40 Kilometer, von der zerstörten Telerewbrücke ab, zu Fuß
marschierend. Mittlerweile war die Kavallerie mit Panzer-
kraftwagen weiter auf Shitomir geeilt. 30 Kilometer östlich
davon wurde ein Tschechenbataillon, das sich in seinem
Deutschenhaß den Bolschewisten angeschlossen hatte, gestellt
und nach verzweifelter Gegenwehr zersprengt. Doch Banden
von Arbeitern aus dem Industriegebiet verstärkten die Bol-
schewisten täglich mehr. Das Eisenbahnmaterlal wurde ent-
führt, der Schienemweg unterbrochen. So galt es zu eilen,
wollte man Kiew erreichen, ehe es ein Bolschewisten-,
Tschechen= und Arbeiterheer besetzte.
„Bereits am 28. Februar fuhr ein sächsisches Bataillon,
das tapfere II. 350 (Major Tröger), mit einer Batterie bis
15 Kilometer an Kiew heran. Am 1. März fuhr dieses Batail-
lon kurz entschlossen weiter in die zurzeit gegen eine Million
Einwohner zählende große unbekannte Stadt hinein. Der
Bahnhof wurde rasch besetzt, ohne daß die völlig überraschten
russischen Soldaten Widerstand zu leisten wagten. Doch
das genügte dem Bataillon noch nicht. Quer durch die ganze
Stadt hindurch marschierten die schwachen Kompagnien
weiter, um schnell die wichtigen Onjeprbrücken in Besitz zu
nehmen. Es war ein außerordentlich gewagtes Unternehmen,
die mit Tausenden von bolschewistischen Russen dicht an-
gefüllten Straßen zu durcheilen, aber es gelang ohne jeden
Zwischenfall. Erst an den Brücken fanden die Kompagnien
Widerstand; wiederum waren es tschechische Truppen, die
den Sachsen den Ubergang über den Onjepr verwehrten.
Trotz des erheblichen feindlichen Feuers, auch sogar von
schwerer Artillerie, gelang es dem Bataillon doch, über
die Brücke vorzustoßen und das östliche DOnjeprufer in Be-
sitz zu nehmen. Die ganze Nacht hindurch hielt das eine
sächsische Bataillon allein die große Stadt und die Brücken
besetzt. Die Tschechen wagten keinen Angriff mehr und
zogen gegen Morgen in östlicher Richtung ab.“
So lautet der Bericht des Generalleutnants Groener, des
damaligen Stabschefs des Oberkommandos, über diese
Sachsentat.
Am 2. März trafen dann weitere Truppen ein. Kiew.
war in festem Besitz der Deutschen, obwohl die Bevölkerung,
die doch monatelang um Besitz und Leben gezittert hatte,
nichts für die Deutschen übrig hatte. Man konne sich nicht
daran gewöhnen, den furchtbaren Feind von dreieinhalb
Jahren nun als Befreier und Beschützer anzusehen.
Inzwischen war auch weiter nördlich der Vormarsch auf
den Bahnlinien über Sarny und Luniniec erfolgreich gewesen.
Nur westlich von Mosyr hatte Feind aller Waffen heftigen
Widerstand geleistet, den die 224. Infanteriedivision schnell
brach. Bereits am 28. Februar war Rieschitza, der wichtige
Dnjeprübergang, in ihrer Hand. Viele Vorräte wurden er-
beutet, ebenso die Flußflotille des Pripet. Tags darauf
wurde das wichtige Gomel erreicht und nach Abwehr feind-
licher Gegenstöße gehalten. Nunmehr schlossen die deutschen
Kräfte bei Kiew und Gomel zunächst auf. Bahnzerstörungen
und Mangel an rollendem Material verzögerten dies er-
beblich. Nach Gomel rückte die sächsische 47. Landwehrdivi-
sion nach.
Inzwischen hatten auch die Österreicher, die sich ange.ichts
der deutschen Erfolge nun doch zum Einmarsch in die Ulraine
bequemten, den Bahnvormarsch auf Odessa zu angetreten.
Gegen die Häfen des Schwarzen Meeres wandte sich auch
ein Teil der in Rumänien stehenden Heeresgruppe Macken-
sen. Von dieser wurde die sächsische 212. Infanteriedivision
zu Schiff etwa einen Monat später nach Odessa und Niko-
lajew gefahren, um diese Häfen neben den Österreichern für
deutsche Zwecke zu sichern. Mit dem Hauptteil ihrer Trup=
pen besetzte die Division dann die herrliche Landschaft Tau-
rien. Sie unterstand dabei dem Generalkommando der Krim in
Simferopol (LII. Armrekorps — 212., 217. Infanterie-
227
division, 15. Landwehrdivision, Teile der bayerischen Ka-
valleriedivision). Dies im voraus.
Der Zweck der nächsten deutschen Bewegungen war An-
fang März Sicherung des Getreidegebiets von Poltawa.
Das machte die Besetzung von Charkow nötig, um den Al-
schub der reichen Vorräte aus Taurien und des rollenden
Bahnmaterials nach Großrußland zu unterbinden.
An dem zuge nach Charkow nahm die 45. Landwehr-
division weiterhin Teil. Eine ihrer Seitenabteilungen hat!e
dabei in der Nähe von Krementschug ein heftiges Gefecht.
Am 8. April wurde Charkow nach ernstem Widerstand von
der 45. Landwehrdivision im Verein mit der 91. Infanterie-
division und 2. Kavalleriedivision genommen. Eine erhebliche
Beute, vor allem reichliches Bahngerät, seel dabei in deutsche
Hand.
Kurz vorher war auch weiter nördlich, von Gomel her,
von den Deutschen Bachmatsch erreicht worden. Dort zeigte
sich die Bevölkerung feindlich gesinnt. Das spürte besonders
auch die sächsische 47. Landwehrdivision, die östlich von Go-
mel den Grenzschutz gegen Großrußland nunmehr über-
nahm. Das nähere darüber enthält der Abschnitt „Die
47. Landwehrdivision“. Die Division bildete fortab zugleich
den linken Flankenschutz für die deutsche Ukrainearmee.
Das Eisenbahnmaterial, das man in der Ukraine erbeutete,
reichte bei weitem nicht aus. Aus Deutschland konnte wegen
der größeren russischen Spurweite keins herangezosen wer-
den. So drehten sich die nunmehr einsetzenden Kämpfe an
der Ostfront um die Beschlagnahme von möglichst viel Bahn-
gerät, das die Bolschewisten andererseits bestrebt waren,
nach Großrußland zu retten.
Am 2. April übernahm Generalfeldmarschall von Eich-
horn den Oberbefehl über die Heeresgruppe. Mit der Donau-
monarchie war vereinbart worden, daß dieser die Besetzung
von Stidwolhynien, Podolien, Jekaterinoslaw und Cherson
zufiel. Das Gebiet nördlich und östlich davon bildete den
deutschen Besatzungsbezirk. Dementsprechend wurde von April
ab die deutsche Besitzuahme von Taurien (sächsische 212. In-
fanteriedivision) und der Krim und des Gebiets bis über den
Don an seinem Unterlauf durchgeführt. Dabei kam es noch
mehrfach zu ernsten Kämpfen, an denen aber Sachsen nicht
beteiligt waren. Am 1. Mai zog das deutsche Korps Kosch
von der Mackensenarmee, zu dem auch die sächsische 212.In-
fanteriedivision gehörte, in Sebastopol ein. Eine ungeheure
Beute fiel in seine Hand. Damit war der Feldzug in der
Krim beendet. Auch das Kohlengebiet am Donez war bis
dahin besetzt worden. Dieses sicherte bei Taganrog das Korps
Knoerzer. Die 45. Landwehrdioision blieb um Charkow als
Hauptreserve für die im Grenzschutz in weitem Bogen öst-
lich davon aufgestellten deutschen Divisionen, an die nord-
westwärts die 47. Landwehrdivision als Flankenschutz an-
schloß. Diese letztere stieß auf besonders hartnäckigen Wider=
stand. Alle Bahnen waren nachhaltig im Gebiet öst ich von
Gomel zerstört. So mußte sie im Fußmarsch die Sicherungs-
linie Nowgorod—Starodub—MRobczik erreichen.
Mit Großrußland wurde eine neutrale Zone von drei
Kilometer Tiefe vereinbart. Die feindlichen Banden hielten
sich aber nicht daran. So war der Sicherungsdienst auch
fernerhin sehr anstrengend. Immerhin war in vier Monaten
ein Land, größer wie Deutschland, besetzt und von seinen
Bedrlückern befreit worden.
Deren Hauptmasse hatten Bolschewistenbanden und die
roten Garden der Sowjetregierung gebildet, entlassene russi-
sche Soldaten, Matrosen, Fabrikarbeiter und besitzlofe
Bauern, die nichts zu verlieren hatten, und die der hohe
Sold und das freie Näuberleben lockten. Sie unterstanden
selbstgewählten Führern, meist Matrosen, ohne taktische
Kenntnisse, aber meist schneidige, energische Naturen. Ihr
Hauptkampfmittel waren Panzerzüge und Maschinengewehre.
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