— 148 —
(März 1868) war die im preußischen Handelsministerium ausgearbeitete Ge-
werbeordnung.
Der Bundesrat beschloß, zur Beratung derselben einen besonderen Ausschuß
zu wählen, und wählte zu Mitgliedern Preußen, Königreich Sachsen, Mecklen-
burg-Strelitz, Reuß j. L. und Hamburg. Bei den Ausschußberatungen") zeigte
sich sehr bald, daß es den nichtpreußischen Bundesstaaten nicht ohne die größten
Veränderungen in ihrem ganzen Staatsleben möglich sein würde, den vom
preußischen Staatsministerium überkommenen Entwurf bei sich ein= und durch-
zuführen. Es bestanden nämlich für eine gemeinsame Gewerbegesetzgebung, welche
zu gleicher Zeit für einen großen Staat, wie Preußen, und für eine kleine
Hansestadt gut und praktisch sein sollte, zwei Hauptschwierigkeiten, auf welche
der preußische Entwurf nur geringe Rücksicht nahm. Die eine war die gänzliche
Verschiedenheit der Behördenorganisationen in den Bundesländern, die andere
lag in der Verschiedenheit des Zustandes, in welchem sich die einzelnen nord-
deutschen Gewerbeverfassungen befanden. Der Entwurf lehnte sich nun bloß
an die preußische Gewerbeverfassung an und nahm auch darauf wenig Rücksicht,
daß andere Länder in der Gewerbefreiheit Preußen entweder voran oder auch
nachstanden.
Im Plenum des Bundesrats war die allgemeine Debatte gleichwohl schnell
abgewickelt, sie war fast nur auf die Bemerkungen der mecklenburgischen Kom-
missare beschränkt, welche einen schüchternen Protest wagten und den Versuch
machten, eine Lanze für das Zunftwesen zu brechen, sich jedoch alsbald be-
ruhigten. Bei den Debatten über die Einzelheiten suchte man von verschiedenen
Seiten den vorgeschlagenen bureaukratischen Apparat, der sich an den Organismus
der preußischen Behörden anschloß, zu bekämpfen und demgegenüber freiere
Einrichtungen der Einzelstaaten aufrecht zu erhalten. In einzelnen Fällen
wurden nach dieser Richtung hin auch Resultate erzielt. Im wesentlichen wurde
allgemeines Einverständnis erzielt. ) Der an den Reichstag gelangte Gesetz-
entwurf rief jedoch in der vorberatenden Kommission so umfassende Erörterungen
hervor, daß die Erledigung des Gesetzes in seiner vollen Ausdehnung während
der Session nicht mehr in Aussicht genommen werden konnte.
Hierdurch fand sich eine Anzahl von Abgeordneten veranlaßt, noch kurz
vor dem Schlusse des Reichstags einen Gesetzentwurf über den Betrieb stehender
Gewerbe vorzulegen, durch welchen einige der wichtigsten Punkte der Gewerbe-
freiheit schon jetzt gesichert werden sollten.
Obwohl das einseitige und rasche Vorgehen des Reichstags in einer so
*) Stimmen der Presse über die ungemein eingehenden Ausschußberatungen (täglich
von 10—3 Uhr), vergleiche die „National-Zeitung“ Nr. 150 vom 28. März 1868.
**) Ueber die Frage, ob die Amendements des Ausschusses von dem Plenum des
Bundesrats angenommen wurden, vergleiche die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ Nr. 86
vom 10. April 1868.