Viertes Kapitel.
Diplomat.
Nachdem die preußische Regirung sich entschlossen hatte, den
von Oestreich reactivirten Bundestag 9 zu beschicken und dadurch
vollzählig zu machen, wurde der General von Rochow, der in
Petersburg accreditirt war und blieb, provisorisch zum Bundes-
tags-Gesandten ernannt. Gleichzeitig wurden zwei Legations-
räthe für die Gesandschaft auf den Etat gebracht, ich selbst und
Herr von Gruner. Mir wurde durch Se. Majestät und den
Minister von Manteuffel vor meiner Ernennung zum Legations-
rath die demnächstige Ernennung zum Bundestags-Gesandten
in Aussicht gestellt:). Rochow sollte mich einführen und an-
lernen, konnte aber selbst nicht geschäftsmäßig arbeiten und
benutzte mich als Redacteur, ohne mich politisch au fait zu
halten.
Das meiner Ernennung vorhergehende Gespräch mit dem
Könige, kurz gegeben in einem Briefe meines verstorbenen
1) Die Wiederherstellung des Bundestags erfolgte durch Wieder-
eröffnung seiner Sitzungen unter östreichischem Präsidium am 1. Sep-
tember 1850. Preußen, das sich mit den Staaten der Union zunächst
geweigert hatte, ihn zu beschicken, verzichtete in den Dresdener Con-
ferenzen auf ferneren Widerstand und forderte am 23. März 1851 die
Mitglieder der gesprengten Union auf, seinem Beispiel folgend wieder
in den Bundestag einzutreten.
) Die erste Erwähnung einer beabsichtigten Ernennung Bismarck's
nach Frankfurt findet sich im Briefe an die Gattin vom 24. April 1851,
Bismarck's Briefe an seine Braut und Gattin, S. 263; der Brief vom
28. April, S. 266, enthält Mittheilungen über die Vorgeschichte der Er-
nennung, vgl. Gerlach, Denkwürdigkeiten Bd. I S. 618 (zum 16. April),
620 (zum 16. April).