100 Anlage 1. Der Großherzog und sein Haus.
1. Über den Gerichtsstand der Mitglieder des Hauses
bei bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten unter einander und
in Srafsachen enthält aber weder die Badische Gesetzgebung
noch das veröffentlichte Hausrecht des Hauses irgend eine ge-
schriebene Bestimmung. Durch gütige Mitteilung Seiner Excellenz
des Staatsministers Dr. Nokk erfahre ich, daß solche geschriebene
Satzung überhaupt fehlt. Ein Gewohnheitsrecht kann sich in dieser
Richtung kaum gebildet haben.
Auch hat kein nach 1851 erschienenes Badisches Gesetz, ins-
besondere auch nicht die Gerichtsverfassung v. 19. Mai 1864
(s. bes. § 4), dieser wichtigen Frage mit einem Worte gedacht.
Es besteht demgemäß weder in Strafsachen noch in
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten der Mitglieder des
Hauses ein eximirter Gerichtsstand. Unrichtig Ammann,
Gerichtsverfassung u. Strafprozeßordnung f. d. Gr. Baden, Karls-
ruhe 1865 S. 18; Wielandt. Das Staatsrecht des Groß-
herzogthums Baden S. 42.
Selbstverständlich kann aber jeden Augenblick ein solcher Gerichts-
stand hausrechtlich geschaffen werden. Aber in seiner Ermanglung
greift der ordentliche Gerichtsstand Platz.
2. Bezüglich der „freywilligen Gerichtsbarkeit in Beziehung
auf die Mitglieder Unseres Großherzoglichen Hauses“ hat Groß=
herzog Ludwig durch Verordnung v. 13. August 1823 (s. Groß-
herzoglich-Badisches Staats= und Regierungs-Blatt, 20. Jahrg.,
1823 N. XXIV S. 133) dem „jeweiligen Minister der auswärtigen
Angelegenheiten“ als dem Minister des Großherzoglichen Hauses,
„in Beziehung auf alle in Unserer Familie vorkommende Rechts-
handlungen, das Recht der Staatsschreiberei" und die Besorgung
der „übrigen Geschäfte der freywilligen Gerichtsbarkeit“ übertragen.
— Der Minister kann bei diesen Amtsverrichtungen nach Befinden
einen rechtskundigen Staatsdiener zuziehen.
Bezüglich der „Standesbeurkundung" s. die oben Anlage 1 sub 6
S. 65 ff. gegebene Landesherrliche Verordnung vom 27. Juli 1885.