80 Drittes Kapitel: Erfurt, Olmütz, Dresden.
baren Wegen mit Benutzung des braunschweigischen Weser-
districts nach Preußen kommen lassen — ein Beweis von der
Aengstlichkeit, mit welcher man damals die Gebietsgrenzen der
Bundesfürsten respectirte, während sonstige Attribute ihrer
Landeshoheit in den Verfassungsentwürfen für das Reich und den
Dreikönigsbund mit Leichtigkeit ignorirt oder abgeschafft wurden:
man ging in den Entwürfen bis nahe an die Mediatifirung, aber
man wagte nicht, ein Marschquartier außerhalb der vertrags-
mäßig vorhandnen Etappenstraßen zu beanspruchen. Erst bei
Ausbruch des dänischen Krieges 1864 wurde in Schwartau mit
dieser schüchternen Tradition gebrochen und der niedergelassene
oldenburgische Schlagbaum von den preußischen Truppen beseitigt.
Die Erwägungen eines sachkundigen und ehrliebenden Ge-
nerals wie Stockhausen konnte ich einer Kritik nicht unterziehn
und vermag das auch heut noch nicht. Die Schuld an unfrer
militärischen Gebundenheit, die er mir schilderte, lag nicht an
ihm, sondern an der Planlosigkeit, mit der unfre Politik auf
militärischem Gebiete sowohl wie auf diplomatischem in und
seit den Märztagen mit einer Mischung von Leichtfertigkeit und
Knauserei geleitet worden war. Auf militärischem namentlich
war sie von der Art, daß man nach den getroffnen Maßregeln
voraussetzen muß, daß eine kriegerische oder auch nur mili-
tärische Lösung der schwebenden Fragen in letzter Instanz in
Berlin überhaupt nicht in Erwägung gezogen wurde. Man
war zu sehr mit öffentlicher Meinung, Reden, Zeitungen und
Verfassungsmacherei präoccupirt, um auf dem Gebiete der aus-
wärtigen, selbst nur der außerpreußischen deutschen Politik zu
festen Absichten und praktischen Zielen gelangen zu können.
Stockhausen war nicht im Stande, die Unterlassungssünden und
die Planlosigkeit unfrer Politik durch plötzliche militärische
Leistungen wieder gut zu machen, und gerieth so in eine Situa-
tion, die selbst der politische Leiter des Ministeriums, Graf
Brandenburg, nicht für möglich gehalten hatte. Denn derselbe