Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

II. Die Beziehungen zwischen Deutschland und seinen Verbündeten 33 
aus ist nun die Frage zu beantworten, welches die geschichtlichen und wirt- 
schaftlichen Zeziehungen zwischen Deutschland und seinen Derbündeten sind 
und welche Wege diese in die Sukunft hinein weisen. 
A. Der Dreibund, seine Entstehung und sein 
Susammenbruch. 
a) Das Emporsteigen des Deutschen Reiches. 
1. Das deutsche Dolk hatte, wie bekannt, seine erste politische Organisation 
im mittelalterlichen Kaisertum gefunden und seinen Raum, von ihm eigent- 
lich unabhängig, durch seine Kolonisationsarbeit nach Osten geweitet, so 
daß er im ganzen in der Hauptsache durch die Elbe in zwei Hälften geteilt 
wurde. Mit den Habsburgern war das Kaisertum nach der östlichen Hälfte, 
nach deren südöstlichen Teile gezogen. Es erbob noch seine alten Ansprüche, 
aber innere Kraft hatte es nicht mebr; was es davon hatte, dankte es dem 
habsburgischen Territorialstaat, mit dem es verbunden war. In den 
Territorien, in den Fürsten lag allein die GSukunft der politisch immer tiefer 
sinkenden Tation. Unter ihnen erwuchs, erst durch kluge Beiratspolitik 
und Erbfall, dann durch große Fürsten, Brandenburg-Hreußen zur euro- 
päischen Macht. Es wurzelte im Osten, im Sentrum, im Westen des deutschen 
Lebens und war nicht durch nichtdeutsche Anhängsel beschwert wie Gsterreich., 
Uach Holen und Schweden, nach Holland und Frankreich trieb es eigene, 
europäische, große Holitik und war doch theoretisch ein Untertan des Kaisers, 
dem es über den Kopf wuchs und den es selber bedrohte. 
2. Mit diesem Swiespalt, den man ja den preußisch-österreichischen 
Dualismus nennt, haben der Große Kurfürst und Friedrich Wilhelm I., 
Friedrich Wilbelm III. und namentlich Friedrich Wilbelm IV. innerlich 
schwer gerungen. T'ur Friedrich der Große und dann Bismarck sabhen, 
daß er nur mit dem Schwerte zu lösen sei. Entweder gab es nie wieder 
ein Deutsches Reich und lebten Hreußen und Ssterreich nebeneinander — 
das wollte aus verschiedenen Motiven weder das eine noch das andere. 
Oder in ihm, sei es in der alten Form des Deutschen Bundes, sei es in 
einer irgendwie zu schaffenden neuen, konnte nur einer maßgebend sein 
und herrschen. Das war Bismarck vor allem in Frankfurt zwingend klar 
geworden. So fand er den Entschluß und löste den alten geschichtlichen 
Gegensatz zur habsburgischen Monarchie innerbalb des Deutschen Bundes, 
der der schwächliche Tachfolger des alten Kaiserreiches war, mit der Waffe 
endgültig. Am Abend von Königgrätz war ein jahrhundertealter Kampf 
zu Ende, die alte Idee zerschlagen, daß ein Deutsches Reich von Dorder- 
europa bis zum Unterlaufe der Donau hin bestünde. Es war ein ZBiß, 
der damit durch die deutsche Mation gezogen wurde. Denn dieser not- 
wendige Ausgang war nur zu erreichen, indem Millionen Deutscher, 
nämlich die Donaudeutschen, aus der neuen Reichsbildung ausgeschlossen 
bliebee. Aber mit einer staatsmännischen Genialität ohnegleichen hat 
Bismarck am Schlachttage selbst schon den Gedanken erfaßt, daß dieses 
Staatsbürgerl. Zelehrungen in der Kriegszeit. II Zand. 5
	        
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