Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

III. Die wichtigsten feindl. Staaten nach ihren wirtschaftl. Beziehungen usw. 73 
J. Das wirtschaftliche Verhältnis zu Deutschland. 
a) England ist ein Handelsstaat, und seine ganze Politik, friedliche wie 
kriegerische, ist letzten Endes Handelspolitik. Wenn der preußische General 
von Tlausewitz gesagt hat, Krieg sei die Fortsetzung der Holitik mit veränderten 
Mitteln, so kann man von England sagen: englische Kriege sind nichts anderes, 
als Fortsetzung des englischen Geschäfts mit veränderten Mitteln. Um des 
Geschäfts willen ist das ganze englische Weltreich erobert worden. Dabei 
muß man sich klar machen, daß der englische Kolonialbesitz von doppelter 
Art ist. Er besteht erstens aus Untertanenländern, wie Indien, Agvpten, 
den großen Gebieten im tropischen Afrika usw., und zweitens aus Siedelungs- 
kolonien mit weißer, überwiegend Englisch redender Bevölkerung, wie 
Kanada, Australien, Meuseeland, Südafrika. Diese letzteren Gebiete sind 
das eigentliche England jenseits des Ozeans, und sie haben in diesem Kriege 
gezeigt, daß sie entgegen mancher früheren Meinung fest mit dem Mutter- 
lande zusammenhängen und ihm Hilfe leisten. Im ganzen besitzt England 
ungefähr den vierten Teil der festen Erdoberfläche und beherrscht auch ein 
viertel der Bevölkerung der Erde. 
Das englische Wirtschaftssystem und die englische Holitik beruhen 
darauf, daß England aus aller Welt Rohstoffe bezieht und alle Welt mit in- 
dustriellen Fertigfabrikaten versorgt. Der Mehrwert der Fabrikate gegenüber 
den Rohstoffen, dazu der Gewinn vom Seetransportgeschäft an fremden Waren, 
die Anleihezinsen für nach auswärts verliehenes Kapital und der Nutzen, 
der von überseeischen Unternelmungen aller Art nach England fließt, sind 
es, die den englischen Reichtum vermehren. Das ganze englische System 
stebt und fällt mit der englischen Industrie= und Kapitalsherrschaft. Um der 
Industrie willen hat England seine Landwirtschaft soweit vernachlässigt, 
daß nicht einmal ein Achtel der englischen Bevölkerung heute mehr auf dem 
TLande tätig ist, und die eignen landwirtschaftlichen Erzeugnisse nur für wenige 
Monate im Jahre zum Unterhalt der Bevölkerung reichen würden. Da- 
gegen war der englische Außenhandel im Jahre lols auf etwa 28 ½ Mil- 
liarden Mark gestiegen (Deutschland 22 ½ Milliarden); die Summe, die das 
Ausland an englische Schiffahrtsgesellschaften für Frachten zahlen mußte, 
betrug 2 Milliarden jährlich, und die Gebühren, die englische Banken 
für geschäftliche Dermittlungen aller Art vom Auslande bezogen, fast eine 
Milliarde Mark. Etwa 65 Milliarden Mark,. vielleicht ein Viertel des englischen 
olksvermögens, sind im Ausland angelegt, und all dieses Geld läßt Gewinne 
nach England fließen — einen erheblichen Teil durch die Ausnutzung der 
eignen englischen Kolonien. 
Dem englischen Jdeal würde es entsprechen, wenn es auf der ganzen 
Welt keine Industrie außer der englischen gäbe, die imstande wäre, Roh- 
stoffe zu verarbeiten und Fabrikate zu liefern, und wenn vor allen Dingen 
nach England selbst nur Rohstoffe und überhaupt keine Fabrikate hinein- 
gelangten. Als einzigen, allerdings hervorragend wichtigen Rohstoff führt 
England Steinkohle aus. Für die großen Gewinne, die es von seiner Gesamt- 
ausfuhr hat, kann es sich auch leisten, der größte Lebensmittelkäufer auf dem 
Weltmarkte zu sein. Man berechnet die Menge des gesamten Weizens, der
	        
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