II. Abschnitt.
Die Arbeit des Bundesrats während seiner zweiten Session
868).
1. Bundesgesetzgebung (Artikel 2—5 der Verfassung).
Einer der größten Vorzüge des Norddeutschen Bundes gegenüber dem
alten Bundestage war die Fülle derjenigen Materien, die der erstere vor sein
Forum ziehen konnte. Man erinnert sich noch der Schwierigkeiten, welchen im
Jahre 1855 in Frankfurt a. M. der von Bayern ausgehende Vorschlag be-
gegnete, beim Bunde Verhandlungen über das Heimatsrecht, die Auswanderung,
die Patenterteilung, die Messen, das Münz-, Maaß= und Gewichtssystem, die
gegenseitige Vollziehbarkeit gerichtlicher Erkenntnisse und andere Gegenstände
allgemeiner Nützlichkeit einzuleiten. Im Norddeutschen Bunde stand die Zu-
ständigkeit desselben, eine Reihe von Materien dieser Art zu regeln, von vorn-
herein fest, und Bismarcks Streben ging dahin, das ihm in der Bundesverfassung
geöffnete Arbeitsfeld so rasch und so ausgiebig als möglich auszubauen.) Die
ausgezeichneten Kräfte, welche er für das Bundeskanzler-Amt gewonnen hatte,
befähigten ihn, an den Bundesrat in dieser Session mit einer großen Zahl
von Vorschlägen heranzutreten. Im einzelnen ist Nachstehendes zu bemerken:)
Naturalisirung von Angehörigen eines Bundesstaates in
einem andern. Es waren Zweifel darüber entstanden, ob von Bundes-
angehörigen, welche die Aufnahme in den Unterthanenverband eines andern
Bundesstaates nachsuchten, vor Gewährung dieses Gesuches auch jetzt noch der
Nachweis ihrer Entlassung aus ihrem bisherigen Unterthanenverhältnis zu ver-
langen, und ob für Bundesangehörige, welche in einen andern Bundesstaat
auszuwandern beabsichtigen, das Aufgeben des bisherigen Unterthanenverhältnisses
auch fernerhin an die Erteilung einer förmlichen Entlassungsurkunde zu knüpfen
*) Vergleiche mein Werk: „Preußen im Bundestag“, Bd. II, S. 268—273, 282—284.
*“) Der Vollzähligkeit halber erwähne ich zu Artikel 2 der Bundesverfassung ein
Schreiben Bismarcks an den Bundesrat vom April oder Anfang Mai 1868, betreffend die
unentgeltliche Verabfolgung des Bundes-Gesetzblattes an die Gemeinden, und ein Schreiben
des Kanzlers vom November 1868, betreffend die zur Verbreitung des Bundes-Gesetzblattes
getroffenen Maßregeln.