Full text: Das Regenbogen-Buch - Die europäischen Kriegsverhandlungen.

1. August 321 
  
  
Der englische Botschafter in Paris, Sir F. Bertie, an den eng- 
lischen Staatssekretär des Aeusseren, Sir Edward Grey. 
Blaubuch Nr. 154. 
Paris. 
Der Präsident der Republik hat mir mitgeteilt: dass die 
deutsche Reichsregierung versuche, die Verantwortung auf 
Russland abzuwälzen; erst nachdem in Oesterreich-Ungarn 
die allgemeine Mobilisation angeordnet worden war, habe der 
Zar die allgemeine Mobilmachung anbefohlen;') die deutsche 
Reichsregierung bezeichne die von ihr getroffenen militäri- 
schen Massnahmen nicht als allgemeine Mobilisation, obschon 
dieselben in Wirklichkeit nichts anderes sind; eine französische 
allgemeine Mobilmachung werde als Selbsterhaltungsmass- 
regel nötig werden, Frankreich sei bereits 48 Stunden hinter 
Deutschland zurück, was die deutschen militärischen Massnah- 
men betreffe?) ; den französischen Truppen wurde befohlen, 
nehmen, dass das Dementi den ersteren Sinn hatte, denn ob nun Is- 
wolskpy derartige Mitteilungen gemacht hatte oder nicht, der Minister- 
präsident und Präsident Poincar& wussten das selbst. Ein Dementi 
hierüber wäre also nicht möglich oder unnötig. Es muss sich also 
auf die Erklärung selbst bezogen haben. Und in diesem Falle ent- 
spricht das Dementi Iswolskps nicht den Tatsachen. Aus den Doku- 
menten, die wir zum Abdruck brachten, geht unzweifelhaft hervor, 
dass Oesterreich-Ungarn zu wiederholten Malen feierlich die besagte 
Erklärung abgab. Es geht ebenso deutlich aus ihnen hervor, dass 
Sasonow sich um diese Erklärung nicht kümmerte, sie verdächtigte 
und sogar sagte, er könne sie nicht in Betracht ziehen. 
Bib. Nr. 134. ') Der Präsident der Republik beteiligt sich mit 
dieser Behauptung an der immer wiederkehrenden Verschiebung des 
Zusammenhanges zwischen Österreichisch-ungarischer und russischer 
allggmeiner Mobilmachung. Bereits Gib. Nr. 115, ein Telegramm 
Dumaines vom 31. Juli, verlegt die Österreichisch-ungarische Mobil- 
machung vor die russische, die erst als Nr. 118 und zwar als moti- 
viert durch die Österreichisch-ungarische mitgeteilt wird. Ein Ver- 
gleich dieser Entstellung mit Bib. Nr. 127 (siehe die betreffende An- 
merkung) genügt, um das Verfahren des Glb. und die in Bib. Nr. 134 
berichtete Darstellung Poincares richtig einzuschätzen. 
?) Die Behauptung, dass Deutschland mit seinen militärischen 
Massnahmen einen Vorsprung von 48 Stunden hatte, ist angesichts 
der formellen deutschen Erklärungen nicht ernst zu nehmen. Offenbar 
genügte aber der Dreiverbandsdiplomatie selbst diese kühne Motivierung 
der französischen allgemeinen Mobilmachung noch nicht, denn die 
offizielle Berner Uebersetzung des Bib. ändert den oben wörtlich über- 
setzten Abschnitt, «that a French general mobilisation will be neces- 
sarsilp self-defence and that France is already 48 hours behind Ger- 
many as regards German militarp preparations>», folgendermassen: 
«Frankreich wird sich genötigt sehen, um seine Selbsterhaltung be- 
sorgt, ebenfalls zu mobilisieren, das heisst 48 Stunden später als dieses 
Deutschland getan». Es wird also damit der Eindruck erweckt, als 
habe Deutschland bereits zwei Tage vorher mobilisiert! 
Poincare ver- 
tritt England 
gegenüber die 
russische Poli- 
tik und klagt 
Deutschlan 
an.
	        
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