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Für Oesterreich bestimmt das Gesetz betreffend die Regelung der
polizeilichen Abschaffung und des Schubwesens vom 27. Juli 1871 § 2:
„Außerdem können Personen, welche in dem Geltungsgebiete dieses Gesetzes
nicht heimathberechtigt sind, wenn sich ihr Aufenthalt daselbst aus Rück-
sichten der öffentlichen Ordnung und der Sicherheit als unzulässig dar-
stellt, aus dem ganzen Geltungsgebiete dieses Gesetzes oder aus einem
bestimmten Theile desselben abgeschafft werden.“ Gegen die Ausweisung
ist innerhalb dreier Tage der Rekurs an die Provinzialbehörde, wie an
das Staatsoberhaupt zulässig. Bis zur endgiltigen Entscheidung kann
der Ausgewiesene in Haft genommen werden. Die Ausweisung ist hier-
nach eine einfache polizeiliche Maßregel, die aus allgemeinen Gründen
der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verfügt werden kann. Für
Ungarn bestehen besondere gesetzliche Bestimmungen nicht. Die Ver-
waltungspraxis wendet aber die in Oesterreich geltenden Grundsätze ent-
sprechend an.
In Rußland bestehen gesetzliche Bestimmungen über die Zulässigkeit
der Ausweisung überhaupt nicht. Nach dem Grundsatze: „Was nicht
verboten ist, ist erlaubt“ wird sie jedoch aus den mannigfachsten Gründen
namentlich der Politik fortgesetzt verhängt. Nur erfordert man für den
einzelnen Fall in der Regel einen besonderen kaiserlichen Befehl.
Die Schweiz hält es von jeher für ihr Recht, Fremden Afyl zu
gewähren. Aber abweichend von England betrachtet sie dieses Recht nicht
gleichzeitig als eine Pflicht gegenüber dem einzelnen Fremden. Sie kennt
daher eine Ausweisung nicht nur als ein Ausnahmerecht, sondern als
dauernde Einrichtung. Seit 1848 ist die Fremdenpolizei Bundessache.
Nach Art. 70 der Bundesverfassung steht dem Bundesrathe das Recht
zu, Fremde, welche die innere oder äußere Sicherheit der Eidgenossenschaft
gefährden, aus dem schweizerischen Gebiete auszuweisen. Das Gesetz vom
28. Juni 1889 macht die Ausübung dieser Fremdenpolizei zur Sache
des Bundesanwaltes. Von der Ausweisung sind bisher nach der schweizer
Praxis namentlich solche Personen betroffen worden, die vom Boden der
Schweiz aus revolutionäre Handlungen gegen ihren Heimathsstaat vor-
nahmen oder verbreiteten und dadurch mittelbar die Sicherheit der
Schweiz in ihren völkerrechtlichen oder politischen Beziehungen zu anderen
Staaten gefährdeten.
In mustergiltiger Weise hat endlich die belgische Gesetzgebung, ohne
das staatliche Ausweisungsrecht selbst preiszugeben, den Schutz der Fremden
gegen willkürliche Maßregeln der Verwaltung entwickelt." Die belgische
7) Vgl. die ausführliche Darstellung bei v. Martitz a. a. O. Bd. 2, S. 627 ff.