Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

— 147 — 
Interessen nicht ertragen werden könne. Es sei besser, dies offen auszusprechen, 
als sich auf Verhandlungen einzulassen, die, sofern man die formelle Reziprozität 
in Betracht ziehen wolle, vielleicht zu ungenügenden Resultaten, voraussichtlich 
aber zu gar keinem Ergebnisse führen und in diesem Falle einen weit un— 
günstigeren Eindruck zurücklassen würden, als eine einfache Ablehnung aus 
materiellen Gründen, deren Erheblichkeit nicht verkannt werden könne. 
Von der Mehrheit des Ausschusses war dagegen namentlich geltend gemacht 
worden, daß, wenn auch die Gesetzgebung auf diesem Gebiete nicht stillstehen 
könne, doch Abänderungen derselben nicht allzu häufig eintreten würden, nachdem 
ein gewisses Ziel in dieser Beziehung teils bereits erreicht sei, teils in kurzem 
erreicht sein werde. Dies sei namentlich in Bezug auf die Hauptgrundsätze 
nicht zu befürchten, in freiheitlicher Richtung nicht, weil die gegenwärtige Gesetz- 
gebung des Bundes auf dem Prinzip der Verkehrsfreiheit beruhe; in be- 
schränkender Richtung nicht, weil eine solche Umkehr, nachdem einmal der richtige 
Weg betreten worden, nicht wohl denkbar sei. Auch könne für den letzteren 
Fall die Veränderung oder Aufhebung der Verträge vorbehalten werden. Soweit 
es sich aber um unbedeutendere Abweichungen in der Gesetzgebung handle, sei 
der davon zu befürchtende Nachteil gering, sofern nur auch in dieser Beziehung 
formelle Reziprozität garantirt sei. Es könne ferner auch eine Verabredung in 
Erwägung gezogen werden, nach welcher die Abänderungen der Gesetzgebung, 
welche in einem der vertragschließenden Teile vorgenommen werden, unter ge- 
wissen Modalitäten auch in dem andern unmittelbar zur Geltung kommen 
sollen. Eine unbedingte Weigerung, auf Verträge über die Freizügigkeit ein- 
zugehen, würde übrigens in den süddeutschen Staaten, bei den Regierungen 
wie bei den Bevölkerungen, einen ungünstigen Eindruck hervorbringen und die 
Meinung erwecken, daß auf diese Weise eine Pression behufs Erweiterung der 
Kompetenz des Zollparlaments geübt werden solle. Sei eine solche Pression 
auch nicht beabsichtigt, so würde sie doch thatsächlich eintreten, da nach Ablehnung 
der Verträge zur Befriedigung des immer lebhafter hervortretenden Bedürfnisses 
einer alle deutschen Staaten umfassenden vollen Freizügigkeit kaum ein anderer 
Weg übrig bleiben würde, als der gemeinsamer Gesetzgebung. 
Die süddeutschen Anträge blieben im Bundesrat unerledigt. 
Eheschließung. Eine baldige Erledigung erheischte die Aufhebung der 
polizeilichen Beschränkungen der Eheschließung. Bismarcks Vorlage an den 
Bundesrat (März 1868) führte zu dem Gesetz vom 4. Mai 1868 (B.-G.-Bl. 
S. 149). 
Staatsangehörigkeit. Der hierüber von Bismarck im März 1868 
vorgelegte Vertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika vom 22. Februar 
1868 fand die Genehmigung des Bundesrats (B.-G.-Bl. 1868 S. 228). 
Gewerbeordnung. Eine der wichtigsten Vorlagen an den Bundesrat
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.