas unterhalb von Ver-
dun den Kampf aufgenommen. Die Armee des deutschen
Kronprinzen fand an der Maas schwere Arbeit. Am 27.
und 28. August überwand ihr rechter Flügel den Fluß bei
Stenay und Dun, ihr linker Flügel deckte währenddem
gegen Verdun, von wo der Feind immer stärkere Kräfte
gegen die Flanke der deutschen fünften Armee vorführte.
Bercits am 30. August leistete der von der Maas ver-
drängte linke Flügel der französischen dritten Armee an
den Nordzugängen der Argonnen erneuten heftigen Wider-
stand. Am 31. August wurde Varennes erstürmt. Lang-
sam wich der Feind durch den zerblüfteten Bergwald der
Argonnen südwärts. Verdun zwang mit seiner starken Be-
satzung zu entsprechender Flankendeckung. Auch in den Ar-
gonnen rangen sich die Korps der deutschen fünften Armee
nur mühsam vorwärts.
Nocb schwerer war die Arbeit bei der deutschen sechsten
und siebenten Armee in dieser letzten Augustwoche. Ver-
gebens suchte die deutsche sechste Armee den Stosfkeil in
das Loch von Charmes voriutreiben und stemmte sich
trotzig dem starken französischen Gegenanariff aus dem
befestigten Naume von Nanch entgegen, während die deut-
sche siebente Armee vor den Betonstellungen der franzö-
sischen ersten Armee im Raume von St. Dis allmählich fest-
fubr. Wohl erlag binter der deutschen Front das französische
Sperrfort Manonviller den Kruppschen 42-em-Haubißen,
aber der Stellungskampf an der oberen Mosel rückte nicht
mehr vorwärts, trotz der gewaltigen Leistungen und blutigen
Opfer der deutschen sechsten und siebenten Armee. Die
vorzüglich vorbereitete französische Abwehrstellung zwischen
den befestigten Lagern von Epinal und Toul—Nancy er-
wies sich als nicht bezwingbar mit den bisherigen Mitteln
des Feldkriegs. Eine neue Kampfart dämmerte hier auf,
der Stellungskrieg.
Die Belgier waren am 27. August, als gleichzeitig die
Feldheere der Westmächte sich den deutschen Einfallarmeen
erneut zur Schlacht stellten, aus Antwerpen mit allen fünf
Divisionen über Mecheln auf Loewen vorgebrochen. Nach
anfänglichem Erfolg beiderseits umfaßt, wichen die Belgier
am 26. August nach Antwerpen zurück. Die Stadt Löwen,