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stabes und der Eisenbahnen und deren Leistungsfähigkeit. Alles klappte,
ohne daß Seit für lange Vorarbeiten blieb; mit derselben Sicherheit wurden
fortan noch größere Aufgaben auf diesem Gebiete gelöst. Dorweg sei bemerkt,
daß vorerst die neuen Truppen noch nicht verfügbar waren. Hindenburg
blieb zunächst auf das angewiesen, was er vorfand, aber er erwies sich als
der für die LKösung der Aufgabe berufenste Mann. Der Rückzug
wurde fortgesetzt und durch völlige Loslösung vom Gegner Bewegungs-
freiheit gewonnen, nicht um hinter den Strom zurückzugehen, sondern um
sich angriffsweise nacheinander gegen die beiden Gegner zu wenden, deren
jeder allein die verfügbaren Streitkräfte weit an Stärke übertraf 1). Er wählte
den kühnsten oeg und wandte sich zuerst gegen die Tarew-Armee, im Fuß-
marsch und mit der Eisenbahn seine Truppen zu ihrer Umfassung von Worden,
Westen und demnächst auch Süden ansetzend, so daß schließlich nur ein kleiner
Ausweg nach Südosten blieb. Die Russen nahmen ihre angegriffenen Flügel
zurück, während Hindenburg das Dorgehen ihrer Mitte auf Hohenstein nicht
belinderte. Dadurch wurde es ihm möglich, mit der Minderheit den in dem
Seen= und Waldgelände zwischen Hohenstein, Meidenburg, GOrtelsburg und
Dassenheim zusammengedrängten Gegner einzukreisen und bis zur Dernich-
tung zu schlagen, eine Leistung, die Moltkes große Umfassungsschlachten von
Uöniggrätz und Sedan noch übertrifft 2). Micht einmal ein Drittel der 240 ooc
Mann starken T#rew-Armee entkam. Ihr Führer Ssamsanow fand den Tod,
nabezu die ganze Artillerie fiel in die Hand der Unserigen. Das war die vom
26. bis 50. August dauernde „Schlacht von Tannenberg“, so genannt nach dem
südöstlich von Hohenstein gelegenen Orte, bei dem einst das Heer des deut-
schen Ordens den Holen und Derrätern am deutschen Dolkstum erlegen war
TAicht einen Augenblick zögerte der deutsche Feldberr, sich wieder gegen
die Ajemen-Armee zu wenden. Diese wagte es nicht, mit ihren 250 00c
Mann gegen die trotz der nunmehr eingetroffenen Derstärkungen nur etwe
175 000 Mann starken siegreichen Deutschen vorzugehen, sondern entwickelte
sich in einer langen von Tapiau über Angerburg, die Masurischen Seen und
Gerdauen sich hinziehenden Derteidigungslinie. Wieder leitete Hindenbure
eine doppelte Umfassung ein. Auch Rennenkampf bog beide Flügel zurück
erkannte aber, durch das Dorangegangene gewarnt, des Gegners Albsich
rechtzeitig genug, um einen Teil seines HBeeres zu retten. Diese vom 8. bi
1) Man spricht in einem solchen Falle von Heeresbewegungen „auf der innere
Linie“. Es kommt darauf an, den einen der beiden „auf den äußeren Linien“" sich be
wegenden Gegner so schnell abzutun, daß man der Gefahr entgeht, gleichzeitig vo-
dem andern gefaßt und von beiden erdrückt zu werden. Der zweite Akt ist der Angrif
des zweiten Feindes. Die Möglichkeit der Ausführung beruht auf einer gewissen Ent
fernung der beiden Gegner, auf Schnelligkeit des Entschlusses und der Ausführung
Beide technischen Ausdrücke sind, soweit es sich nicht um fachwissenschaftliche Erörte
rungen handelt, entbehrlich.
2) Graf Schlieffen, des Feldmarschalls v. Moltke zweiter Nachfolger, hat in eine
„Cannae“ betitelten Schrift nachgewiesen, daß in der Weltgeschichte erst einmal ein
solche Umfassung und Dernichtung einer Minderheit gelang — HGannibal bei Cannae—
und erläutert, was diese Böchstleistung ermöglichte. Hindenburg hat durch die Te
erwiesen, daß Schlieffen recht hatte.