1. August 323
Der französische Ministerpräsident und Minister des ÄAeus-
seren, Viviani, an die französischen Botschafter in London,
St. Petersburg, Berlin, Wien und Rom.
Gelbbuch Nr. 120.
Paris.
Zwei Demarches wurden gestern von den österreichi-
schen Botschaftern ausgeführt, die eine in ziemlich unbestimm-
ter Form in Paris, die andere, präziser, in versöhnlichem Sinne,
in St. Petersburg.
Graf Szescen kam, um mir zu erklären, dass die öster-
reichisch-ungarische Regierung offiziell Russland mitgeteilt
habe, dass sie keinen territorialen Ehrgeiz habe und nicht die
Staatssouveränität Serbiens antasten werde; dass sie ebenfalls
jede Absicht, den Sandiak zu besetzen, zurückweise; aber dass
diese Erklärungen des Desinteressements nur ihren Wert be-
halten, wenn der Krieg auf Oesterreich und Serbien lokalisiert
bleibe, da ein europäischer Krieg unabsehbare Eventualitäten
eröffne. Indem er diese Erklärungen kommentierte, gab der
österreichische Botschafter zu verstehen, dass, wenn seine
Regierung nicht auf die Fragen der Mächte, die in ihrem eige-
nen Namen sprechen, antworten könne, sie zweifellos Serbien
antworten könne oder einer Macht, die im Namen Serbiens
nach ihren Bedingungen frage. Er fügte hinzu, dass hier viel-
leicht noch eine Möglichkeit gegeben sei.
In Petersburg besuchte der österreichische Botschafter
Herrn Sasonow und erklärte ihm, dass seine Regierung darein
willige, einer Diskussion beizustimmen, die den Inhalt des an
Serbien gerichteten Ultimatums behandle. Der russische Mini-
ster erklärte sich durch diese Erklärung befriedigt und schlug
vor, dass die Pourparlers in London unter der Teilnahme der
Mächte stattfänden. Herr Sasonow hat offenbar die englische
Regierung gebeten, die Leitung der Verhandlungen zu über-
nehmen; er sagte, dass es wichtig sei, dass Oesterreich seine
Operationen in Serbien einstelle. !)
machung bereit finden. Die sanftmütige Art, in der Grep hier das
deutsche Ultimatum <unterstützt>, konnte natürlich keinen Erfolg haben
und sollte offenbar auch keinen Erfolg haben. Diese Aeusserungen
Greys haben aber immerhin den einen Wert, dass sie den Nachweis
erbringen, dass Deutschland auch nach englischer Auffassung durch-
aus nichts Unbilliges von Russland verlangte und dass England durch
seine eigene Auffassung gezwungen gewesen wäre, Russland nicht
weiter Gefolgschaft zu leisten.
Gib. Nr. 120. ') Und Russlands allgemeine Mobilmachung ?
Oesterreich-
Ungarns ver-
söhnliche Hal-
tıng in fran-
zösischer Be-
leuchtung.