Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

120 F. Cusensky 
licher vorhandene oder leichter zu beschaffende Stoffe ersetzt wurden. Um 
alle diese Aufgaben zu lösen, mußte Industrie und Fachhandel zur Mit— 
arbeit herangezogen werden. Dies ist in wirkungsvollster Weise dadurch 
geschehen, daß die beteiligten Industrien veranlaßt wurden, aus sich heraus 
Organisationen zur Sammlung und Verteilung der von ihnen verarbeiteten 
Rohstoffe zu begründen. Die geeignete Form für solche Organisationen 
bot die Abtiengesellschaft, die durch ihr Aktienkapital und die Möglichkeit 
der Kreditbeschaffung in die Lage gesetzt ist, nicht nur im Bedarfsfalle aus 
den im Inlande vorhandenen beschlagnahmten Rohstoffmengen ihres Wir- 
kungskreises einen Teil zu übernehmen, sondern auch eingeführte Mengen 
zu erwerben, was namentlich für die Zezüge aus dem besetzten feindlichen 
Gebiet von Bedeutung war. In betreff der Derteilung der Dorräte ist beson- 
derer Wert darauf gelegt worden, daß die Gesellschaft kein Monopol für 
die sie begründenden Aktionäre schaffen darf. Abgesehen davon, daß die 
Möglichkeit des Sutritts neuer Aktionäre aus dem Kreise der Berufsgenossen 
ausdrücklich vorgesehen und zu dem Zwecke für die ersten Aktionäre die Der- 
pflichtung begründet wurde, einen Teil ihres Aktienbesitzes für neue Aktionäre 
zur Derfügung zu stellen, ist jede Zevorzugung der Aktionäre gegenüber 
den Michtaktionären streng untersagt und zur Sicherung dieses Grundsatzes 
die Errichtung einer unabhängigen, zum Teil aus neutralen Hersonen ge- 
bildeten Abschätzungs= und Derteilungskommission vorgesebhen worden. 
Eine weitere Gewähr der Ungparteilichkeit wurde durch die Teilnahme meh- 
rerer Staatskommissare an den Sitzungen der Gesellschaftsorgane und deren 
Detorecht gegenüber Beschlüssen dieser Organe gegeben. 
Die Kriegsaktiengesellschaften sind keine Erwerbsgesellschaften; ihre Tätig- 
keit soll gemeinnützig sein. Gewinne werden nicht verteilt. Das bei der Auf- 
lösung, die nach Beendigung des Krieges stattfinden soll, verbleibende Ver— 
mögen soll nach Tilgung der Schulden und sonstigen Derpflichtungen den 
Aktionären nur insoweit zufallen, daß sie ihre Einzahlungen auf die Aktien 
ohne Derzinsung zurückerhalten. Uberschüsse, die sich danach ergeben, sind, 
soweit sie nicht dem Reich zufließen, zu gemeinnützigen Swecken zu ver- 
wenden. 
Des verwickelten Organismus der Aktiengesellschaft bedurfte es für In- 
dustrien nicht, die aus einer kleinen Sahl von Unternebmungen bestehen. 
In solchen Fällen genügte es, eine mit einer Bank in Verbindung stehende 
Abrechnungsstelle zu errichten, die die ihr aus der Beschlagnahme zu- 
gewiesenen Bestände übernimmt, sie nach Maßgabe der Hreisfestsetzungen 
einer Abschätzungskommission bezahlt und nach den Weisungen einer Der- 
teilungskommission abgibt. In der Abschätzungskommission ist der Handel und 
die Fabrikation vertreten. Die Kommissionen werden von einem Uber- 
wachungsausschusse beaufsichtigt, dem Staatsbommissare mit Detorecht zutreten. 
Diese Art der Organisation ist besonders dort gewählt worden, wo die Berufs- 
genossen bereits in einer Derbandsorganisation zusammengefaßt waren. 
Der Derband bezeichnet dann — im Bedarfsfall unter Zustimmung 
etwaiger Außenseiter — die Berufsgenossen, welche dem Uberwachungs- 
ausschuß und der Derteilungskommission angehören sollen.
	        
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