Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

X. Die Genossenschaften und der Krieg 289 
den zum Geschäftsbetrieb erforderlichen Mitteln, schwankt also sehr; es 
gibt Genossenschaften mit einem Geschäftsanteil von nur 10 M. — mit- 
unter sogar noch weniger — und andere mit Geschäftsanteilen bis zu 
500 M. und höher. 
Eine besondere Eigenart der Genossenschaft ist die Haftpflicht. Man 
versteht darunter die Derpflichtung der Mitglieder einer Genossenschaft, 
für deren Schulden zu haften. Es gibt Genossenschaften mit unbeschränkter 
Haftpflicht, mit beschränkter ZBaftpflicht und mit unbeschränkter Nachschuß— 
pflicht. Bei den Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht haften die 
Mitglieder unbeschränkt, d. b. mit ihrem ganzen Dermögen; bei der Genossen- 
schaft mit beschränkter Haftpflicht nur beschränkt, nämlich mit einem genau 
bestimmten Betrag, der nicht niedriger sein darf als der Geschäftsanteil. 
Bei der Genossenschaft mit unbeschränkter achschußpflicht sind die Mit- 
glieder, falls das Dermögen der Genossenschaft zur Deckung der Schulden nicht 
ausreicht, verpflichtet, Machschüsse an die Genossenschaft zu leisten. Die 
verbreitetste Genossenschaftsart ist diejenige mit unbeschränkter haftpflicht. 
Don den am 1. Jannar 1015 im Deutschen Reiche bestehenden 56 032 Ge- 
nossenschaften hatten 21 840 die unbeschränkte Haftpflicht, 14 015 die be- 
schränkte Haftpflicht und nur 168 die unbeschränkte Nachschußpflicht. 
Ist die Satzung der Genossenschaft fertiggestellt, so ist sie von den sämt- 
lichen Mitgliedern zu unterzeichnen; dann sind Dorstand und Aufsichtsrat 
zu wählen, und die Satzung ist von dem Dorstande dem Amtsgericht ein- 
zureichen. Das Amtsgericht trägt die Genossenschaft, wenn alles in Ordnung 
ist, in das „Genossenschaftsregister“ ein. Die Bedeutung dieser Ein- 
tragung ist äußerst wichtig. Don da ab kann die Genossenschaft wie ein 
Kaufmann Geschäfte abschließen; sie ist eine „juristische Herson“. Der Ge- 
schäftsbetrieb kann nunmehr beginnen. Damit die Genossenschaft wirt- 
schaftlich und rechtlich richtig aufgebaut wird, ist es zweckmäßig, bei Grün- 
dung neuer Genossenschaften Sachverständige, die von den Genossenschafts- 
verbänden (s. u. AcC 1) gern zur Derfügung gestellt werden, zu Rate zu ziehen. 
b) Arten und Bedeutung der Genossenschaften. 
1. Die Molkereigenossenschaft ist nur eine der vielen Genossenschaften. 
Allein in der Landwirtschaft gibt es noch eine große Sahl. Die Molkerei- 
genossenschaften z. B. gehören zu der Gruppe der landwirtschaftlichen Absatz- 
genossenschaften. Sie bezwecken die gemeinschaftliche Derwertung der 
landwirtschaftlichen Erzeugnisse, neben der Milch insbesondere des Getreides 
(sogenannte Getreideverwertungs= und Kornhausgenossenschaften), des 
Diehbes (sogenannte Diehverwertungsgenossenschaften) usw. Daneben be- 
stehen die landwirtschaftlichen Zezugsgenossenschaften mit dem Swecke 
des gemeinschaftlichen Einkaufs landwirtschaftlicher Zedarfsgegenstände, 
vor allem künstlicher Düngemittel, Futtermittel, Sämereien usw. Der 
wWert der Bezugs= und Albsatzgenossenschaften besteht darin, daß sie auch 
den kleinen Landwirten es ermöglichen, sich beim Ein= und Derkauf die 
Vorteile des Großbetriebes zu verschaffen, also die Bedarfsgegenstände zu 
denselben Bedingungen einzukaufen und die Erzeugnisse zu denselben Be- 
Staatsbürgerl. Belehrungen in der Kriegszeit. II. Band. 19
	        
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