Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

sei. Entstanden waren diese Zweifel durch das im Artikel 3 der Verfassung 
des Norddeutschen Bundes statuirte Prinzip des gemeinsamen Indigenats für 
alle Bundesangehörigen. Es wurde die Meinung vertreten, daß aus der einmal 
erfolgten Statuirung dieses Prinzips beim Verziehen eines Bundesangehörigen 
aus dem einen Bundesstaat in den andern die Anwendung der früheren Be— 
stimmungen über zu liefernden Nachweis erfolgter Entlassung aus dem bisherigen 
Unterthanenverhältnisse u. s. w. sich von selbst verbiete. 
In einem an den Bundesrat gerichteten Schreiben (Juni 1868) führte der 
Kanzler aus, daß diese letztere Anschauung eine durchaus irrige sei. Im 
Artikel 3 der Bundesverfassung seien die Rechte, welche aus dem gemeinsamen 
Indigenat flössen, aufgeführt, woraus sich von selbst ergebe, daß eben nur 
diese und nicht alle Rechte aus dem Prinzipe des gemeinsamen Indigenats 
fließen sollten. Zu der unzweifelhaften Statthaftigkeit dieser Auffassung trete 
sodann aber auch ihre materielle Zweckmäßigkeit, denn wenn man einer andern 
Auffassung Raum geben und bei einem Verziehen eines Bundesangehörigen aus 
dem einen Bundesstaat in den andern den Nachweis vorheriger Entlassung aus 
dem bisherigen speziellen Unterthanenverhältnis nicht nach wie vor für not- 
wendig erachten wollte, so würde in Betreff der speziellen Staatsangehörigkeit 
der einzelnen Bundesangehörigen der größten Unsicherheit oft Thür und Thor 
geöffnet sein. Es empfehle sich daher, zur Beseitigung aller Zweifel über die 
betreffende Frage, daß die Bundesregierungen sich über eine gemeinsame Basis, 
die fortan in fraglicher Beziehung allein maßgebend sein solle, verständigten, 
und proponirte der Kanzler diese gemeinsame Basis schließlich in folgender 
Fassung: 1) Von Bundesangehörigen, welche die Aufnahme in den Unterthanen- 
verband eines andern Bundesstaates nachsuchen, kann auch künftig der Nachweis 
der Entlassung aus ihrem bisherigen Unterthanenverhältnis verlangt werden; 
2) für Bundesangehörige, welche in einen andern Vundesstaat auszuwandern 
beabsichtigen, kann das Aufgeben des bisherigen Unterthanenverhältnisses auch 
fernerhin an die Erteilung einer förmlichen Entlassungsurkunde geknüpft 
werden.“) 
Der Ausschuß für Handel und Verkehr erklärte sich ebenso wie der 
Bundesrat (29. Juli) mit dem von dem Kanzler ausgehenden Vorschlage ein- 
verstanden. 
Verträge mit den süddeutschen Staaten über die Frei- 
zügigkeit. Am 13. März 1868 richtete Bismarck folgendes Schreiben?) 
an den Bundesrat: „Die Regierungen von Bayern, Württemberg, Baden und 
*) „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ Nr 179 vom 2. August 1868 und Nr. 183 
vom 7. August 1868. Der „Staatsanzeiger“ publizirte die betreffende Erklärung des 
Bundeskanzler-Amts an das preußische Staatsministerium vom 4. Juli. 
**) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt. 
Poschinger Fürst Bismarck und der Bundesrat. I. 10 
 
	        
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